Hamburger Kammeroper, I PURITANI - Vincenzo Bellini, IOCO

Hamburger Kammeroper, I PURITANI - Vincenzo Bellini, IOCO
Bruno Vargas, Luminita Andrei, Gabe Clarke © Wolfgang Radtke

Nur knapp 34 Jahre alt ist Vincenzo Bellini (1801-1835) geworden. Insgesamt zehn Opern hatte er zwischen 1825 und 1835 komponiert, von denen insbesondere Norma, La Sonnambula, I Capuleti e i Montecchi, und I Puritani sich noch immer weltweiter Beliebtheit erfreuen.

„I Puritani“, sein letztes Werk, erfuhr seine Uraufführung im Januar 1835 in Paris, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte.

Auch „I Puritani“ zählt zu den bedeutendsten Werken des Belcanto-Repertoires, zeichnet sich aus durch feine melodische Schönheit, musikalische Raffinesse und emotionale Tiefe. Sie ist eine der letzten großen Opern, die noch im klassischen Belcanto-Stil komponiert wurden und diesen auf brillante Weise verkörpert.

Die etwas verworrene Handlung spielt während des englischen Bürgerkrieges in der Mitte des 17. Jahrhunderts und erzählt die Liebesgeschichte der Puritanerin Elvira und dem Royalisten Arturo, aber sie ist bereits dem puritanischen Oberst Riccardo versprochen. Doch ihr Onkel, Sir Giorgio, hat ein Einsehen und stimmt ihrer Verbindung mit Arturo zu. Ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag gelingt es Arturo, die Königin Henrietta aus der Gefangenschaft zu befreien, sie vor dem Tode durch Enthauptung zu retten und ihr zur Flucht zu verhelfen. Riccardo berichtet Elvira, daß Arturo ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag mit einer anderen Frau geflohen ist, worauf sie in tiefe Depression verfällt und wahnsinnig wird. Doch gegen Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf, Arturo erklärt Elvira den Grund seiner damaligen Flucht, die Puritaner begnadigen die Royalisten, Elvira kommt wieder zu Verstand, und ihrer Ehe mit Arturo steht nichts mehr im Wege.

Luminita Andrei (Elvira) und Gabe Clarke (Arturo) ©Wolfgang Radtke

Wie in jedem Jahr zum Ende der Spielzeit präsentiert die Hamburger Kammeroper konzertante Aufführungen mit dem Orchester Rungholt Ensemble Hamburg. Diesmal hatte der musikalische Leiter Ettore Prandi „I Puritani“ ausgewählt, Bellinis letzte und vielleicht die schönste seiner Opern.

Ettore Prandi und das Orchester Rungholt Ensemble Hamburg ©Wolfgang Radtke

Im Vergleich zu seinen früheren Opern fällt hier auf, daß er seine „Puritani“ reichhaltiger, fülliger, farbiger orchestriert hatte. Denn die „Puritani“ wurden für das Théatre-Italien in Paris komponiert und Bellini meinte wohl, sein neues Opernwerk ein wenig der musikalischen Raffinesse der französischen sogenannten 'Grand Opéra' anpassen zu müssen, um den Geschmack des Pariser Publikums zu treffen.

Viele der Ensembles und Arien gehen fast nahtlos ineinander über, die sanften, gefühlvollen Melodien steigern sich langsam, effektvoll und erblühen schließlich zu imposanter Schönheit und romantischem Pathos.

Unter der Berücksichtigung, daß Bellini neben der Pariser Erstfassung der „Puritani“ auch eine geänderte Fassung für Neapel geschrieben und einige weitere Änderungen bezüglich der Instrumentierung vorgenommen hatte, hat Ettore Prandi speziell für die Aufführungen an der Hamburger Kammeroper nun eine eigene Bearbeitung geschaffen, die den Gegebenheiten dieses kleinen Theaters entgegenkommt. Die Chorszenen wurden größtenteils gestrichen, einige wichtige Chorpassagen wurden hier von den Solisten gesungen.

Das auf der Bühne platzierte wunderbar aufspielende Orchester bot ein wunderbares Belcanto-Klangbild von sinnenhafter Zartheit und Transparenz, die raffinierte Instrumentierung, die klangliche Sanftheit der Komposition kam bestens zur Geltung, die Streicher und die Flöten klangen geradezu magisch, während die Blechbläser zahlreiche dramatische Akzente setzen konnten.

Luminita Andrei ©Wolfgang Radtke

Luminita Andrei als Elvira war wieder mal ein Ereignis. Mit ihrem wunderschön timbrierten Koloratursopran meisterte sie die Partie völlig natürlich und unangestrengt bis in die hohen Lagen, beeindruckte mit perlenden Koloraturläufen und krönte ihre Arien mit perfekt sitzenden Spitzentönen. Mit „Qui la voce sua suave – Vien, diletto e in ciel la luna“ setzte sie nur einen der vielen Glanzpunkte dieses Abends.

Gabe Clarke ©Wolfgang Radtke,

Den Arturo sang Gabe Clarke, ein wahrer „tenore di grazia“, mit hellem Timbre und überaus beweglicher Stimmführung, technisch perfekt und makellos bis hinauf zum hohen F. Glanzvoll war seine Szene mit Elvira im ersten Akt, „A te o cara“, ebenso beider Duett im dritten Akt, „A una fonte“, und natürlich das fulminante Finale mit „Vieni Vieni“, wo er mit seinen überaus bemerkenswerten, extremen Spitzentönen auftrumpfen konnte.

Titus Witt war Riccardo, Arturos Gegenspieler um die Gunst der Elvira und gefiel mit seiner Auftrittsarie „La luna, il sol, le stelle“ ebenso wie in dem großen Bass-Duett „Il rival salvar tu dei“ mit Giorgio, trotz kleiner Einschränkung im oberen Bereich.

Titus Witt und Bruno Vargas ©Wolfgang Radtke

Mit warm strömender bassiger Fülle wartete Bruno Vargas als Giorgio auf und konnte sowohl in seiner wirkungsvollen Arie „Cinta di fiori“ glänzen, ebenfalls im besagten Bass-Duett mit Riccardo, sowie in seiner großen Szene mit Elvira, „Sei comrade in petto mio“.

Feline Knabe und Hanmin Lee ©Wolfgang Radtke

In der kurzen Partie der Königin Henrietta, die von Arturo vor der Hinrichtung gerettet werden kann, hatte Feline Knabe ihren nachdrücklichen Auftritt mit wohlklingendem hellen Mezzo. In den späteren Szenen übernahm sie als Zweiter Page, gemeinsam mit der jungen lyrischen Sopranistin Hanmin Lee als Erster Page, einige der Chor-Passagen.

Nicht enden wollender Applaus belohnte das Ensemble am Schluß für ihre großartigen sängerischen Leistungen sowie für Ettore Prandi und sein hingebungsvoll musizierendes Rungholt Ensemble.

Schlußapplaus ©Wolfgang Radtke

Wieder einmal zum Saisonausklang war dies ein phantastischer Konzertabend in der Hamburger Kammeroper.

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