Paris, Opéra Comique, L´AUTRE VOYAGE - Franz Schubert, IOCO Kritik
Franz Schubert (1797-1828) komponierte nach dem Otto Erich Deutsch- (1883-1967) Katalog fast tausend Werke. Die vollständige Lektüre des Deutsch-Katalogs lehrt uns, dass die Unvollständigkeit bei Schubert bestimmte Formen stärker betrifft als andere. Dadurch werden das Lied und der Tanz .......
L’AUTRE VOYAGE (2024) - Franz Schubert : Ein lyrisches Gemälde nach unvollendeten Werken des Komponisten. Dramaturgie und Adaption des Textes von Raphaëlle Blin und Antonio Cuenca Ruez.
von Peter Michael Peters
SCHUBERT UND DIE UNENDLICHKEIT…
O Jugend unserer Zeit, Du bist dahin!
Die Kraft zahllosen Volkes, sie ist vergeudet,
nicht einer von der Meng‘ sich unterscheidet
und nichtsbedeutend all‘ vorüberzieh’n.
(Schubert: Klage an das Volk / Auszug (1824)
Am Horizont die Wüste…
Wenn Franz Schubert (1797-1828) nach dem Otto Erich Deutsch- (1883-1967) Katalog sehr viele, d. h. fast tausend Werke komponierte. „So komponierte er auch nicht viel wenn man so will“: Denn er vermied es mitunter einfach nicht weiter zu komponieren oder hörte damit gänzlich auf! Niemand hatte so viele Werke unvollendete hinterlassen!
Die vollständige Lektüre des Deutsch-Katalogs – sie ist sehr wesentlich – lehrt uns, dass die Unvollständigkeit bei Schubert bestimmte Formen stärker betrifft als andere. Dadurch werden das Lied und der Tanz, die so kurz sind, dass man sie nur schwer aufgeben kann: Kaum berührt! Ebenso wenig wie die Werke für Männer-, Frauen- oder gemischte Stimmen und die liturgische Musik. Die instrumentale Kammermusik führt zu mehr Resignationen, Kapitulationen und noch mehr die Orchester-Musik, desgleichen auch die Klavier-Musik. Bei Kurzformen ist der Prozess immer derselbe: Die Komposition ist einfach und augenblicklich! Wenn es sich als schwieriger erweist, unterbricht Schubert, lässt eine erste Version unvollendet , beginnt wieder von vorne an und vervollständigt sie. Einige sehr seltene Lieder existieren in zwei Versionen: Eine unvollständige, die andere jedoch abgeschlossen! Mehr als Unvollständigkeit ist es eine falsche Spur, von der wir sprechen sollten, ein falscher Satz…
Die Klavier-Sonaten bilden eine eigene Welt: Fünfzehn Sonaten belegen den ihnen gewidmeten Band bei Breitkopf. Dies bedeutet nicht, dass sie vollständig sind, denn: Die Sonate in E-Dur, D. 157 (1815) hat kein Finale. Die Sonate in C-Dur, D. 279 (1815) wurde dank des Menuetts, D. 227a (1815) und des Finales, D. 346? (1815) vervollständigt. Die Sonate in Moll, D. 566 (1817) hat in dieser Ausgabe nur einen ersten Satz. Zwei weitere, später veröffentliche Stücke wurden zu Recht hinzugefügt, aber das Finale ist ein Rondo, D. 506 (1816), geschrieben in derselben Tonart… Darüber hinaus verfügen wir über eine Reihe von Sonaten und unvollendeten Sätzen: 27 Nummern.
Die Musik-Theater-Werke sind für 8 abgeschlossene Opern, Singspiele oder Melodramen, davon 9 unvollendet und das symphonische Werk für 21 abgeschlossene Nummern, lang oder kurz, 12 unvollendete: Weisen also einen ähnlichen Anteil aufgegebener Stücke auf. Die Unvollständigkeit bestimmter Stücke beeinträchtigt bei weitem nicht ihren musikalischen Wert, oft unbestreitbare Sonate in f-Moll, D. 625 (1818), in C, Reliquie, D. 840 (1825), in fis-Moll (1818) und manchmal sogar die berühmte 8. Symphonie in h-Moll, D 759 Unvollendete (1822).
Bei Anton Bruckner (1824-1896), das nicht ohne Grund oft mit Schubert verglichen wird, ist Unvollständigkeit gleichbedeutend mit Ohnmacht. Die 9. Symphonie in re-Moll, WAB. 109 (1903) lässt kein Finale, da das Adagio das Ende jedes kreativen Prozesses in sich trägt wie der Skorpion sich selbst sticht. Bei Johann Sebastian Bach (1685-1750), einem freiwilligen und ständig inspirierten Mann, ist Unvollständigkeit eine Ausnahme. Es kann gegebenenfalls durch Gründe erklärt werden, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, wie Krankheit, Blindheit oder Tod. Wir können uns jedoch fragen, was ihn von seiner Tripelfuge in d-Moll, BWV. 552 (1739), bekannt als Die Kunst der Fuge, BWV. 1080 (1745) abgehalten hat. Noch zu seinen Lebzeiten nahm sich der Komponist die Zeit „mehrere schöne Kopien“ von Der Kunst der Fuge anzufertigen, wie Gustav Leonhardt (1928-2012) sich ausdrückte. Manchmal hatte er auch einige sogenannte Neben-Beschäftigungen wie die Transkription seiner Werke und auch musste er zusätzlich seinen vielen täglichen Verpflichtungen nachkommen, die wie wir wissen: Äußerst zahlreich waren! Doch von einem Fiasco kann bei ihm wohl nicht die Rede sein!
