Köln, Oper Köln, Premiere Ariadne auf Naxos - Richard Strauss, IOCO Kritik 26.11.2011
Ariadne auf Naxos - oder - Die Harmonie der Gegensätze
Der Bürger, die Leichtigkeit und die Schwermut
von Viktor Jarosch
Richard Strauss, 1864 - 1949, der wohl größte moderne deutsche Opernkomponist, war Frühstarter wie Spätvollendeter: Genieblitze wie die Sinfonische Dichtung Till Eugenspiegel, 1895 im Kölner Gürzenich erstmals aufgeführt, folgten epigonale, Wagner-orientierte Misserfolge, die Opern Guntram (1894) oder Feuersnot (1901). Erfolgreiches, immer der Tonalität verbundenes Musiktheater formte Richard Strauss erst 1905 mit Salome und seiner Hinwendung zum "realistischen Verismus", der kompositorischen Entdeckung des Jugendstil, des Expressionismus, des Naturalismus. Dies und die langjährige, intensive Bekanntschaft mit dem Dramatiker und Lyriker Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929, u.a. Elektra) begründeten die Triumphe von Richard Strauss: Sechs Opernkompositionen, von Elektra (1908) über Ariadne auf Naxos (1912) bis Arabella (1932) brachte beiden Künstler dauernden Weltruhm.
Ariadne auf Naxos besitzt eine lange Entstehungsgeschichte: Die Premiere 1912 in Stuttgart blieb ein Achtungserfolg. Erst eine weitgehende Neufassung von Text und Komposition brachte den Durchbruch: 1916 an der Wiener Hofoper, der heutigen Wiener Staatsoper, erstmals aufgeführt gehört sie bis heute zu den meistgespielten Opern großer Musiktheater. Die Handlung: Der "reichste Mannes von Wien" will seinen Gästen etwas Kunst bieten. Die nur zu diesem Zweck komponierte ernste Oper "Ariadne auf Naxos" soll gespielt werden, anschließend die Tanzmaskerade "Die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber". Der Komponist von "Ariadne" ist empört. Doch der Herr des Hauses befiehlt sodann zusätzlich, dass Posse und Trauerstück gleichzeitig aufgeführt werden sollen.....
Kölns Opernintendant und Regisseur Uwe Eric Laufenberg blickt auf eine lange Auseinandersetzung mit Ariadne auf Naxos zurück. Er kennt das Stück: 1997 inszenierte er Ariadne in Brüssel; 1998 in Straßburg, 1999 Berlin, dann Barcelona, Bilbao. Seine Brüsseler Urversion, ohne Vorspiel, überarbeitete Laufenberg nun für die Oper Köln, gelassen Leichtigkeit und Schwermut in den Lebensalltag projizierend. Im Palast des reichen Wiener Bürgers begegnen Künstler der Wucht des Geldes. Heroen und Halbgötter der griechischen Mythologie (Ariadne, Bacchus..) treffen auf irdische Leichtigkeit (Zerbinetta, Harlekin). Ernstes und leichtes Theater kontrastieren sich inmitten bourgeoisem Ambiente. Das Bühnenbild: Ein hoher, im Jugendstil gehaltener Festsaal mit Seeblick (Ariadnes laut Textbuch "wüste Insel Naxos" erahnend); der Saal bildet den werktreuen und wandlungsfähigen Rahmen dieses inszenatorisch so heiklen Stückes. Die von Strauss gesuchte Expressivität findet Laufenberg in meist ruhigem, ausdrucksstarkem Stil; die komplexe Handlung sanft stützend. Die Kostüme (Jessica Karge) entwickeln sich schlüssig zur Handlung; von einfachen Kleidern und Straßenanzügen hin zu den drohend, halluzinativen Traumfiguren in Ariadnes Erwartung des Todesboten. Manch weniger famose Regieeinfälle (Badbesucher zu Zerbinettas herrlicher Bravourarie) sind Teil von Laufenbergs insgesamt begeistert, fast tobend aufgenommener Neu-Produktion.
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Markus Stenz und das Gürzenich-Orchester setzen kammermusikalisch differenzierte Netze, transparent und farbig, die zahlreichen schnelle Stimmungswechsel mit agiler Virtuosität lenkend. Stenz und das Gürzenich-Orchester zeichnen so, sensibel und klug, die kommentierende Funktion der Partitur. Die wahre Überraschung der Premiere schaffte das weiblich dominierte, meist hauseigene Ensemble: Gast Daniela Fally als Zerbinetta spielt, beherrscht, tiriliert ihre große Partie, wie ihre spektakuläre Koloraturarie Großmächtige Prinzessin mit phänomenaler Schönheit und gut geführter Stimme. Doch: Das hauseigene Ensemble der Oper Köln, zudem noch zumeist in Rollendebüts, ist überraschend ebenbürtig: Verhalten begann Barbara Haveman ihr anspruchsvolles Rollendebüt als Ariadne. Doch bald ging Haveman´s Ariadne unter die Haut: Leuchtende Stimmschönheit führen zu einer Darstellung von getragenem Ernst und feuriger Fülle. Regina Richter als Komponist begleitet den Diskurs zwischen Ariadne und Zerbinetta uneitel, voller Emphase, mit rundem, vollem Mezzo-Timbre. Selbst zu einem manchmal etwas kräftig spielendem Orchester forcierte Richter mit strahlendem Glanz. Auch Jung-Tenor Marco Jentsch als Bacchus besteht das Rollendebüt glänzend: Elegant, differenziert, auch im Fortissimo sein Timbre behaltend. Die Hervorragende Besetzung zeichnet auch die vielen anderen Partien aus: Der Musiklehrer, Johannes Kränzle, sehr präsent und sicher. Der Haushofmeister, Harald Kuhlmann, mit passend guter Diktion. Die vier Komödianten (Harlekin Miljenko Turk, Scaramuccio Gustavo Ramos, Truffaldin Matias Tosi, Brighella Jeongki Cho) spielen, singen mit parodistischer Begeisterung. Wunderbar wohllautende Kantabilität wiederum zeichnet die drei Nymphen (Najade Gloria Rehm, Dryade Adriana Gamboa, Echo Ji-Hyun An) aus.
Die starken Ovationen der Kölner (und uns Düsseldorfer) empfand man als genuine Danksagung an ein einfühlsames Regieteam und ein großartiges Kölner Ensemble. Parodie und Trauer: Die Harmonie der Gegensätze, von der Oper Köln in Ariadne auf Naxos wunderbar auf die Bühne gebracht und bis zum 26. Dezember 2011 auf dem Spielplan.
---| IOCO Kritik Oper Köln |---
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