Hamburg, Hamburgische Staatsoper, LE NOZZE DI FIGARO - W.A. Mozart

3. Juli 2025
Die Spielzeit 2024-25 ging zu Ende, und so war dieser „Figaro“ am 3. Juli nicht nur die letzte Opernvorstellung dieser Saison, sondern sie beendete auch die zehn Jahre währende Intendanz von Georges Delnon und GMD Kent Nagano.
Auch von dieser „Figaro“- Inszenierung muss Abschied genommen werden, denn diese hinreißende und erfolgreiche Mozart-Produktion von Stefan Herheim wird unter der neuen Intendanz nicht wiederaufgenommen werden, was eigentlich sehr bedauerlich ist. Denn die Inszenierung dieser 'Opera buffa', die im November 2015 ihre Premiere feierte, besticht durch den von Christof Hetzer entworfenen, mit Hunderten von Notenblättern beklebten Bühnenkasten – die am Ende des zweiten Aktes herabrieseln und die Sänger unter sich begraben –, mit dem großen, vielseitig zu verwendendem Bettgestell in der Mitte, durch die phantasievollen, ebenfalls mit Notenmotiven bedruckten Barock-Kostüme von Gesine Völlm, vor allem jedoch durch Stefan Herheims ausgeklügelte Personenregie, die die originelle Handlung ohne Leerläufe, ohne Spannungsabfälle stets im Fluß hält, und die den Protagonisten einiges an Aktionen abverlangt, so daß beim Publikum während der gesamten drei Stunden Spieldauer zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkam.
Das lustige Video von Mozarts Partitur, zur Ouvertüre auf den Vorhang projiziert, läßt die Noten sich in laufende Männchen und in Spermien verwandeln, die den flüchtenden Weibchen hinterher jagen, die sich dann schließlich ergeben, sehr zur Freude des amüsiert lachenden Publikums, welches so auf den „Tollen Tag“ bzw. auf einen fröhlichen Abend eingestimmt wurde.
Auch musikalisch war dieser Abend eine Erfüllung, angefangen beim gräflichen Paar: Kartal Karagedik präsentierte seinen kraftvollen Kavaliersbariton farben- und nuancenreich, ließ sängerisch wie darstellerisch keine Wünsche offen, warf sich mit großem Engagement in die Partie des lüsternen, triebgesteuerten Grafen, der immer noch sehr gern sein „jus primae noctis“ ausüben würde, und brillierte mit seiner großen Arie „Hai già vinta la causa“.
Olga Peretyatko bot ein anrührendes Portrait der betrogenen und vernachlässigten Gräfin und verströmte mit ihrem warm timbrierten lyrisch-jugendlichen Sopran Momente der Traurigkeit und Melancholie sowohl in ihrer Auftrittsarie „Porgi amor“ als auch in ihrer besonders gefühlvoll und mit herrlichen Legati dargebotenen Arie „Dove sono“. Von feinsten Pianotönen bis hin zu kraftvollen Fortepassagen bot sie die gesamte Palette von Emotionen und gab sich sowohl in ihrem blassrosa, mit Noten verzierten Gewand im zweiten Akt, als auch später in blassblauer Robe elegant und aristokratisch.
Chao Deng war ein sympathischer, bühnenpräsenter Figaro und gefiel mit seinem flexiblem klangreichen Bass-Bariton, den er in seinen Arien „Si vuoi ballare Signor Contino“ und „Non piu andrai“, und ganz besonders in seiner letzten Arie „Aprite un po' quegli occhi“, wunderbar zur Geltung bringen konnte. Darstellerisch gewandt, ließ er auch das komödiantische Element seiner Partie nicht zu kurz kommen.
Katharina Konradi war eine vor Temperament überschäumende spielfreudige, sich selbstbewußt gebende Susanna, deren sicher geführter, heller Koloratursopran stets die Ensembles überstrahlte, mit dem sie sowohl in ihrer Rosenarie glänzen, als auch in Ihren Szenen und Duetten mit ihrem Figaro, mit der Gräfin sowie mit dem Grafen deutliche Akzente setzen konnte.
Als quirliger, androgyner Cherubino, der jedem Rock hinterher jagt, überzeugte Julia Lezhneva mit fröhlichem Spiel und schön timbriertem Sopran in den beiden Arien „Voi che sapete“ und „Non so piu“, die sie mit zusätzlichen Verzierungen ausstattete.
Claire Gascoin war eine charmante, persönlichkeitsstarke Marcellina, ausgestattet mit einem klangschönem samtenen Mezzosopran, und man bedauerte, daß in dieser Inszenierung die Arie von 'Ziege und Ziegenbock', „Il capro et la capretta“ gestrichen war, eine Arie, die die Partie der Marcellina enorm aufwertet und die man gern von ihr gehört hätte.
Aufhorchen ließ das edle Stimmtimbre der lyrischen Sopranistin Marie Maidowski als Barbarina in ihrer Cavatine von der verlorenen Nadel.
Die weiteren gesanglichen und darstellerischen Darbietungen kamen von Han Kim als Don Bartolo u.a. mit seiner gelungenen Rachearie, Manuel Günther als intriganter Don Basilio, Peter Galliard als Don Curzio, und Keith Klein in seinen humoresken Auftritten als grün gekleideter Gärtner Antonio mit roter Perücke. Sie alle ergänzten das hochkarätige Ensemble vortrefflich.

Die musikalische Leitung des Philharmonischen Staatsorchesters hatte Nicholas Carter, seines Zeichens designierter GMD des Staatstheaters Stuttgart. Unter seiner inspirierten Führung musizierte es denn auch energiegeladen, effektfreudig und spannungsreich, bestach durch Präzision und Klangbalance. Den Solisten auf der Bühne war er ein aufmerksamer Begleiter. Herausgekommen war ein wunderbar authentischer Mozart-Abend, der keinerlei Wünsche offen ließ.
Vor Beginn der Vorstellung hielt der Hamburger Kultursenator Brosda eine Laudatio, in der er die 10jährige Intendanz von Georges Delnon an der Hamburger Staatsoper würdigte. Im Anschluss an die Vorstellung gab es eine Abschiedsfeier mit Wein, Sekt, Bier und Häppchen, die vonseiten des Publikums regen Zuspruch fand.