Bei Schubert ist das Problem heikler und tiefer als bei Bach oder Bruckner, da die polaren Gegensätze voneinander sind und das ist der Grund, warum wir sie als Maßstab gewählt haben: Sie markieren die Grenzen des Territoriums des Unvollendeten, indem sich Schubert frei entwickelt.
Die Frage, die sich bei ihm stellt ist: Warum? Warum gab er eine Oper wie Adrast, D. 137 (1819/1820) auf, die wahre musikalische Wunder enthielt und höchstwahrscheinlich einen Erfolg versprach? Warum unterbricht er die Komposition dieser Sonatensätze, denen nur die Reprise fehlt? In der 8.Symphonie in h-Moll? Warum?
Alle Antworten haben ihren Anteil an der Wahrheit! Hier hat Schubert genug! Dort verspürt er den dringenden Wunsch etwas anderes zu schreiben, Genre, Instrument und Form zu ändern! An anderer Stelle konnte er nicht weitermachen! Es ist nicht nötig, jeden Einzelfall zu prüfen: Den die speziellen Werke sind dafür geschaffen, insofern man sich darum bemüht!
Die Antwort lässt sich in zwei Fällen zusammenfassen, die wir als wahr betrachten können: Manchmal weiß Schubert nicht wie er fertig werden soll, manchmal kann er es nicht. Eine Eigenschaft ist allen Unvollständigkeiten gemeinsam. Er scheint nicht mehr daran zu glauben!
Eugène Delacroix (1798-1863), der sich mit diesen Fragen sehr beschäftigte, notierte am 9. Mai 1853 folgendes: „Michelangelo (1475-1564) ist immer sehr erstaunt und er trägt in der Seele ein Gefühl der Unruhe. Eine Unruhe die eine Form der Bewunderung ist, aber es dauert nicht lange bis wir die schockierenden Diskrepanzen bemerken, die bei ihm für die Folge zu übereilter Arbeit ist. Entweder wegen der Leidenschaft mit der der Künstler seine Arbeit anging oder wegen der Müdigkeit, die ihn am Ende eines unmöglich zu vollendenden Werkes erfasst haben musste!
Diese letzte Ursache ist in seinen Statuen offensichtlich, auch wenn seine Historiker sich nicht die Mühe gemacht haben uns zu sagen, dass er fast immer viel Ekel empfand, wenn er endete wegen der Unmöglichkeit, so heißt es, seine erhabenen Ideen zum Ausdruck zu bringen. Wir sehen klar […], dass der Mangel des Werkes eher auf die Art und Weise der Konzeption und Ausführung zurückzuführen ist, als auf die außergewöhnliche Forderung eines Genies: Das höhere Erwartungen hegte und ohne Erfüllung aufgehört hatte! Es ist wahrscheinlicher, dass seine Vorstellung vage war und er sich bei der Entwicklung seines Denkens zu sehr auf die Inspiration des Augenblicks verließ und wenn er oft entmutigt blieb, dann nur deshalb weil er in Wirklichkeit nicht mehr tun konnte.“
Wir wissen, dass der Schatten von Ludwig von Beethoven (1770-1827) das gesamte Werk von Schubert überschattet hatte. Dass die drei großen Sonaten des Jahres 1828, genauer gesagt vom September 1828, einfach gewaltige Dimensionen hatten, die einen von seinem Vorbild gehemmten Schubert erschreckt haben müssen! Aber genau diese Sonaten wurden ohne jegliche Zwischenfälle fertiggestellt, bevor Beethoven verschwunden war! In diesem Zusammenhang fällt auch folgendes auf: Dass die ersten Sonaten-Versuche (1815) von Schubert in dieser Hinsicht alle gescheitert sind, denn Ihnen fehlte einfach das Finale. Dann wechselten sich reiche Perioden ab, 1817 schrieb er seine erste vollständige Sonate, die mit unmittelbaren dunklen Fragmenten folgten. 1823: Die als Reliquie bekannte Sonate in C-Dur, D. 840 (1825) markiert den Beginn der Periode sehr langer und wichtiger Sonaten und weist aber jedoch eine besonders schmerzhafte Unvollständigkeit auf, da die ersten beiden vollständigen Sätze der Reliquie von höchster Qualität sind. Aber die letzten beiden erscheinen nur als einfache Skizzen, kündigen jedoch die gleichen Qualitäts-Merkmale an. Es folgen die letzten sechs Sonaten in zwei Gruppen von drei perfekt vollendeten und noch andere zahlreiche Instrumental-Werke ersten Ranges. Ebenfalls vollendet! Wir können dort nur das Zeichen der Emanzipation sehen! Schubert befreite sich total durch seine Misserfolge vom Einfluss Beethovens. Vor allem willigte er ein, seinen eigenen Sinn für große Form zu kultivieren und verzichtete auf die schulische Konstruktion, die Beethoven tatsächlich pulverisiert hatte: Er stimmte dem Verlangen auf seine eigene Weise zu!
