Hamburg, Hamburger Kammeroper, DIE FLEDERMAUS - Johann Strauß, IOCO Kritik, 21.12.2022

Hamburg, Hamburger Kammeroper, DIE FLEDERMAUS - Johann Strauß, IOCO Kritik, 21.12.2022
Allee Theater Hamburg / Kammeroper und Theater für Kinder © Dr Joachim Flügel
Allee Theater Hamburg / Kammeroper und Theater für Kinder © Dr Joachim Flügel

Allee Theater Hamburg

DIE FLEDERMAUS -  Johann Strauß

- Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist -

von Wolfgang Schmitt

Der Walzerkönig Johann Strauss in Wien © IOCO
Der Walzerkönig Johann Strauss in Wien © IOCO

„Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist“ !! Als Johann Strauß' Operette Die Fledermaus im  April 1874 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde, war es auch um die Österreicher gerade nicht so gut bestellt: die Wirtschaftskrise war seinerzeit das beherrschende Thema mit Staatsverschuldung, Pleiten, Konkursen, und es gab sogar Cholerafälle.

Leider erleben wir gegenwärtig ein ähnliches Szenario mit der Corona-Pandemie und den Folgen des Ukraine-Krieges. All dieses konnte man am Freitagabend, am 16. 12.2022, in der Hamburger Kammeroper zur glanzvollen Premiere der Fledermaus, wenn schon nicht wirklich vergessen, so doch für zwei Stunden ausblenden und wieder einmal einen herrlichen Abend in diesem Theater genießen.

Die beschwingte, temporeiche Inszenierung lag in den Händen von Regisseur Toni Burkhardt, der den ganzen Abend lang keinerlei Leerlauf aufkommen ließ. Sämtliche Protagonisten waren stets in Aktion und man merkte ihnen den Spaß und die Freude an, mit der sie sich ins Bühnengeschehen einbrachten.

Hamburger Kammeroper / DIE FLEDERMAUS hier Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Schmitt
Hamburger Kammeroper / DIE FLEDERMAUS hier Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Schmitt

Eine illustre Gesellschaft tummelte sich in dem von Kathrin Kegler entworfenem geschmackvollen, dezent pompösen, dem Jugendstil nachempfundenen Bühnenbild. Die von Marie-Theres Cramer entworfenen Kostüme waren exquisit: die Damen in edlen farbenprächtigen Abendroben, die Herren im Frack, eine schwarze, rückenfreie Kreation für Orlowsky, hautenge Leggings und ein transparentes Hemd mit goldenem Bolerojäckchen für Orlowskys androgynen Begleiter Ivan, und eine übliche blaue Uniform für den Gerichtsdiener Frosch, der hier eine „Fröschin“ war.

Die Handlung ist bekannt: Gabriel von Eisenstein amüsiert sich am Vorabend seines Haftantritts auf dem Ball des Prinzen Orlowsky gemeinsam mit seinem Freund Dr. Falke, aber auch sein Stubenmädchen Adele und schließlich sogar seine Ehefrau Rosalinde, inkognito als ungarische Gräfin, tauchen auf diesem Fest auf, während sich dann im Morgengrauen hinter den Gefängnismauern die ganze Komödie in Wohlgefallen auflöst.

Trailer Die FLEDERMAUS an der Hamburger Kammeroper youtube Allee Theater, Hamburg [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Als eleganter, charmanter und abgefeimter Lebemann präsentierte sich Titus Witt als Gabriel von Eisenstein, der mit dieser relativ hoch liegenden Partie gesanglich wunderbar zurechtkam. Auch die humorvolle Seite durfte in der Darstellung seiner Rolle nicht zu kurz kommen, und so zeichnete er den Eisenstein von Beginn an als eigentlich sympathischen Charakter.

Seine aparte Ehefrau Rosalinde sang Anika Paulick, eine attraktive Sängerin in rotem Abendkleid mit warmem, dunkel timbriertem Sopran, strahlendem Höhenregister und perfekten Koloraturläufen, mit denen sie ihren „Czardas“ wunderbar temperamentvoll zu gestalten wußte.

