Salzburg, Landestheater, THE SOUND OF MUSIC – Richard Rogers, IOCO
Mit der Wiederaufnahme von „The Sound of Music“ zeigt das Salzburger Landestheater, wie viel Substanz in dem Musicalklassiker steckt: eine historisch wache, kitschfreie Inszenierung mit starkem Ensemble, berührender Maria und überwältigender Mutter Oberin.
von Marcus Haimerl
Kaum ein Musical ist so untrennbar mit einer Stadt verbunden wie The Sound of Music mit Salzburg. Während der Film seit 60 Jahren weltweit Millionen von Menschen zu den Originalschauplätzen zieht, blieb das Werk auf den heimischen Bühnen lange erstaunlich unterrepräsentiert. Das Salzburger Landestheater wagte vor gut einem Jahrzehnt eine umfassende Neubewertung des Stoffes – und schuf damit eine erfolgreiche Produktion, die sich tief ins kulturelle Selbstverständnis der Stadt eingeschrieben hat.
Mit der Wiederaufnahme der Inszenierung von Andreas Gergen und Christian Struppeck kehrt nun ein Stück Musiktheater zurück, das Salzburg nicht nur touristisch, sondern auch historisch und emotional prägt. Das Landestheater präsentiert sich dabei erneut als jene Institution, die zwischen Tradition, regionaler Identität und internationaler Ausstrahlung souverän vermittelt – ein Haus, das Geschichten aus Salzburg erzählt, ohne sich dabei der Folklore auszuliefern. Die Geschichte der Familie Trapp gehört heute zu den bekanntesten österreichischen Emigrationsbiografien des 20. Jahrhunderts, begann jedoch weit nüchterner, als es Musical und Film später nahelegten. Georg Ritter von Trapp, 1880 im heutigen Zadar geboren und als Offizier der k.u.k. Marine ausgezeichnet, verlor 1922 seine Ehefrau Agathe und stand mit sieben Kindern allein da, als die Lehrerin Maria Augusta Kutschera in sein Haus kam – zunächst als Gouvernante für die kranke Tochter. Aus der Anstellung entwickelte sich eine Verbindung, die 1927 zur Hochzeit führte. Die musikalische Begabung der Familie wurde früh gefördert und führte in der Folge zu ersten öffentlichen Auftritten. Mit dem „Anschluss“ 1938 verweigerten die Trapps den Nationalsozialisten jede Form der Vereinnahmung. Die Flucht aus Österreich erfolgte nicht – wie der Film nahelegt – über die Berge, sondern mit dem Zug über Italien. In den USA gründeten sie die Trapp Family Singers, tourten über Jahre hinweg durch das Land und erlangten große Popularität. Ihre Lebensgeschichte verband Glauben, familiären Zusammenhalt und politisches Gewissen – und wurde so zu jener biografischen Grundlage, aus der später ein weltweiter Mythos werden sollte.
Die Geschichte der Trapp-Familie fand ihren ersten künstlerischen Niederschlag in Maria Augusta Trapps Buch „The Story of the Trapp Family Singers“ (1949), in dem sie die familiären Anfänge, die Flucht aus Österreich und das neue Leben in den USA aus persönlicher Perspektive schildert. Das Buch wurde in den USA ein Bestseller und bildete die Grundlage für mehrere dramatische Bearbeitungen, darunter ein deutscher Film (Die Trapp-Familie, 1956) – und schließlich das Musical.
Als Broadway-Komponist Richard Rodgers und Librettist Oscar Hammerstein II den Stoff Ende der 1950er-Jahre aufgriffen, sahen sie darin weit mehr als eine biografische Anekdote. Für das erfolgreichste Musicalduo ihrer Zeit (Oklahoma!, Carousel, South Pacific, The King and I) verband die Geschichte Elemente, die im amerikanischen Musiktheater selten so eng beieinanderlagen: familiäre Wärme, Humor, Spiritualität und ein politisch aufgeladener Hintergrund. 1959 brachten Rodgers & Hammerstein The Sound of Music am Broadway heraus – ihr letztes gemeinsames Werk und eines, das moralische Haltung und musikalische Eingängigkeit ideal verbindet. Dass das Musical rasch zum Welterfolg wurde, lag nicht nur an seinen unvergesslichen Melodien, sondern auch an der Klarheit, mit der es Themen wie Gewissen, Verantwortung und Widerstand erzählt.

