Paris, Athénée – Théâtre Louis-Jouvet, Weihnachten am Broadway, IOCO

Paris, Athénée – Théâtre Louis-Jouvet, Weihnachten am Broadway, IOCO
Athénée - Théâtre Louis-Jouvet © Peter Michael Peters

22.12.2025

I really can’t stay

Baby, it’s cold outside

I’ve got to go away

Baby, it’s cold outside

This evening has been

Hoping that you’d drop in

So, very nice

I’ll hold your hands, they’re just like ice

 

My mother will start to worry

Beautiful, what’s your hurry?

My father will be pacing the floor

Listen to that fireplace roar

So, really l’d better scurry

Beautiful, please don’t hurry

But maybe just a hald a drink more

I’ll put some records on while I pour

 

Auszug aus „Baby, It’s Cold Outside” aus dem Film Neptune’s Daughter (1949) von Edward Buzzel  (1895-1985) mit der Musik von Frank Loesser (1910-1969)

Naima Naouri, Sopran © Victoria Gaboune

 

Ein Konzert für die Weihnachtszeit, das durch die Mischung eingängiger Melodien und Songs voller Süße ganz klar im Zeichen der guten Laune steht. Die vier französischen Künstler: Die Sopranistin Neïma Naouri, der Tenor Pablo Campos, der Bassbariton Damien Pass sind begleitet von dem Pianisten Alphonse Cemin, um verschiedene nordamerikanische Traditionen für diesen Abend zu vereinen. Insbesondere die Winter Songs, die eine zentrale Rolle in der angelsächsischen Landschaft der Feste spielen und auch die des Musicals, einem Genre von unglaublicher Fruchtbarkeit: Das sich in ganz Europa mit natürlichem Charm und Können angesiedelt hat…

 

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Feiertagszeit eng mit Musik und vor allem mit Gesang verbunden, ob nun Christmas Carols im engeren Sinne oder einfach nur Stücke, die ein winterliches oder festliches Thema hervorrufen. Mel Tormés (1925-1999) The Christmas Song (1940) ist somit ein Standard dieser Zeit, ein süßer und warmer Song, der ein echtes Bild von Weihnachten mit seinen gerösteten Kastanien, der Kälte am Fenster und den ungeduldigen Kindern – und gelinde gesagt, er wurde tatsächlich während eines glühend heißen Sommers im Jahr 1944 geschrieben. Später verwendet River (1971) von Joni Mitchell (*1943) und Winter Song (2008) von Sara Bareilles (*1979) das Winterthema – und die musikalische Referenz für River mit einem an Jingle Bells (1857) von James Lord Pierpont (1822-1893) erinnernden Klavierpart -, um über Liebe zu sprechen.

Pablo Campos, Tenor © Victoria Gaboune

 

Ein großer Teil des Programms dieses Weihnachtskonzerts greift auf das Repertoire der musikalischen Komödie zurück, insbesondere aus der Blütezeit, die  von der Nachkriegszeit bis zum Ende der 1980er Jahre reichte. Als einer der bedeutendsten Komponisten des Genres stellt Stephen Sondheim (1930-2021) eine Art Leitprinzip dar. Ihm verdanken wir den Text von West Side Story (1957), der  von Leonard Bernstein (1918-1990) vertont wurde und einen echten Wendepunkt in der Geschichte des amerikanischen Musiktheater darstellt. Das Werk erlangte außerordentliche Popularität durch Songs wie „Maria“, „I Feel Pretty“, „Somewhere“ und „Tonight“. Kurz darauf begann auch Sondheim, die Musik für seine zahlreichen Musicals  zu komponieren, darunter die 1980er Hits Merrily We Roll Along (1981)  und Into The Woods (1986), in denen aus den Kinder- und Hausmärchen (1812) der Gebrüder Grimm: Jacob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) - darunter Rapunzel und Blanche-Neige in den beiden Duette  „Agony I & II“ – miteinander verwoben sind. Andere wichtige Namen in der Geschichte des Musicals drehen sich um dieses Zentrum: Das Duo Richards Rodgers 1902-1979) und Oscar Hammerstein II (1895-1960), das in den 1940er und 1950er Jahren an der Spitze des Genres stand, aber auch Jule Styness (1905-1994) oder Loesser. Ohne direkt zum Musiktheater zu gehören, basieren die Songs wie Alfie (1966), eine von Burt Bacharach (1928-2023) verfasste Ballade, die eine Art Meditation über den Sinn des Lebens bietet, oder „Happy Days are Here Again“ und „Gets Happy“ auf ziemlich ähnlichen Texten und sind in die gleiche Atmosphäre getaucht. Dieses mashup überlagert auf brillante Weise zwei Songs aus dem Jahr 1929: Es ist eine emblematische Version der amerikanischen Show, die wir mit Judy Garland (1922-1969) und Barbra Streisand (*1942) im Jahr 1963 verdanken. Arrangements von populären Songs aus dem 19. Jahrhundert von Aaron Coplands (1900-1990) Old American Songs (1950/1955) veranschaulichen eine andere Ader amerikanischer Songs: Der Komponist huldigt mit großer Finesse den volkstümlichen Traditionen!

