Osnabrück, Theater am Domhof, TITANIC - Musical - Peter Stone, Maury Yeston, IOCO Kritik, 09.03.2023
TITANIC - Musical - Peter Stone, Maury Yeston
- Mit Musik in den Untergang -
von Hanns Butterhof
Zur Ouvertüre des Musicals Titanic von Peter Stone und Maury Yeston füllt ein altes Foto des stolzen Luxusliners die ganze Bühne des Theater am Domhof. Dann folgen Aufnahmen des untergegangenen, auf dem Meeresboden verrottenden Schiffes, ein Opfer blinden Technik-Glaubens und menschlicher Überheblichkeit. In der nahe der Realität angesiedelten Handlung treten die persönlichen Fehler der männlichen Entscheider an Bord als Ursache der Katastrophe in den Vordergrund. Das mit über sechzig Darstellern opulent besetzte Musical ist spannend inszeniert und bei aller seit dem Untergang der Titanic 1912 vergangenen Zeit höchst aktuell.
Titanic – Das Musical: Interview mit Regisseur Ansgar Weigner · youtube Theater Osnabrück [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Die Bühne von Ausstatter Darko Petrovic bietet schöne Bilder für alle Schauplätze auf der Titanic, von der kühlen Kommandobrücke mit den schmucken Schiffs-Offizieren über die prächtigen Speisesäle für die kostbar gekleideten Passagiere der 1. Klasse bis hinunter in den glutroten Maschinenraum, wo die Heizer schuften. Irgendwo dazwischen befindet sich der Gesellschaftsraum mit den einfachen Holzbänken für die 3. Klasse.
Zu Beginn der Jungfernfahrt herrscht allgemeine Freude unter den lebhaft die Bühne füllenden Passagiere. Für die reichen Viel-Shipper ist das Dabeisein ein standesgemäßes Event, die armen Auswanderer gehen voller Optimismus einem neuen, freien Leben in Amerika entgegen. Kurz blitzen die Erwartungen der 3. Klasse-Passagiere auf. Nur wenige haben eine Geschichte wie die von einem verheirateten Mann schwangere Irin Kate McGowan (Susanna Edelmann), die der moralischen Enge ihrer katholischen Heimat entkommen will. Kaum jemand aus der 2. Klasse bekommen so viel Kontur wie die sich penetrant an die höheren Gesellschaftskreise heranschmeißende Alice Beane (Susann Vent-Wunderlich), die erfolgreich für den Humor im Musical zuständig ist. Aus der 1. Klasse berührt vor allem das alte Ehepaar Ida und Isidor Straus (Rosemarie Wohlbauer und Thomas Marx) mit seiner tiefen Liebe und würdevollen Haltung im Angesicht des Todes.
Die entscheidenden Handlungen spielen auf der Kommandobrücke. Dort treibt der erfolgsgierige, arrogante Schiffseigner Ismay (Jan Friedrich Eggers) verantwortungslos den nachgiebigen Kapitän (Thomas Schirano) zu immer höherer Geschwindigkeit der Titanic an. Andrews (Christian Alexander Müller), der Konstrukteur des Schiffs, hat keine technischen Bedenken und glaubt an die Unsinkbarkeit seines Werks. Ein Eisberg kommt in seinen Berechnungen nicht vor.
Im zweiten, dramatischen Teil des Musicals ist die Kollision dann Realität. Nachdem die Passagiere der 1. Klasse sich borniert geweigert haben, an ein Unglück zu glauben, bis die Schlagseite des Schiffs einen Teewagen wie selbsttätig in Bewegung setzt, beginnt aufwühlend der Untergang. Die Hoffnung auf Rettung durch andere Schiffe zerschlägt sich, die Passagiere der 3. Klasse werden erst eingeschlossen, dann von einem entschlossenen Heizer (Aljoscha Lennert) befreit. Herzzerreißend rutschen die, die es nicht in Rettungsboote geschafft haben, von dem steilen Deck des sinkenden Schiffs ins eiskalte Wasser.
Es ist der spannenden Regie von Ansgar Weigner zu danken, dass sie nicht plump auf die Aktualität dieses Untergangs verweist, wie er sich doch täglich auf dem Mittelmeer ereignet, sondern das Publikum mit seinem Schrecken unmittelbar konfrontiert.
Das große Ensemble mit 60 Darstellern in über 150 Rollen bildet die Passagiere und Mannschaft der Titanic stimmig ab, um nur Mark Hamman als Steward, Michael Ernst als Funker und Dominik Räk als Ausguck zu nennen. Die Atmosphäre an Bord bietet bunte Anlässe für die verschiedenen Musikstile vom Ragtime bis zum Choral. Der von Sierd Quarré einstudierte Chor hat es nicht leicht gegen das Osnabrücker Symphonieorchester, das vom engagierten Dirigat von An-Hoon Song gern zu rauschendem Orchesterklang angetrieben wird.
Nach zweieinhalb Stunden war der Beifall des Premierenpublikums mit Tränen, stehend dargebrachten Ovationen und Bravos überwältigend.
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