Der internationale Durchbruch der Trapp-Geschichte erfolgte 1965 mit der Verfilmung von The Sound of Music unter der Regie von Robert Wise. Gedreht an zahlreichen Originalschauplätzen in Salzburg und Umgebung, wurde der Film mit Julie Andrews als Maria und Christopher Plummer als Georg von Trapp zu einem weltweiten Phänomen. Mit seiner farbintensiven Cinemascope-Ästhetik, den orchestrierten Landschaftspanoramen und einer bis heute unerreichten musikalischen Leichtigkeit prägte der Film das globale Bild Salzburgs nachhaltiger als jede touristische Kampagne. Der Erfolg war so gewaltig, dass The Sound of Music in den USA ungewöhnlich lange in den Kinos lief – insgesamt über vier Jahre –, wobei der Film allein im New Yorker Rivoli Theatre mehr als zwei Jahre ununterbrochen auf dem Spielplan stand. Eine derart lang anhaltende Präsenz ist in der amerikanischen Kinogeschichte bis heute eine Rarität.
Während das Musical am Broadway bereits große Erfolge gefeiert hatte, erreichte die Filmversion eine kulturelle Durchdringung von bis dahin ungekannter Intensität: In den USA wurde der Film zum generationsprägenden Familienklassiker, international zum populärkulturellen Fixpunkt – und Salzburg selbst zu einem mythisch aufgeladenen Ort zwischen Postkartenidylle und musikalischer Erinnerung. Österreich begegnete diesem Erfolg lange mit Zurückhaltung; erst spät erkannte man das Potenzial, das in der Verbindung von realer Geschichte, internationalem Mythos und lokalem Selbstverständnis liegt. Zum 60-jährigen Filmjubiläum erfährt Salzburg nun eine erneute Welle weltweiter Aufmerksamkeit – ein Jubiläum, dessen kulturellen Nachhall das Landestheater mit der Wiederaufnahme seiner Erfolgsproduktion bewusst aufgreift.
The Sound of Music erzählt die Geschichte der jungen Novizin Maria Rainer, die im Salzburger Stift Nonnberg lebt, jedoch aufgrund ihrer Lebhaftigkeit und Unkonventionalität mit dem klösterlichen Alltag hadert. Die Mutter Oberin schickt sie daher als Gouvernante zur Familie des verwitweten Marineoffiziers Georg von Trapp, der seine sieben Kinder mit militärischer Strenge erzieht. Maria gelingt es rasch, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und mit ihrer Offenheit und Musikalität neue Lebensfreude in die Villa Trapp zu bringen. Zwischen ihr und dem Kapitän entwickelt sich allmählich eine Beziehung, die jedoch durch dessen geplante Verlobung mit der mondänen Elsa Schrader überschattet wird. Parallel dazu beginnt die älteste Tochter Liesl eine zunächst harmlose Romanze mit dem Postboten Rolf, der zunehmend in den Sog der politischen Entwicklungen gerät. Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich spitzt sich die Lage für die Familie Trapp zu: Georg lehnt die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten entschieden ab, und die Familie steht vor der Wahl zwischen Anpassung und Flucht. Nach einem öffentlichen Konzertauftritt nutzen sie ihre letzte Chance und entziehen sich der Vereinnahmung, indem sie das Land verlassen. The Sound of Music verbindet damit eine Familiengeschichte voller Humor, Wärme und musikalischer Leichtigkeit mit einem ernsten politischen Hintergrund, der die Handlung zunehmend prägt und ihr bis heute Relevanz verleiht.