Alphonse Cemin, Klavier und Damien Pass, Bassbariton © Victoria Gaboune

 

Kompositionen von Stephen Sondheim, Milton Ager (1893-1979), Sara Bareilles, Mel Tormé, Frank Loesser, Aaron Copland, Burt Bacharach, Leonard Bernstein, Cole Porter (1891-1964), Jule Styne, Joni Mitchell, Stephen Schwartz (*1948), Oscar Hammerstein II & Richard Rodgers.

 

 

Das Konzert im Athénée-Théâtre Louis-Jouvet / Paris am 22. Dezember 2025:

 

Ein weihnachtliches Broadway an der Seine…

Ein Montag im Dezember im Athénée - Théâtre Louis-Jouvet und die Verheißung eines Montags kurz vor Weihnachten, der in Richtung Broadway führt…

Alphonse Cemin, Pablo Campos und Neima Naouri © Victoria Gaboune

 

Die Reihe Lundis musicaux ist ein einfaches und durchweg erfolgreiches Konzept: Hochkarätige Künstler, ein Klavier, manchmal ein paar mehr Instrumente und auf jeden Fall ein aufmerksames Publikum. Auch das gestrige Konzert bildete da keine Ausnahme: Mit einer klaren und souveränen Herangehensweise vereinten sich außergewöhnliche Stimmen zu einem brillanten, eleganten und zugänglichen Repertoire.

 

Der Abend steht und fällt mit dem harmonischen Zusammenspiel der Sänger. Die Sopranistin Neïma Naouri eröffnet den Abend mit strahlender Präsenz und einer geschmeidigen, leuchtenden Stimme, die mühelos zwischen verschiedenen Stilen wechselt. Sie nähert sich den Melodien mit einer Präzision, die nie in bloße Effekthascherei abgleitet. Die Freude scheint aus einer direkten, ungehemmten Verbindung zur Musik zu entspringen, die sofort den Ton angibt. Ihre Interpretation wird zu einer Erzählung, mal heiter, mal introspektiver, aber immer kontrolliert.

Damien Pass und Pablo Campos © Victoria Gaboune

 

Der Bassbariton Damien Pass bildet einen wohltuenden Kontrast. Sein runder Klang, seine tiefe, resonante Stimme und seine außergewöhnliche Stimmstabilität verleihen dem Ensemble viel angenehme und profunde Tiefe. Seine Art, sich die Texte anzueignen, mit  seiner Aufmerksamkeit für Worte und Pausen, schafft einen natürlichen Dialog mit seinen Partnern. Ohne aufdringlich zu wirken, sondern mit stiller Autorität strukturiert er das Ganze, ohne es zu beschweren.

 

Der Tenor Pablo Campos besticht durch seinen klaren, direkten und schnörkellosen Gesang. Seine Phrasen fließen geschmeidig, die Übergänge sind nahtlos. Diese Präzision und musikalische Sensibilität ermöglichen einen angenehmen, anhaltenden Gesangsstil.

Alphonse Cemin, Pablo Campos, Neima Naouri und Damien Pass © Victoria Gaboune

 

An ihrer Seite bestätigt der Pianist Alphonse Cemin, ein exzellenter Musiker und vor allem ein wunderbarer Begleiter, ein ausgeprägtes Gespür für gemeinsames Zuhören. Die Begleitung drängt sich nicht auf; sie schafft einen angenehmen Rahmen für die Sänger, mit präzisen Nuancen und einem durchgehend genauen Puls.

 

Die Repertoireauswahl, die von Weihnachtsliedern bis zu Broadway-Songs reicht, vermeidet Vorhersehbares! Die Arrangement legen Wert auf Klarheit, mal mit einem Hauch Ironie, mal mit einer zarten Melancholie. Das Repertoire entfaltet  sich in diskreter Kohärenz, wie ein musikalisches Gespräch zwischen Künstlern, deren Persönlichkeiten sich überschneiden oder verschmelzen, ohne zu kollidieren. Das Leitprinzip bleibt der Wunsch nach Austausch, nach einem subtilen Eindruck, ohne übertriebene Prahlerei.

 

Der Saal des Athénée – Théâtre Louis-Jouvet mit seiner intimen Atmosphäre und der warmen Akustik ist dafür ideal geeignet! Das Publikum verfolgt die Darbietung aufmerksam und reagiert immer wieder mit Jubel und wissendem Lächeln. Trotz der festlichen Stimmung bleibt die Atmosphäre gedämpft, fast intim; das Konzert besitzt eine Eleganz, die perfekt zum Charakter des Veranstaltungsortes passt.

Noël à Broadway... Applaus! Merci... © Victoria Gaboune

 

Dieses Broadway-Weihnachtsspektakel findet seine Balance und begeistert das Publikum. Ein Abend, der wie ein besonderer Augenblick im Kalender wirkt, ohne übertriebene Prätention, getragen von Künstlern, die einander kennen und vertrauen. Die Musik fließt frei und spontan und hinterlässt den Eindruck von einer aufrichtigen, warmherzigen und zugleich harmonischen Begegnung. Ein wunderbarer musikalischer Moment…!

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