Während Bach, Beethoven und Mozart…
Sein lyrisches Werk beweist, dass Beethoven für ihn nicht der einzige hemmende Faktor war. Da wir trotz Fidelio (1814) nicht sagen können, das er ein Meister der Oper war, so müssten wir Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) entgegentreten, dessen Einfluss auf Schubert offensichtlich ist. Wenn Schubert immer wieder daran scheiterte, ein echtes lyrisches Drama zu komponieren, liegt das vor allem an dem wirklichen Wunsch und nicht an der wirklichen Notwendigkeit dies zu tun. Schließlich hatte er wenig Hoffnung seine Werke in den Theatern und Opernhäusern vertreten zu sehen. Die Opern sind für ihn wie abenteuerliche Romane, so wie für Charles Baudelaire (1821-1867) die nie aufgeführten Theater-Stücke, es war für beide eine Art Traum: Ständig angekündigt! Ständig skizziert! Ständig aufgegeben!
Das Quartett war auch für Schubert eine Reihe von grausamen Misserfolgen. Von den zwanzig von Deutsch aufgeführten Werke sind drei verloren gegangen, vier sind unvollständig und drei: Das a-Moll, D. 804 (1824), das d-Moll, D. 810 (1824/1826) und das G-Dur, D.887 (1826), geschrieben in zehn Tagen, sind wirklich erfolgreich! Wie bei Mozart, der eine Reihe von Stücken von geringem Interesse schrieb, bevor er sich mit den uns bekannten Schwierigkeiten der Joseph Haydn (1732-1809) gewidmeten Quartette befasste. Mit Schubert geht das Quartett wie auf einem steilen Hügel ganz nach oben und „…von dem er selber einen Stein herunter wirft, bevor dieser ganz natürlich ins Tal hinunter rollt!“ Eine alte Geschichte für eine alte Musikform, die Schubert seltsamerweise als Vorbild nahm, um sie im Hinblick auf die symphonische Komposition zu studieren!
Am 31. März 1824 schrieb er an Leopold Kupelwieser (1796-1862): „…von Liedern habe ich nicht viel Neues geschrieben, dagegen habe ich mich an einigen instrumentalen Dingen versucht, da ich zwei Quartette für Violine, Bratsche und Cello komponiert habe und sowie ein Oktett. Auch dass ich darüber nachdenke, auch noch ein anderes neues Quartett zu schreiben, insbesondere um mich auf diese Weise auf die Annäherung an die Gattung der Großen Symphonie vorzubereiten.“ Ein seltsamer Brief, falls es jemals einen gab! Unverständlich! Bis 1824 hatte Schubert eine enorme Menge an Liedern geschrieben, darunter auch den Zyklus Die schöne Müllerin, D. 795 (1823). Die beiden Quartette, von denen er spricht: das a-Moll und d-Moll, waren alles andere als Essays, da er bereits zwölf davon komponiert hatte! Schließlich hatte er zu diesem Zeitpunkt alle seine Symphonien geschrieben mit Ausnahme der Großen und einer weiteren, inzwischen verschollenen: Die Gmunden-Gastein (1825)?
Schubert zeigte dort, dass ihm die Schwächen seiner vorherigen Werke nicht unbekannt waren. Es zeigte auch, dass er wenig über die sogenannte kreative Größe wusste. Und die Situation scheint bereits durch eine Veränderung des gesamten Urteils-Mechanismus verzerrt zu sein. Die aber nicht an Bedeutung mangelt, da sie unbedingt die schöpferische Kraft erreichen muss!
Es ist wahr, dass es sich bei den Liedern aus der Sicht der Scholastik um kleinere Werke handelte – wenn Schubert hätte denken können, dass es sich um größere handelte, wäre es ihm sicherlich nicht gelungen – und dass seine Produktion vor 1824 in Sachen Quartette den anerkannten Form-Erfordernissen nicht genügten oder aber im besten Fall lagen sie außerhalb des Themas… Aber lassen sie uns nicht vorgreifen!
Unvollständigkeit scheint eine überaus normale Praxis bei Schubert zu sein! Wir können sogar sagen, dass es den Wert eines Symbols hat, warum also dann auf dem guten Wege eines Modells aufhören? Angesichts der vielen Unvollständigkeit wird man wohl das bei Schubert nicht vermeiden können! Und wir alle, die in unseren Schubladen oder sogar in der Asche unseres Kamins eine vergleichbare Masse von skizzierten und aufgegebenen Werken haben. Wir wissen dass unser Meister, unser Vorbild: Franz Schubert heißt!
Hat Schubert viel komponiert?...
