Von den gut zwei Dutzend Opern, die Massenet geschrieben hat, sind Manon, Werther und Cendrillon feste Bestandteile der internationalen Spielpläne. Allenfalls gehört noch seine 21. Oper Don Quichotte dazu, die 1910 in Monte Carlo aus der Taufe gehoben wurde. Kein Geringerer als Feodor Schaljapin sang damals die Titelrolle des Ritters von der traurigen Gestalt.
Das Libretto von Henri Cain fußt nicht direkt auf der Dichtung von Miguel Cervantes, sondern auf dem Theaterstück “Le Chevalier de la longue Figure“ von Jaques le Lorrain. Bei Massenet bekommt der Quichotte einen anderen Charakter. Aus dem “wirrköpfigen“ Ritter bei Cervantes wird ein Wohltäter und Idealist. Auch die von Quichotte angebetete Dulcinée erfährt eine Veränderung. Aus dem Bauernmädchen wird eine Kurtisane.
Die Handlung ist gut gegliedert und auf drei wesentliche Szenen beschränkt. “Leidenschaftlich bringt Quichotte der schönen Dulcinée ein Ständchen. Sie fordert ihn auf, ihr von Banditen geraubtes Diadem zurückzubringen. Im dichten Morgennebel verwechselt der Ritter einen Riesen mit einer Windmühle und wird von deren Flügeln fast erschlagen. Zusammen mit seinem treuen Gefährten Sancho Pansa stöbert er die Banditen auf, von denen er gefangen genommen wird und aufgehängt werden soll. Doch sein mit Inbrunst vorgetragenes Stoßgebet gen Himmel rührt die Räuber, sie lassen ihn frei und geben das geraubte Diadem zurück. Voller Glückseligkeit überreicht er Dulcinée das Diadem und hält um ihre Hand an. Doch sie weist ihn zurück und gibt sich ihm als Kurtisane zu erkennen. Gebrochenen Herzens und verhöhnt von allen flüchtet er mit Sancho Pansa in den Wald. Dort hört er zum letzten Mal die Stimme der Angebetenen und stirbt in Sanchos Armen“ (sinngemäß aus dem Programmheft übernommen).
Nun nahmen sich die Wuppertaler Bühnen des Werkes an und konnten einen respektablen Erfolg erzielen.
Die Inszenierung übernahm Jakob Peters-Messer, der in Wuppertal schon einige Werke erarbeitet hat. Seine sensible Personenführung schafft für die Sänger viele Freiräume, aber unterstützt auch die Formung des Charakters der jeweiligen Rolle. Mit kleinen Gesten schuf er poetische Stimmungen und fand ohne Effekthascherei zu spielerischer Leichtigkeit und zu einer klar verständlichen Aussage.
Kongenial ihm zur Seite sein Bühnen- und Kostümbildner Markus Meyer, der eine phantasievolle, aber farblich eintönige Ausstattung kreierte.
Einige Details: Quichottes Refugium ist eine hübsche fahrbare Badewanne. Für sein Ross Rosinante genügt eine Doppelleiter. Sancho Pansas voluminöses wattiertes Kostüm ist ebenso komisch, wie der Eselskopf hübsch. Die weiße Rückwand mit ihren Türen und Luken ermöglicht viele Effekte. Eine nicht gehende beleuchtete Wanduhr gibt Rätsel auf.
Am Pult stand Tobias Deutschmann, der den Spannungsgehalt der klangvollen Musik Massenets vorzüglich zur Geltung brachte. Dabei wurde er bestens unterstützt vom Sinfonieorchester Wuppertal, das glänzend disponiert war und dessen seidige Streicher wieder einmal hervorragend zur Geltung kamen.
Sehr gut klingend präsentierte sich der Chor der Wuppertaler Bühnen, den Jens Bingert einstudiert hatte.
Vokal ausgezeichnet und in der Gestaltung sehr spielintensiv überzeugten die Solisten.
John in Eichen blieb der diffizilen Rolle des Don Quichotte stimmlich und darstellerisch nichts schuldig. Wenngleich doch seine enge, nasale hohe Lage gewöhnungsbedürftig ist.
Mit prächtigem, gut klingenden Bass und wirklich überrumpelnder Ausstrahlung war Martin Js. Ohu ein idealer Sancho Pansa, dessen behände Körpersprache immer wieder verblüffte.
Ein glänzendes Rollenporträt zeichnete Joslyn Rechter. Ihre Dulcinée war in allen Situationen glaubhaft. Ihr feiner, in allen Lagen ansprechender
Mezzosopran, hatte viele Farben bereit für diese schillernde Figur, die Massenet mit musikalischer Opulenz ausgestattet hat.
Tadellos in Stimme und Spiel präsentierten sich die Sänger der mehr als ein halb Dutzend kleineren Rollen. Von ihnen gefiel besonders der Juan von Miljan
Milovic.
Das Publikum feierte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem, frenetischem Beifall. Diese Produktion sollte man unbedingt gesehen haben.