Paris, Cirque d'hiver Bouglione, SELMER MUSIC FESTIVAL 2025

Paris, Cirque d'hiver Bouglione, SELMER MUSIC FESTIVAL 2025
Paris Cirque d'Hiver © wikicommons.wikimedia



27.06.2025

 

SELMER MUSIC FESTIVAL 2025
140 Jahre im Dienste der Musik

 

KLASSISCHE UND WELT-MUSIK…

 

Ein Doppelkonzert für Klarinette und Saxophon vermischt sich mit den Klängen von Saxophon und Cello, dann kündigen sich weitere Überraschungen mit dem SIRBA OCTET und seinen Gästen an: DAVID KRAKAUER, PHILIPPE BERROD, NICOLA ARSENIJEVIC…

 

Einige wichtige Erklärungen und Daten für Nicht-Pariser…

Der Cirque d’hiver Bouglione – eröffnete“ im Jahre 1852 seine Türen und zeigt stolz aller Welt sein sogenannte „Musik-Vitrine“ voller Geschichte, Feierlichkeiten und Emotionen – er ist einer der ältesten permanenten Zirkusse der Welt. Seit über 170 Jahren empfängt er die mutigsten und ausgefallensten Artisten unter seiner Kuppel: Akrobaten, Musiker, Sänger, Tänzer… sie alle erwecken die Magie der Show für einen Abend zum Leben.

In diesem einzigartigen Rahmen voller Erinnerungen und Versprechen findet das jährliche SELMER MUSIC FESTIVAL statt. Es bringt Künstler aller Musikbereiche und das neugierige Publikum für einen seltenen, intensiven Moment zusammen. Ein Moment, in dem Generationen, Ästhetiken und Kulturen in einem lebendigen Musikfest miteinander ins Gespräch kommen.

 

Klezmer- und Zigeunermusik…

Im Jahr 2003 beschloss der Geiger Richard Schmoucler, ein Ensemble zwischen klassischer akademischer und traditioneller Musik zu gründen. Er schloss sich mit fünf seiner Musikerfreunde, Mitgliedern des Orchestre de Paris, des Orchestre National de France und dem Orchestre de L’Opéra National de Paris, einem Pianisten, einem Beckenspieler und dem Arrangeur Cyrille Lehn zusammen um das  Sirba Octet zu gründen. Das Ensemble trat in Frankreich und im Ausland bei Festivals und an renommierten Veranstaltungsorten auf, darunter die Philharmonie de Paris, das Théâtre des Champs-Élysées, das Théâtre de la Ville, das Concertgebouw in Amsterdam, die Jekaterinburg Philharmonic, der Wiener Musikverein, die Tokyo City Concert Hall, das Européen, La Cigale und der Espace Pierre Cardin in Paris.

Selmer Music Festival 2025 © Henri Selmer Paris

Virtuosität und Emotion sind in diesen von der ewigen Wanderschaft der Osteuropäischen Juden und Zigeuner besonders vom Balkan geprägten Melodien unweigerlich präsent, doch ist es die gewaltige Farbenpracht, der große Reichtum und auch die künstlerischen Ideen, die dem Sirba-Oktet eine eigene musikalische Neuinterpretation inspirierte, die diese oft gesummten Themen zum Vorschein brachten. Dieses Ensemble, das sich jenseits traditioneller Kreise durch die Verbindung verschiedener Genres hervorhebt, meistert die Herausforderung, musikalische Programme zu kreieren, die Kammermusik uns symphonische Besetzung vermischen.

Die Einzigartigkeit des vom Sirba-Oktet getragenen Projekts führt es somit in ein originelles und beispielloses musikalisches Universum: Das der „Klassischen Musik-Welt“! Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Gründung des Ensembles erschien 2023 das neue Album Tsuzamen, das siebte Album des Sirba Oktet, das unter dem Label Sirba Records – einem kürzlich vom Ensemble gegründeten Label – vertrieben wird und eine Diskografie-Sammlung eröffnet, die exklusiv im Sirba-Oktet-Store sowie auf allen digitalen Plattformen erhältlich ist. Ein Jubiläum im Zeichen von Mut, Enthusiasmus und Kreativität.