Folglich verstehen wir, dass die Praxis der Vervollständigung unvollendeter Werke – die einen ganzen Trend in der modernen Musik-Wissenschaft auf brillante Weise veranschaulicht – eine absurde Praxis, eine pervertierte Form der musik-wissenschaftlichen Erkenntnis ist und dass sie durch kein Prinzip, kein Bedürfnis, kein Interesse gerechtfertigt wird. Ein Werk von Schubert zu vollenden bedeutet, den Entstehungs-Prozess selbst zu verändern, seine Sprache ernsthaft zu verfälschen, seine Persönlichkeit zu verzerren, ein interessantes, reichhaltiges, originelles, fruchtbares Stück gegen ein anderes, fades und konventionelles auszutauschen. Denn die Verzweiflung, die der Zyklus Winterreise, D. 911 (1827) zu einer Reise ans Ende der Hölle macht, ist der eigentliche Ursprung der Unvollständigkeit. Die Unvollendete zu vervollständigen bedeutet, die Winterreise völlig unverständlich zu machen. Die Vollendung der Sonate für Klavier in C-Dur, D. 840 (1825) läuft darauf hinaus, dem Quintett für zwei Violoncellos in C-Dur, D. 956, Op. posth. 163 (1828) jede Bedeutung zu entziehen. Unvollständigkeit gehört ebenso zur Sprache von Schubert wie auch die Vorliebe für schnelle Modulation oder populären Inspirationen. Wie die Stille bei Anton von Webern (1883-1945), wie das Ausrufe-Zeichen bei Louis-Ferdinand Céline (1894-1961), die Länge des Punkts bei Marcel Proust (1871-1922), ist Unvollständigkeit ein Merkmal von Schubert! Der Versuchung der Vollendung nachzugeben kommt sozusagen einem Mord posthume gleich. Oder besser gesagt, einer Heilung, die dank der späteren wissenschaftlichen Entdeckungen post mortem erreicht wurde! Wir würden wahrscheinlich heute lachen, wenn ein Arzt Schubert massive Dosen von Penicillin verabreichen würde und gleichzeitig auch Frédéric Chopin (1810-1849) eine Kur mit Rimifon verschrieben bekäme. Da jedoch aber auch der Mediziner die ungeschriebenen Werke der beiden Genies in den Deutsch-Katalog integriert hatte: Was beide Musiker ohne Zweifel geschrieben hätten, wenn sie nicht gestorben wären! Der Erste an der Syphilis! Der Zweite an der Tuberkulose! Wir würden über einen Kritiker lachen, der die fehlenden Interpunktion eines Gedichts von André Breton (1896-1966) wiederherstellen würde oder der den Plan entwickeln würde, den Alphonse François de Sade (1740-1814) für des Ende von Cent vingt journées de Sodome (1785) hinterlassen hatte.
Dies ist jedoch die Position des Pianisten und Musik-Wissenschaftlers Paul Badura-Skoda (1927-2019), einer der größten Schubert-Kenner der Gegenwart, der in dem von ihm verfassten Vorwort zum dritten Band der Sonaten mit den frühen und unvollendeten Werken folgendes vertritt: „In allen anderen Sonaten“, so schreibt er: …seien nur bestimmte Sätze unvollendet. Diese Sätze mit Ausnahme von D. 613/1 und D. 840/IV werden bis zur Reposition durchgeführt, der zudem bei Schubert meist einer fast textuellen Rückkehr der Exposition entspricht.“ Kurz gesagt, es wäre ein Kinderspiel diese Sonaten fertigzustellen. Und es ist natürlich wirklich schade, dass es Schubert nicht selbst getan hatte! Doch wenn es so einfach wäre, warum hat er es dann nicht getan? Und wer hätte gedacht, dass Schubert nicht bereit war diese Sonaten zu vollenden, aber er wollte vielleicht gerade eine Reposition vermeiden?
Der Fall der Sonate Reliquie bringt Badura-Skoda in Verlegenheit: „Wir hatten nur ernsthafte Probleme bei der Fertigstellung des Finales der Sonate D. 840, die in der vollständigen Durchführung unterbrochen wird. Aber jedoch die ungewöhnliche Konstruktion eines Satzes der Sonate, in der sich jedes Thema als sogenanntes Miniatur-Rondo präsentiert, rechtfertigte eindeutig einen Versuch einer Rekonstruktion.“ Er fügt hinzu: „Aus Respekt vor Schuberts Selbstkritik ist es jedoch besser, diesen Satz im Falle einer öffentlichen Interpretation zu ignorieren.“
Dieser klug formulierte, weil an Schuberts Selbstkritik erinnernde Wunsch wird aber leider wohl wirkungslos bleiben, denn Badura-Skoda selbst hat diese Sonate in ihrer vollendeten Fassung gespielt und sogar aufgenommen.
Auf Gefühle eingehen…
Folgerung: Wir bestreiten nicht, dass wir eine Sonate von Schubert einfach fertig schreiben können! Während aber viele Musiker es nicht versäumen, diese posthumes Leistungen sehr zu kritisieren. So hat Noël Lee (1924-2013), der alle von ihm vollendeten Sonaten aufnahm, mit Ausnahme der Reliquie Sonate, die er auch fertigstellen konnte wie die anderen. Die er aber aus technischen Gründen nicht mit den anderen gravieren konnte. Er hält aber die Fertigstellung seines Kollegen Badura-Skoda nicht für einen großen Erfolg, sowohl wegen der Ausnutzung der Register als auch wegen der verwendeten Sprache und einfach auch die Länge des berichteten Fragments.
