Wuppertal, Oper Wuppertal, Luisa Miller - Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 22.12.2018

Wuppertal, Oper Wuppertal, Luisa Miller - Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 22.12.2018

Wuppertaler Bühnen

Opernhaus Wuppertal © Andreas Fischer
Opernhaus Wuppertal © Andreas Fischer

Luisa Miller - Giuseppe Verdi

Oper Wuppertal - Mit gefeierter Inszenierung auf gutem Weg zu neuen Ufern

Von Viktor Jarosch

Die Oper Wuppertal hat die „schweren Jahre der Selbstfindung" – ob Opera Stagione oder Produktionen mit eigenem Ensemble – wohl hinter sich. Die Premiere von Luisa Miller, eine Kooperation mit der Londoner English National Opera, wurde vom Publikum überschwänglich gefeiert: Die Inszenierung modern wie stimmig; ein überraschend starkes Ensemble; ein sensibles Orchester. Die Oper Wuppertal, auch dank Luisa Miller, reiht sich wieder ein, mit großen Produktionen und einem starken Ensemble, in die großen Theater NRW´s.

Friedrich von Schiller war Opfer zahlreicher Ungerechtigkeiten und Fürstenwillkür. Unter dem württembergischen Herzog Carl Eugen, welcher sein verschwenderisches Hofleben nach dem Versailler Hof ausrichtete, musste er 1782, nach Uraufführung seines Dramas Die Räuber, fliehen; zunächst nach Mannheim, wo er am Nationaltheater arbeitete. Als Herzog Carl Eugen sich um seine Auslieferung bemühte, zog Schiller unter falschem Namen nach Thüringen, wo er Kabale und Liebe vollendete. Kabale und Liebe, oder Luise Millerin – wie es ursprünglich hieß -, wurde zum erneuten Protest gegen Willkür der Adelsschicht; doch nicht, wie Die Räuber in „rohem“ sondern in „gepflegtem“ Gewand.

Luisa Miller, vierzehnte von Verdis 28 Opern, abgeleitet von Schillers Drama Kabale und Liebe, ist komplex und anspruchsvoll, ist Verdis erstes „bürgerliche Trauerspiel“. Kabale und Liebe reflektiert die politischen Unruhen des Jahres 1848, die in ganz Europa zur Auflehnung gegen herrschende Adelsklasse, gegen die Zwänge der Ständegesellschaft führten. Das Herz Verdis, des „Bauern von Roncole“ schlug ebenfalls für Bauern und Bürgertum. Als Vincenco Flauto, Intendant des Teatro San Carlo Neapel, ihn 1849 aufforderte, bestehenden Kompositions-Verpflichtungen nachzukommen, beschloss er unter Beachtung heikler Zensurverhältnisse und damaligem Kompositions-verständnis Schillers Kabale und Liebe zu vertonen. Luisa Miller wurde nie populär, doch steht sie kompositorisch Verdis erfolgreichen Werken in nichts nach.

Oper Wuppertal / Luisa Miller - hier : Vater Miller, Luisa als Kind und Clowns des Lebens © Jens Grossmann
Oper Wuppertal / Luisa Miller - hier : Vater Miller, Luisa als Kind und Clowns des Lebens © Jens Grossmann

Luisa Miller, wie Kabale und Liebe, gehören zu den ersten großen Opern / Dramen, in welchen Glanz, Intrige und Liebe zwischen Adel und Bürgertum changieren. Luisa, die Tochter des Stadtmusikanten Miller und Rodolfo, Sohn des adligen Il Conte di Walter, haben sich verliebt. Doch diese nicht standesgemäße Liaison wird von ihren Vätern abgelehnt: Miller möchte seine Tochter immer bei sich haben, akzeptiert nicht ihr Erwachsenwerden. Il Conte di Walter, von Habgier und Amoral innerlich zerfressen, sucht eigenes Verhalten auf seinen Sohn Rodolfo zu projizieren. Doch Rodolfo rebelliert gegen seinen Vater und will mit der jungen, geliebten Luisa aus der von Gier und Gewalt getriebenen Welt des Vaters ausbrechen. Wurm, selbst an Luisa interessiert, spinnt, im eigenen Mittelmaß wirkend, zahlreiche Intrigen, an welchen Rodolfo und Luisa letztlich zerbrechen, sterben.

