Ketzer, Hexen und Verdammte - Skulpturen - Rainer G. Schumacher, IOCO Aktuell, 16.07.2018


Kunst- und Heidegarten Lauheide
Finissage für Ketzer, Hexen und Verdammte
Dienstschluss für Dante
Von Hanns Butterhof
Bis zum 21. Juli 2018 ist die Ausstellung Ketzer, Hexen und Verdammte mit Bildern und Skulpturen Rainer G. Schumachers im Kunst- und Heidegarten Lauheide 15 in Telgte noch zu sehen. Wenn sie dann endet, wird eine solch umfangreiche Ausstellung mit Werken des 1941 in Berlin geborenen, an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden ausgebildeten Sitte-Meisterschülers, der jetzt in Spanien lebt und arbeitet, in Deutschland kaum mehr zu sehen sein.
Die Arbeiten, über vierzig Skulpturen, sind aus der Auseinandersetzung des Künstlers mit der Divina Comedia Dantes (1265 – 1321) und dem Werk des Münsteraner Literaturwissenschaftlers Alwin Binder hervorgegangen, dem die Ausstellung gewidmet ist.
Schumachers Herangehen an die Divina Comedia ist alles andere als illustrativ. Vielmehr gestaltet er sehr aktuelle Figuren, belastet mit den Erfahrungen aus seiner eigenen Welt, für die sich als Bezugsgröße das Inferno am schlüssigsten angeboten hat.
Betritt man das Ausstellungsgelände, säumen 20 Skulpturen der Verdammten in Doppelreihe den Gartenweg. Sie wirken wie Ausgrabungen aus dem Höllentrichter, denen noch die Reste dieses Unortes anhaften.

Die weiteren Gestalten der Ketzer und Hexen beschwören eines der finstersten Kapitel der christlichen Religion und institutionalisierten Kirche herauf, die Dantes Welt ideologisch grundieren. Schumachers Kunstwerke beantworten keine Fragen, warum diese Schrecknisse möglich waren und in vielfältiger Gestalt weiter möglich sind. Die Skulpturen stellen diese Fragen aber buchstäblich den Betrachtern in den Weg.
Die Köpfe der Ketzer – Meister Eckhart ist dabei, Blaise Pascal und Benedictus de Spinoza - sind nicht als spiegelverkehrte Heiligenbilder und Märtyrer-Mahnmale mit Verklärungs-Gestus gedacht. Sie tragen als geschichtliche Gestalten unabhängigen Denkens die schmerzvollen Züge der Anstrengung ihrer aufrechten Haltung. Wie Ketzer wurden auch die Hexen laut Anordnung Papst Gregors IX. behandelt, nämlich gemartert und getötet. Ihre Skulpturen sind eine Mahnung an die menschliche Anfälligkeit für kleinmütigen Unverstand und ideologische Manipulation, die so viele Opfer gefordert haben und weiter fordern. Sie hat Schumacher in der Umarmung uneingeschränkter Sympathie gestaltet.

Die Ausstellung Ketzer, Hexen und Verdammte Rainer G. Schumachers ist in ihrer ästhetischen Ernsthaftigkeit ein Statement zur Skulptur der Zeit zwischen Kasseler documenta und Münsteraner skulptur projekte. Sie dokumentiert die Lebendigkeit des traditionellen Skulptur-Begriffs jenseits von kunstideologischem Dogmatismus und Spaßkultur mit Mitmach-Events. Die Ausstellung hat alle Aufmerksamkeit verdient, die ihr noch bis zum 21.7. gezollt werden kann. Dann ist Dienstschluss für Dante.
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