Als ihr spielfreudiger, agiler, schmachtender Möchtegern-Liebhaber Alfred machte der aus Brasilien stammende Edilson Silva Junior im Morgenmantel eine gute Figur und sang mit markanter lyrischer Tenorstimme nicht nur sein Duett mit Rosalinde „Trinke Liebchen trinke schnell … glücklich ist wer vergisst ..“ gefühlvoll und natürlich, sondern er gab während des Gefängnis-Akts aus dem Off seiner Zelle auch noch einen amüsanten Querschnitt aus der Opernliteratur von Beethoven über Verdi bis hin zu Wagner.

Hamburger Kammeroper / DIE FLEDERMAUS hier Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Schmitt
Hamburger Kammeroper / DIE FLEDERMAUS hier Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Schmitt

Anne Elizabeth Sorbara war das quicklebendige, mit dem Staubwedel tänzelnde und twistende kokette Stubenmädchen Adele, die in ihren Arien „Mein Herr Marquis“ und „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ ihren klaren perlendenen Koloratursopran mit wunderbarer Natürlichkeit und Leichtigkeit zum Einsatz brachte und auch später im Orlowsky-Akt, in dem sie als „Künstlerin Olga“ im eleganten türkisblauen Ballkleid gekonnt Spielfreude und Noblesse zu paaren wußte.

Cairan Ryan war ein vornehm wirkender, sympathischer Dr. Falke mit klangvollem, sicher geführtem Kavaliersbariton, schönen Phrasierungen - insbesondere in der Arie von „Brüderlein und Schwesterlein“ - und mit klarer Diktion. Auch gefiel er durch seine  heitere, humorige Rollengestaltung.

Als Prinz Orlowsky war mit Iva Krusic mit ihrem saturierten Mezzosopran treffend besetzt, sie bringt die richtige Stimmfarbe fürs Couplet „Ich lade gern mir Gäste ein“ und auch den passenden Akzent für diese Partie mit, war darstellerisch sehr engagiert und auch optisch prägnant in dieser Hosenrolle. Ihr ständiger Begleiter und Diener Ivan wurde gekonnt androgyn dargestellt von Jonathan von Schwanenflügel, der sich lasziv und erotisch-aufreizend durch den gesamten zweiten Akt zu bewegen verstand, und der im ersten und dritten Akt die Tenorpartie des Advokaten Dr. Blind übernommen hatte und diesen im Vergleich zum Ivan völlig konträr – recht originell und unbeholfen – darstellte.

Die Rolle der Ida, Adeles Schwester, wurde hier für Natasha Dwulecki aufgewertet: In eine elegante fliederfarbene Abendrobe gekleidet, war sie ein bedeutender Teil der Handlung im zweiten Akt und es wurde für sie extra die wunderschöne Arie „Wiener Blut“ aus Johann Strauß' gleichnamiger Operette eingelegt, die sie mit ihrem ansprechenden lyrischem Sopran hinreißend zum besten gab.

Lukas Anton als Gefängnisdirektor Frank zeichnete sich durch seine starke Bühnenpräsenz aus, auch stimmlich wurde er seinen Aufgaben trotz angekündigter Indisposition durchaus gerecht.

Der Frosch war in dieser Inszenierung eine weibliche Gerichtsdienerin, eine dem Alkohol nicht abgeneigte „Fröschin“, besetzt mit der Schauspielerin Maria Hartmann, die ihre Pointen wunderbar ausspielte, ohne jemals albern oder klamottig zu wirken, wie es bei dieser Rolle in anderen Fledermaus-Produktionen leider viel zu oft der Fall ist. Ihre Komik wirkte gekonnt, natürlich und charmant, und auf Bezüge zur aktuellen Tagespolitik, wie auch dies allzu oft der Fall ist, wurde glücklicherweise verzichtet.

Ettore Prandi hatte die Partitur wieder einmal meisterhaft für sein kleines Kammerorchester – an diesem Abend war es gar ein charmantes kleines Salonorchester – bearbeitet. Auf die lange Ouvertüre wurde hier verzichtet, Teile der Ouvertüre wurden an den Beginn des zweiten Aktes gesetzt. Aus dem Graben klang es schwungvoll und mitreißend, Klavier und Streicher taten ihr Bestes, um die  nötige und erwartbare Champagnerlaune und Walzerseligkeit aufkommen zu lassen und diesen wunderbaren Johann-Strauß-Abend im „Feuerstrom der Reben“ schließlich  gebührend ausklingen zu lassen.

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