Eine kleine Untersuchung ohne großes Interesse würde beweisen, dass Badura-Skoda auch schlecht über Ernst Kreneks (1900-1991) Version dachte und dass er sogar gegen sie rebelliert hatte. Denn die Politik dieser Interpreten-Komponisten widersprachen einander. Krenek ist offensichtlich der Meinung, dass der Abschluss-Teil auf ein Minimum reduziert werden sollte und ein schnelles sauberes Ende bieten sollte: Das nicht zu inakzeptabel ist! Bei einer Statue, der eine Schulter fehlt, würde er nicht versuchen eine falsche Schulter herzustellen, sondern eher eine sichtbare und erkennbare Verbindung: Ohne hässlich zu sein! Die es auch ermöglicht einen ursprünglichen Arm wieder anzulöten! Lee dagegen verteidigt seinerseits eine wahrscheinliche Fertigstellung. Er schreibt in einem Brief: „Derjenige der vollendet, muss diese Grenze zwischen dem Original so weit wie möglich aufheben. Das größte Kompliment des Zuhörers wäre: Aber wo zum Teufel hört das Manuskript auf?“
Das Schubert nicht wusste, wie man eine 8. Symphonie in h-Moll, D. 759 (1822) erfolgreich zu Ende bringt, dass er es nicht konnte, nicht wollte, dass er Skizzen, Spuren des Scheiterns hinterließ: Ist doch letztendlich von viel größerem Interesse als dieses sogenannte fertige Werk zu hören. An vollständigen Symphonien mangelt es nicht in der Musik-Geschichte… Aber diese Hohlheit, dieses plötzliche Verstummen des Mundes, dieses Stottern sind einzigartige kostbare unersetzliche Phänomene!
Die musikwissenschaftliche Aufgabe besteht darin das Unbestreitbare zu isolieren! Die Praxis der Vervollständigung besteht darin, das Fragwürdige in den Kern eines Textes einzubringen: Der in den meisten Fällen nicht verwirrend ist. Über die von Krenek oder Lee geleistete Arbeit zur Vollendung einer Sonate von Schubert zu diskutieren, heißt von Krenek oder Lee zu sprechen: Aber nicht mehr von Schubert! Unabhängig vom unbestrittenen Talent dieser beiden Musiker wird eine beginnende Debatte zu diesem Thema dann eine verzweifelte Flachheit. Die verschiedenen Versionen einer sehr hypothetischen zehnten Symphonie von Schubert bestätigen diesen Sachverhalt: Aufgrund des Material-Mangels musste etwas erfunden werden! Da alles möglich ist, aber nichts wahrscheinlich: So sehen wir hier den dürftigen Sieg des Kontingent über das Notwendige! Diese mehr oder weniger begründeten, mehr oder weniger geschickten Rekonstruktionen vereinen sich am Grund desselben Abgrunds mit der undifferenzierten Masse unnötiger Hypothesen.
Die andere Reise…
Schubert hatte nur die Hälfte seiner Projekte abgeschlossen, viele davon wurden niemals auf die Bühne gebracht. Von diesen Versuchen blieben aber verstreute Stücke zurück, zerbrochene Scherben die aber außergewöhnliche große Schätze verbergen. Diese Spezifikation ist eine Hommage an diese unvollendeten Werke mit einer Geschichte in Form einer Reise – einer weiteren Reise – geführt von einem von der Unendlichkeit heimgesuchten Wesen: Dem die Musik als verständiges Werkzeug diente!
Bestrebt dem großen Wiener Komponisten eine neue Szene zu bieten, die ihn uns vielleicht etwas näher bringt, exhumierten der französische Dirigent Raphaël Pichon und die italienische Regisseurin Silvia Costa vergessene und unvollendete Partituren, wirkliche Juwelen der lyrischen Melancholie und lassen in einem Theater sowohl die anatomischen als auch psychischen Phantome der vergessenen Werke wieder auftauchen.
Trotz seiner zahlreichen Versuche auf dem Gebiet des Theaters erlebte Schubert zu seinen Lebzeiten nur die Uraufführungen von zwei seiner Bühnenwerke, zwei Singspiele aber leider ohne Zukunft. Alle anderen Versuche blieben tote Buchstaben oder befanden sich im Zustand unvollendeter Partituren. Abgesehen von den historischen und materiellen Zufälligkeiten, die ein solches Scheitern erklären, ist es nicht unmöglich dass diese Lücke in der Produktion von Schubert das verpasste Rendezvous zwischen dem Komponisten und der Oper war. Auch das Ergebnis eines tiefgreifenden Widerspruchs zwischen dem Universum des Komponisten und dem Idealismus der romantischen Oper ist möglich. Die charakteristische Unvollständigkeit der Produktion von Schubert wäre vielleicht die Frucht eines ästhetischen und moralischen Anspruchs.
