Düsseldorf, Schauspielhaus, Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag - Beaumarchais, IOCO Kritik, 24.05.2023
Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag - Komödie - P.A. Caron de Beaumarchais
Open Air Premiere - 21. Mai 2023 - Forrest Gump auf Abwegen
von Rainer Maaß
Auch in diesem Jahr beschert der Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses Wilfried Schulz seinem Publikum zum Sommerbeginn ein besonderes Open-Air-Erlebnis. 2022 war es der Diener zweier Herren, der auf dem Gustaf Gründgens Platz seine Possen reißen durfte. 2023 darf Figaro dort einen tollen Tag erleben. Und wir dürfen zuschauen. Leider ist dieser tolle Tag nicht so sommerlich, wie ihn sich Figaro und alle Beteiligten gewünscht hätten. In kuschlige Decken gehüllt, gelingt es den Zuschauern sich warm zu lachen. Die leicht bekleideten Darsteller*innen können leider nur versuchen, durch viel Bewegung nicht zu erfrieren.
Dank der von den Stadtwerken Düsseldorf gesponserten Garten- und Wasserlandschaft als Bühne, beginnt die Vorstellung höchst unterhaltsam. Ein Entenpärchen nimmt die Wasserflächen in Besitz und verhilft Andreas Grothgar in seiner Rolle als Gärtner Antonio zu einer sicher nicht geprobten, dafür aber mit Beifall bedachten Einzelleistung als Entenvertreiber. Stiller Beobachter von Beginn an ist Forrest Gump, der wie angeklebt auf einer Bank sitzend wartet. Keine Ahnung worauf.
Nach den Enten kommen die Akteure. Regisseur Andreas Kriegenburg lässt sie im Pseudo-Feng-Shui-Garten (=Gründgens Platz) spielen, weil die Klimaanlage der Firmenzentrale (= Schauspielhaus) defekt ist. Jetzt ist Jetztzeit! Vergessen sie 1784! Figaro ist heute ein mega-erfolgreicher Programmierer. Figaros Braut Susanne ist die Presssprecherin der Techfirma. Die Gräfin ist nicht von Geblüt, sondern von der Konzern-Leitung. Ihr Graf ist dafür mega-geil auf Susanne. Noch in ihrer Brautnacht will er sie ... Sie ahnen was!?! Bis es (fast) soweit kommt, läuft unter anderem eine Frau durchs Bild, die Figaro ebenfalls heiraten will. Aber dann doch lieber seine Mutter ist. Ein Doktor und ein paar andere fallen mehrfach ins eiskalte Wasser und der Doktor ist plötzlich Figaros Vater. Der schon erwähnte Gärtner verteidigt die Unschuld seiner hübschen Tochter und geht dafür nicht nur auf Enten los. Gelegentlich greift er zur Pistole. Peng! Forrest Gump wird es irgendwann zu viel. Er läuft fort. Vielleicht nach Hollywood. Währenddessen die tapferen Komparsen, unbeeindruckt von Handlung und Kälte, Yoga Übungen vorführten. Im zweiten Teil erlaubt ihnen die gnädige Regie im warmen Foyer des Theaters zu tanzen.
Das alles klingt sehr wirr und turbulent. Und das ist es auch. Die Verantwortung dafür trägt natürlich zu einem guten Teil Caron de Beaumarchais, 1732-1799, Schreiber des Originals. Mit dieser überdrehten Komödie hielt er der steifen Aristokratie im Frankreich von Ludwig XVI. den Spiegel vor. Bei so vielen Witzchen, Verwechslungen und Kapriolen merkten die gepuderten Schwachköpfe erst bei der Uraufführung wer da veräppelt wurde. SIE! Figaro war quasi eine royale Publikumsbeschimpfung.
239 Jahre später gehen die Uhren anders. Das Publikum ist republikanisch, bürgerlich. Niemand fühlt sich angegriffen. Lachen ist völlig gefahrlos. Ein übergriffiger Chef, ein nackter Hintern oder eine ins Bächlein pinkelnde Frau reichen für einen Theater-Skandal nicht aus. Diese Fassung von Figaros Hochzeit ist eben keine pikante Komödie mit doppeltem Boden und versteckten Botschaften. Sie erinnert eher an deftige Komödien mit reichlich Klamauk.
Für die vielen Gelegenheiten zu lachen, bedankte sich das Publikum nach 2,5 Stunden mit viel wärmenden Applaus. Vor allem bei den vorzüglichen Hauptdarstellern Florian Claudius Steffens als Figaro, Pauline Kästner als Susanne. Und natürlich ebenfalls bei Cathleen Baumann und Florian Lange, die Gräfin und Graf darstellten. Auch Gärtner Andreas Grothgar wurde wieder bedacht. Einen Sonderapplaus gab es für die vielen frierenden Komparsen. Sogar Forrest Gamp kam dafür aus Hollywood zurück. Wie schön.
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