 

Zum Konzert im Cirque d’hiver Bouglione / Paris am 27. Juni

 

SELMER MUSIC legt einfach so eine Zirkusnummer auf…

Das Publikum des Cirque d’Hiver Bouglione ist bereits schon am frühen Abend und immer noch um 23:00 in ein Lynch-Blau getaucht, hypnotisiert von der Fremdartigkeit der Atmosphäre. Luftakrobaten in der Luft und das „ohne Netz“ [sic], hängende Reifen, blutrote Sitze… Willkommen zu einer Akustik-Version von Blue Velvet (1986), Film von David Lynch (1946-2025)!

 

Das heutige Programm vereint Klassische- und Welt-Musik, es ist so überreich und so dicht wie ein überberstendes Hochzeitsbuffet. In diesem weitläufigen Raum an diesem Freitagabend herrscht der anhaltende Atem und die Genres prallen aufeinander.

Cirque d'hiver Bouglione © Jacques Piffret

 

Ein Zirkus der unübersehbaren Horizonte…

Wir begegnen insbesondere Jean-Charles Richard und Pauline Bartissol, mit einer Adaptation für Saxophone und Cello,  einem Auschnitt von „Die Kunst der Fuge“, BWV 1080  (1740/1751) von Johann Sebastian Bach (1685-1750), der es weder an Eleganz noch an Finesse mangelt. Der Barock verliert etwas von seinem gestärkten Hals, um die warme Kurve der Rohrblätter zu umarmen. Der französische Komponist Florent Schmitt (1870-1958) und seine „Dionysiaques“, Op. 62 (1913) eröffnen den Ball mit Schwung. Das zu früh verstorbenen Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791 ) reißt wenig später alle mit seinem „Klarinettenkonzert“, K 622 (1791), brillant dargeboten von Alessandro Carbone, in großartiger Form und mit großer Finesse in seinem Bann.

 Später verwöhnt uns das Quartett Les DéSAXés mit einem Medley von  Filmmusik im gelehrten Clown-Stil: Ausschnitte aus Blockbustern, Klassiker-Cover, Musikerwitze und ein Live-Mitschnitt. Man spielt (sehr gut), man gerät aus dem Ruder (absichtlich), man amüsiert (wirklich).

Sirba Oktet ® sirba oktet

 

Pass auf dich auf…

Aud der Seite des republikanischen Prestiges werden wir den spektakulären Auftritt der Garde National bemerken und zwar nicht in einer, sondern in zwei Formationen: Harmonie-Orchester und Symphonie-Orchester, alle in tadellosen Uniformen und mit einem Bühnenwechsel im Takt von 6 Minuten!

Orchestre d'harmonie de Garde Républicaine © Mathieu Foucher

 

Aber es ist zweifellos Thomas Tallis (1505-1585) mit seiner Motette „Spem in alium“ (1561) , das den schwindelerregenden Moment krönt: 40 Musiker, aufgeteilt in acht Fünfergruppen, in dem blauen Zirkussaal versteckt, umgeben von einem sanft und murmelnden Renaissance- Kontrapunkt. Eine Achterbahnfahrt, bewegungslos, aber äußerst  resonant!

 

Ein Höhepunkt mit Klezmer…

Drei Stunden später – glücklicherweise mit einer Pause – beschließt das lang erwartete Sirba-Oktet den Abend mit den frenetischen Rhythmen Osteuropas, begleitet von einer Reihe herausragender Blechbläser: Philippe Berrod, Joé Christophe, Rémi Delangle, Nicolas Arsenijvic, David Krakauer und dem Habanera-Quartett als Backup. Das Publikum wippt mit den Füssen, applaudiert wild und beginnt von vorne an. Wir befinden uns ein einer kollektiven Klezmer-Therapie. Es war wohl der große Höhepunkt des Abends.

 

Fazit: 140 Kerzen und kein Gramm Staub…

Natürlich blieben nicht alle bis zum Schluss: Die letzte Metro, die RER, der letzte Vorstadtzug sind Heilig. Doch wer durchhielt, ging begeistert, mit gesättigten Hüften und vollen Ohren! Und manche blieben gern, um am nächsten Tag früh zum Meeting zu kommen.

 

Ein konzertanter Flow ohne Zögern, eine Farandole aus Mundstücken und Rohrblättern, ein musikalischer Zirkus, der seine Exzesse und seine Heldentaten zelebriert. SELMER schuf nicht seinen eigenen Zirkus! Er errichtete ein Zirkuszelt für alle Genres, alle Stile, jedes Publikum. An diesem Abend blies SELMER nicht seine Kerzen aus: Nein! Er ließ alle Hüften brennen…   (PMP/03.07.2025)

 

 

 

 

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