L’autre voyage (Die andere Reise) macht diese Unvollständigkeit wieder gut! Das Projekt nimmt diese Unvollständigkeit zum Ausgangspunkt und hinterfragt sie: Sowohl als Motiv oder Thema und auch als dramatisches Werkzeug sowie als strukturelles Element. Es geht nicht darum ein bestehendes Werk zu vollenden oder eine imaginäre Oper wiederherzustellen, es geht allerdings nur darum das unumstößliche Unvollendete zu vollenden. Wir verkörpern dieses Problem, indem wir uns eine Arzt-Figur vorstellen: Gewissenhaft und wortkarg! Er erhält einen Körper für eine Autopsie: Einen leblosen Körper… der niemand anderes als sein eigener ist! Dieser Antiheld beginnt mit der Sektion seines eigenen Doppelgängers, eine metaphorische Zerlegung einer Reise an die Grenzen der eigenen Psyche. Während dieser Erkundung scheint es, dass dieser seltsame Doppelgänger in Wirklichkeit nur ein Albtraum ist und die Manifestation einer schmerzhaften Beobachtung: Im Herzen dieser toten Person starb etwas mit dem Verschwinden seines eigenen Kindes. Die Anwesenheit dieses Kindes verschwand früh und hinterließ so viel Versprechen. Die Spannung verfolgt diesen Arzt und seine Frau noch immer. Ihre trauernde Erinnerung ist plötzlich durchbrochen von unerwünschten Erlebnissen: Viele Momente eines fragmentierten Lebens! Die mentale Reise, die sie unternehmen, gipfelt jedoch im Licht! In der friedlichen Akzeptanz der Unendlichkeit, die uns allen innewohnt, das heißt in der Akzeptanz: Dass die Unvollständigkeit für unser Dasein in der Welt konstitutiv ist!
L’AUTRE VOYAGE (2024) - Aufführung - Opéra Comique, Paris - 3. Februar 2024
DAS PROGRAMM DER INTERPRETIERTEN WERKE
ADRASTE, D. 137 (1819/1820) Singspiel in 3 Akten / Vorspiel des 2. Akt / Libretto von Johann Mayrhofer (1787-1836) nach Herodot (490/480-430/420 v.J.C.) *** DIE ZWILLINGSBRÜDER, D. 647 (1820) Singspiel in 1 Akt / Arie: „Liebe theure Muttererde“ / Libretto von Georg Ernst von Hofmann. (1769-1845) *** SAKUNTALA, D. 701 (1820/1821) Oper in 3 Akten / Finale des 1. Akt mit Chor: „Des Menschen Seele“ / Libretto von Johann Philipp Neumann (1774-1849) nach dem MAHABHARATA (Orchestration von Robert Percival (1943-2020). *** ALFONSO UND ESTRELLA, D. 732 (1821/1822) Romantische Oper in 3 Akten / Rezitativ: „Meine Liebe zürne nicht“ / Vorspiel und Rezitativ: „O sing‘ mir, Vater“ / Rezitativ: „Wer bist du, zartes Wesen“ / Libretto von Franz von Schober (1796-1882). *** DIE VERSCHWORENEN ODER DER HÄUSLICHE KRIEG, D. 787 (1823) Singspiel in 1 Akt / Arie mit Chor: „Ich bin beschämt“ / Libretto von Ignaz Franz von Castelli (1781-1862) nach Aristophanes (446-386 v.J.C.). *** FIERABRAS, D 796 (1823) Romantische Oper in 3 Akten / Romanze: „Die Ruhe fällt auf schweres Lied“/ Ensemble: „Doch horch“ / Chor: „Ersehntes Vaterland!“ / Melodrama: „Dieser Leib‘ liegt dort“ / Chor: „Bald tönet der Reigen“ / Trio und Chor: „Das Mitleid fleht“ / Libretto von Josef Kupelwieser (1791-1866) nach den Legenden von Johann Gustav Gottlieb Büsching (1783-1828) und Friedrich Heinrich von der Hagen (1780-1856) und nach dem Drama von Friedrich de la Motte-Fouqué (1777-1843). *** ROSAMUNDE, FÜRSTIN VON CYPERN, D. 797 (1823) Szenen-Musik für ein Romantisches Drama von Helmina von Chézy (1783-1856) Romanze: „Der Vollmond strahlt auf Bergeshöh’n“ / Hirten-Melodie. *** LAZARUS DER AUFERSTEHUNG, D. 689 (1820) Oratorium in 3 Akten / 1. Akt, Vorspiel und Rezitativ: „Hier lass mich ruh’n“ / 2. Akt, Rezitativ: „Wie glücklich, als mir das noch Trost ist“ / Vorspiel und Rezitativ: „Wo bin ich“ / Arie: „O könnt‘ ich“ / Chor: „Sanft und still“ / Rezitativ und Arie: „So legt ihn in die Blumen“ / Arie: „Wecke ihn nicht“ / Libretto von August Hermann Niemeyer (1754-1828). *** DEUTSCHE MESSE, D. 872 (1827) für Chor, Bläser-Ensemble und Orgel / Chor: Zum Sanctus „Heilig ist der Herr“ / Libretto von Neumann. *** GRUPPE AUS DEM TARTARUS IN C-MOLL, D. 396 (1816) „Horch, wie Murmeln des empörten Meeres“ / Fragment für Gesang und Klavier / Gedicht von Friedrich von Schiller (1759-1805) Orchestration von Johannes Brahms (1833-1897 . *** LICHT UND LIEBE, D. 352 (1816) Duo für Gesang und Klavier / Gedicht von Matthäus Casimir von Collin (1779-1824) Arrangiert von Percival. *** NACHT UND TRÄUME, D. 827 (1825) „Heil’ge Nacht, du sinkest nieder!