Die tschechische Regisseurin Barbora Horakova mit Andrew Liebermann (Bühne) und Eva Maria van Acker (Kostüme) schaffen in Wuppertal bei klarem, hellem sich stets sanft wandelndem Bühnenbild eine moderne Inszenierung von beständig hoher Spannung. Eine brillant detailreiche Choreographie treibt die heterogen Handelnden von einem unschuldig eröffnenden Tanz letztlich in die Katastrophe. So öffnen zur Ouvertüre am Bühnenrand ein Junge und ein Mädchen, Rodolfo und Luisa noch als Kinder, einen Geschenkkarton, finden darin Malstifte und einen Teddy und zeichnen die Worte Intrigo und Amore (Kabale – Liebe) in großen Lettern, auf Wände links und rechts der Bühne; die ihr kommendes Leben zeichnenden Werte: Farbe und „Schmierereien“ an Wänden werden so zu Teil der Choreographie, der Inszenierung: Die hellen Wände wie die Worte Intrigo und Amore begleiten das Drama bildhaft durch den Abend: Unauffällig aber beständig verwischen vier Tänzer die zwei Worte, die Bühnenwände wie sich selbst mit dunklen Farben. So sind die am Ende schwarz verschmierten Wände sichtbarer Ausdruck der tragisch gescheiterten Intrigen.

Oper Wuppertal / Luisa Miller - hier : Rodolfo und Luisa © Jens Grossmann
Oper Wuppertal / Luisa Miller - hier : Rodolfo und Luisa © Jens Grossmann

Bereits das erste frohsinnige Bild der Inszenierung bannt den Besucher: Auf weitgehend leerer heller Bühne feiert die Dorfgemeinschaft Luisas Geburtstag, singt in filigran clownesken Kostümen, Luisa umtänzelnd: „Ti desta, Luisa, regina de'cori; i monti già lambe un riso di luce“ (Erwache, Luisa, Königin der Herzen; schon wirft die Sonne ihre Strahlen auf die Berge). Luftballons und Luisa mit Engelsflügeln; Rodolfo, welcher Luisa einen Ring überreicht; Vater MillerMöge kein Unheil aus deiner Beziehung entstehen..“ zeichnen das Bild einer – noch - innig ungetrübten Liebesbeziehung. Doch die folgenden Szenen, wenn Il Conte di Walter seinen Sohn Rodolfo herausfordert: „Der Weg zum Königshof öffnet sich Dir… Gehorche, mein Wille ist Gesetz..“ deuten, bereiten den Weg in die Katastrophe.

Viel Symbolik und feine Choreographie zeichnen die Charaktere der Protagonisten. Wenn Wurm auf einem Gerüst sitzend ein Pendel schwingt, über Intrigen sinniert oder Masken aufzieht; wenn Luftballons immer wieder das frohe Leben signalisieren; wenn im Sterben der Luisa („Vater, nimm den letzten Gruß, segne mich“) im Hintergrund der Bühne Clowns mit Luftballons neues Leben signalisieren. So stützen in dieser Inszenierung vielfältige Symbolik und  Choreographie das Verständnis die Protagonisten und ihre Handeln.

Oper Wuppertal / Luisa Miller - hier : Miller und Tragik abbildende Clowns © Jens Grossmann
Oper Wuppertal / Luisa Miller - hier : Miller und Tragik abbildende Clowns © Jens Grossmann

Das starke eigene Ensemble der Oper Wuppertal und Gäste formten die stimmlich so anspruchsvolle Oper: Izabela Matula zeichnet Luisa ihre anspruchsvollen Sopranarien mit dem frühen Beginn die wechselnden Charaktere, vom unschuldigen Mädchen zur getriebenen Frau, mit bleibend rundem Timbre und sicheren Koloraturen. Rodrigo Porras Garulo verkörpert als Rodolfo den rebellischen Sohn ebenso lebendig wie er als sterbend Liebender mit sensiblem, lyrischem Tenor die Besucher ergreift. Sebastian Campione überzeugt mit schwarzem Bass als fordernder, rücksichtsloser Il Conte di Walter; Michael Tews, mit und ohne Maske, ist mit wohl gefärbtem Bass der im Hintergrund beständig konspirierende Wurm. Anton Keremidtchiev agiert als Miller zurückhaltend, leise; doch seine anspruchsvolle Partie phrasiert er mit strahlendem Bariton. Nana Dzidziguri gestaltet als Frederica, Luisas Gegenspielerin, ihre Partie mit kräftigen Mezzo überzeugend.

Julias Jones führte das Sinfonieorchester Wuppertal schon zur Ouvertüre, mit den spielenden Kindern Luisa und Rodolfo am Bühnenrand, in präzisem Dirigat zu wunderbaren Klangfarben. Unser Erstaunen über die Sicherheit des Dirigats setzte sich fort, ergriff auch Streicher und auch die Bläser, welche mit zartesten Piani wie kräftigem Fortissimo verzauberten.

Der langanhalte begeisterte Schlussapplaus für Ensemble, Orchester und Regieteam hatte sich zuvor in zahlreichem Szenenapplaus angekündigt. Luisa Miller wird als Produktion wohl über Jahre auf dem Wuppertaler Spielplan bestehen und bestätigt zudem  die Stadtväter, in ihrer neuen Ausrichtung der Oper Wuppertal.

Luisa Miller an der Oper Wuppertal; die weiteren Termine: 22.12.2018; 27.1.; 17.2.; 28.2.2019

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