Die seit 2011 gepflegte Inszenierung von Andreas Gergen und Christian Struppeck behauptet sich in der Wiederaufnahme als ein klug konstruiertes, präzise geführtes Musiktheater, das den Musicalklassiker konsequent aus der Postkartenästhetik löst und in ein historisch reflektiertes Erzählen überführt. Gergen begegnet dem Stoff weder mit ironischer Brechung noch mit nostalgischer Überhöhung, sondern mit einem ernsthaften Interesse an Figuren, Situation und Zeitgeschichte. Bereits der Abendbeginn markiert diesen Ansatz unmissverständlich: Hinter einem durchscheinenden Vorhang flackert eine kurze, brutale Kampfszene aus dem Jahr 1945 auf – ein Bild, das den späteren Weg Rolfs antizipiert und zugleich die musikalische Heiterkeit des Stücks unter Spannung setzt. Immer wieder setzt Gergen solche Realitätsinterventionen: Während des Gewitters erscheint Rolf isoliert vor dem Vorhang, und ein Blitz lässt für den Bruchteil einer Sekunde das Bild Hitlers aufscheinen. Dezent, aber eindeutig markiert die Inszenierung damit, dass die Bedrohung nicht nur atmosphärisch, sondern politisch real ist. Ein besonders markanter Bruch erfolgt in der Hochzeitssequenz: Während die Trauung selbst hinter dem Vorhang stattfindet und nur als musikalisch-sakraler Klangraum wahrnehmbar bleibt, zeigt Gergen vor dem Vorhang eine Szene aus dem besetzten Salzburg, in der Nationalsozialisten jüdische Bürgerinnen und Bürger zur Straßenreinigung zwingen. Die Gleichzeitigkeit von liturgischer Feier im verdeckten Raum und alltäglicher Demütigung im sichtbaren Vordergrund erzeugt einen bitteren, schmerzhaften Kontrast. Es ist ein starkes Bild, das den historisch oft weichgezeichneten Mittelteil des Musicals erdet und die politische Härte jener Zeit unübersehbar macht – ein Eingriff, der den Stoff konsequent aus dem Wohlfühlterrain herausführt. Zwischen den markanten politischen Setzungen entfaltet die Inszenierung eine präzise geführte Personenregie, die intimen Szenen ebenso Struktur verleiht wie großen Ensembleszenen. Maria erscheint nicht als ikonische Filmfigur, sondern als junge Frau mit Mut, Zweifel und Offenheit; Georg zeigt sich weniger als autoritärer Patriarch denn als emotional verschlossener Mann, dessen Strenge aus Verletzung erwächst. Die Kinder agieren mit Natürlichkeit und rhythmischer Präzision. Ein zentraler verbindender Moment gelingt mit dem für die Verfilmung komponierten Lied „Zuversicht“ (I Have Confidence), das Gergen sensibel in die Bühnenfassung integriert. Die vorbeiziehende Allee der Projektion schafft eine klare visuelle Bewegung, die Marias inneren Übergang unterstützt, ohne zur technischen Schau zu werden.
Court Watsons Ausstattung verstärkt die dramaturgische Klarheit der Inszenierung. Ein abstrahierter grüner Hügel mit der markanten Salzburger Skyline bildet ein leitmotivisches Zeichen, das die Stadt präsent hält, ohne sie illustrativ abzubilden. Die Drehbühne ermöglicht fließende Übergänge zwischen Kloster, Villa Trapp und privaten Räumen; mit wenigen präzisen Elementen entstehen intime Szenen, die sich organisch in den Gesamtfluss einfügen. Im zweiten Akt rücken Regie und Ausstattung die politischen Konturen deutlicher in den Fokus. Die Festspielszene wirkt durch ihre kühle, monochrom gehaltene Abstraktion wie ein atmosphärisch zugespitzter Kontrast zur Wärme der Familienmomente, ohne das auffällige Symbolische zu strapazieren. Das Kloster wiederum erscheint als schlichter Innenhof, der den ernsten Ton des Finales trägt und die stille Haltung der Flucht unterstützt – ein Schluss, der ohne Pathos auskommt und gerade in seiner Zurücknahme berührt. Gemeinsam formen Regie und Ausstattung eine ästhetisch klare, historisch wachsame Lesart, die den Stoff entmythologisiert, ohne ihm die emotionale Wärme zu nehmen, und deutlich macht, dass The Sound of Music weit über nostalgische Harmonie hinausweist.