“ / Gedicht von Collin / Orchestration von Max Reger (1873-1916). *** GRAB UND MOND, D. 893 (1826) „Silberblauer Mondenschein“ / Für 4 Männer-Stimmen / Gedicht von Johann Gabriel Seidl (1804-1875) *** SCHWANENGESANG, D. 957 (1828) Für Gesänge und Klavier / Gedichte von Ludwig Rellstab (1799-1860), Heinrich Heine (1797-1856) und Seidl / Orchestration von Franz Liszt (1811-1886) „Der Doppelgänger“ und Rellstab „Still ist die Nacht“. *** OUVERTÜRE IN C-MOLL FÜR STREICH-Quintett, D. 8 (1811) Arrangement und Orchestration von Percival. *** FÜNF DEUTSCHE TÄNZE FÜR STREICHER-QUARTETT, D. 89 (1813) Orchestration von Percival. *** Brahms: 13 KANONS FÜR FRAUEN-CHOR, OP. 113 (1891) „Einförmig ist der Liebe Gram“ / Gedicht von Friedrich Rückert (1788-1866) nach „Der Leiermann“, 24. Lied der WINTERREISE mit Gedichten von Müller.
Bei Einbruch der Dunkelheit erhält ein Gerichtsmediziner eine Leiche, die er bald als seinen eigenen Doppelgänger erkennt. Anschließend unternimmt er eine moralische und emotionale Sektion, die ihn mit seinen Erinnerungen konfrontiert: Tod und Vergessen!
Nimmt Schuberts lyrisches Gespenst Gestalt an?
Der Dirigent Raphaël Pichon und die Regisseurin Silvia Costa bieten eine imaginäre Oper basierend auf unvollendeten und vergessenen Werken von Franz Schubert. Das ergreifende Ergebnis rund um Tod, Trauer, Freundschaft und Liebe wird von dem französischen Bariton Stéphane Degout (L’Homme) in Zusammenarbeit mit der australischen Sopranistin Siobhan Stagg (L’Amour), dem amerikanischen Tenor Laurence Kilsby (L’Amitié) und dem französischen Knaben-Sopran Chadi Kazreq (L’Enfant). Außerdem natürlich das Orchester und Chor des Ensemble Pygmalion unter der Leitung von Raphaël Pichon, dazu der Kinder-Chor der Opéra Comique Paris unter der Leitung der französischen Chor-Leiterin Sarah Koné.
Der im Alter von nur 31 Jahren verstorbene Schubert ließ viele seiner Werke unvollendet! Obwohl das große Genie die Zeit hatte der Nachwelt sehr grosse Höhepunkte der Instrumental-Musik und des Liedes zu hinterlassen, aber jedoch sein Opernkatalog bleibt im Vergleich äußerst leer: Die mehr als 20 unvollendeten und auch geplanten lyrischen Werken sind leider der Beweis dafür!
Es ist vielleicht ein bisschen wie die Fortsetzung des Lieder-Zyklus Winterreise, den sich Pichon und Costa vorstellen, indem sie Partituren neu entdecken, indem sie einen narrativen Rahmen schaffen und gewissermaßen eine neue Show für lyrische Gemälde-Ausstellungen erschaffen [sic]. Die so gezeichnete Geschichte handelt also von einem Mann, genannt L‘Homme, einem vorsichtigen und sehr ängstlichen Arzt, der eine Leiche sezieren muss. Bei der er herausfindet, dass es sich um seinen eigenen Doppelgänger handelt und in Wirklichkeit nimmt er selbst an der Beerdigung dessen bei: Was aber Wirklich ein Teil von seinem eigenen Ich ist!
Die Regie von Costa, unterstützt von dem italienische Bühnenbildner Michele Taborelli für die Szenografie und dem französischen Dramaturg Antonio Cuenca Ruiz, ist ebenso fließend wie die Musik. Teilweise auch dank des sehr einfallsreichem Lichtspiels zwischen Dunkelheit und Helle, dem Schein einer einzelnen Flamme oder auch dem grellen schreienden Licht. Der italienische Lichtbildner Marco Giusti hatte eine besondere intensive Inspiration bewiesen! So entwickeln sich die Schauplätze und bewegen sich von einem Autopsie-Raum zu einem fröhlichen Familien-Wohnzimmer oder einem niedlichen Kinder-Zimmer. Sogar in völlig schwarzen Umgebungen, wohl wie ein Oxymoron von Freude und Leid: Sehr sinnbildlich für die Ästhetik von Schubert! Zusätzlich zu den Kontrasten der starken Emotionen und insbesondere auch der anhaltenden Nostalgie, die durch die von der italienischen Video-Künstlerin Laura Dondoli produzierten anhaltenden Projektionen von sehr emotionellen Archiv-Bildern italienischer Familien, die dank der von Home Movies – Archivio Nazionale di Famiglia gesammelten Amateur-Fotos: Die in dieser Inszenierung verwendet wurden.
Am Ende wirkt diese Szenographie völlig natürlich und präzise, auch in den Bewegungen und Gesten jedes Einzelnen: Flexibel choreografiert! Der aufmerksame Betrachter konnte manchmal an plötzliche Erscheinungen genauso glauben wie auch an das Verschwinden von gewissen Objekten: Sei es nun belebt oder unbelebt!
Die Rolle des L’Homme wird von Degout interpretiert: Seine Präsenz und Ausdruckskraft kommen in seinem Spiel und in seinem gesamten Spektrum zum Ausdruck. Seine phantastische deutsche Diktion trägt zu einem dichten und besonders ergreifenden Timbre in der Bass-Region bei. Die Feinheit seiner Nuancen und die Wendungen seines wunderschönen Timbres, leicht und doch sehr effizient, sind bei der Interpretation von: Der Doppelgänger mit der markanten Orchestrierung von Liszt besonders beeindruckend.
Die Frau, hier L’Amour genannt, wird von Stagg gesungen, hell und ausdrucksstark, mit weichen, luftigen hohen Tönen. Sie trägt mit berührender Intensität einen Auszug aus der heroisch-romantischen Oper Fierrabras vor. Sie beginnt alleine, dann gesellen sich auch Degout und Kilsby dazu und dann einschließlich der gesamte großartige Chor hinzu, wobei die tiefe Traurigkeit zu einem Sturm der Wut wird. Leider müssen wir sagen, dass wir ein wenig enttäuscht von der Sopranisten waren: Die deutsche Diktion ist wirklich nicht sehr glaubwürdig, aber das kann man erlernen, denn es ist nie zu spät! Aber wir hatten den Eindruck, dass ihre Stimme vielleicht ein wenig zu sehr angestrengt und übermüdet wirkte! Wir haben sie vor einiger Zeit als Ilia in Idomeneo von Mozart an der Opéra National de Lorraine in Nancy gehört (Siehe IOCO-Kritik), das war für uns einwandfrei ein großes Erlebnis und auch eine phantastische Entdeckung!
Der Tenor Kilsby als L‘Amitié verbindet als Assistent des Gerichts-Mediziners aber auch als Freund der Familie und damit auch als allgemeine Verkörperung der Freundschaft im Sinne von Schubert: Die Feinheit seines Tons mit den zarten hohen Licht-Effekten und seinem einfühlsamen Gesang. Sein leichtes natürliches Vibrato unterstreicht die Poesie seiner Texte und die Liebkosung seiner Gesangs-Linien: Insbesondere im Duett mit Degout!
Die Rolle des Kindes , genannt L’Enfant wird dem sehr jungen Lazreq anvertraut, der sich durch seine Fähigkeit auszeichnet, alleine und a cappella mit einer feinen, aber präsenten Sopran-Stimme zu singen und einen zeitlosen und zutiefst bewegenden Moment bietet, wenn er sich selbst am Klavier begleitet und die rührende Liebes-Geschichte Der Vollmond strahlt aus der Bühnen-Musik Rosamunde singt.
Die engagierte, sehr aufmerksame und anspruchsvolle Leitung von Pichon an der Spitze seines Ensemble Pygmalion und dem wunderbaren Chor bietet Farben von seltener Finesse und vor allem war es ein Muster von konstanter Ausgewogenheit. Die jungen Choristen des Kinder-Chors der Opéra Comique Paris beweisen trotz einiger sehr exponierter Passagen grosse Präzision. Das Orchester hat einen sehr charakteristischen Klang-Effekt! Es versteht auch, einen sanften schwungvollen Walzer in ein sogenanntes musizierenden „Tanzen“ zu verwandeln und uns die nostalgische Kraft umso mehr spüren zu lassen: Die bei Schubert allgegenwärtig ist!
Ein tödlicher Marsch mit Schubert?
Aber trotz einer wohlüberlegten Auswahl an Opern-Arien und instrumentalen Werken, hervorragend interpretiert vom Ensemble Pygmalion mit Raphaël Pichon und den Solisten einschließlich der Chöre, war diese andere oder neue Reise wohl aufgrund eines eindeutigen und so selbstgefälligen schweren düsteren Bühnen-Themas streckenweise wirklich sehr ermüdend und teilweise sogar äußerst langweilig: Das man heimlich verstohlen unweigerlich auf die Uhr sah! Die Inszenierung von Costa übertreibt unserer Meinung sehr mit den vielen sogenannten sentimentalen „romantischen“ Klischees. Schade! (PMP/05.02.2024)
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