Die Kostüme, ebenfalls von Court Watson, folgen dieser klaren Ästhetik. Sie sind stilistisch stimmig in den späten 1930er-Jahren verankert, ohne museale Strenge. Die Nonnen kleidet Watson in einfache, authentisch wirkende Ordenskleidung; die Kinder tragen Matrosenanzüge, die die Strenge im Haus Trapp betonen, später jedoch durch farbigere Alltagskleidung eine Entwicklung zeigen. Maria ist in warmen, freundlichen Naturtönen gehalten, die ihren offenen Charakter unterstreichen. Elsa Schrader erscheint elegant, mondän und farblich pointiert – ein visueller Kontrast zu Marias Natürlichkeit. Die nationalsozialistischen Figuren wiederum sind bewusst reduziert und ohne plakative Exaktheit gestaltet; die Kostüme deuten an, ohne zu imitieren. Bühne und Kostüme formen gemeinsam einen klaren, dramaturgisch geschlossenen Bildkosmos, der das Musical nicht verklärt, sondern erdet – und damit den ästhetischen Grundton dieser Salzburger Produktion entscheidend prägt.
Alea Hagedorn gestaltet die Rolle der Maria mit einer Natürlichkeit und Wärme, die sofort für sich einnimmt. Ihr Spiel lebt von einer offenen, unprätentiösen Ausstrahlung, die die Figur nicht als Musical-Ikone, sondern als junge Frau in einem Moment des Übergangs ernst nimmt. Hagedorn verbindet Unbefangenheit mit innerer Wachheit – eine Maria, die staunt, zweifelt, lacht, ringt und sich in jedem Moment authentisch zeigt. Stimmlich verfügt sie über einen klar geführten Sopran, der ohne Druck auskommt und dennoch eine sichere Strahlkraft besitzt. Besonders in den lyrischen Passagen – etwa im Titellied oder in den ruhigen Momenten mit den Kindern – überzeugt sie mit sauberer Linienführung und einem Timbre, das unmittelbar anspricht. In „Zuversicht“ zeigt sie zudem ein feines Gespür für Übergänge: Sie verbindet den musikalischen Schwung des Songs mit einer glaubwürdigen emotionalen Entwicklung und nutzt die Videoprojektion im Hintergrund nicht als Effekt, sondern als Resonanzraum ihres inneren Weges. Die Szene gewinnt gerade dadurch an Kraft, dass Hagedorn sie nicht als Musicalnummer ausstellt, sondern als Moment der Selbstvergewisserung spielt. Im Zusammenspiel mit den Trapp-Kindern entwickelt sie eine bemerkenswerte natürliche Autorität – nie belehrend, immer zugewandt. Die Kinder folgen ihr nicht, weil die Regie es verlangt, sondern weil Hagedorns Maria ein Zentrum darstellt, das Wärme, Kreativität und Mut ausstrahlt. Auch den emotional komplexeren Szenen des zweiten Akts begegnet sie mit großer Geschmeidigkeit: Maria wird bei ihr nicht zur Heldin, sondern zu einer Frau, die ihren Weg findet, indem sie ihn geht – mit offenen Augen, mit Fehlern, mit Entschlossenheit.

Lukas Perman gestaltet den Kapitän Georg von Trapp als eine Figur, die weniger über äußere Strenge als über eine innere, still getragene Disziplin definiert ist. Sein Georg ist ein Mann, der sich hinter Ordnung und Prinzipien schützt, weil er den Verlust seiner Frau nie wirklich verarbeitet hat – eine Sichtweise, die Perman mit größter Ernsthaftigkeit und deutlicher emotionaler Aufmerksamkeit verfolgt. Darstellerisch überzeugt er durch eine ruhige, kontrollierte Körpersprache, die den militärischen Hintergrund der Figur vermittelt. Besonders im ersten Akt gelingt ihm die Zeichnung eines Mannes, der aus Gewohnheit streng wirkt, aber eigentlich verletzlich ist. Wenn sich diese Strenge im Zusammenspiel mit Maria allmählich löst, wirkt das glaubwürdig: nicht als plötzlicher Umschwung, sondern als allmähliches Auftauen, sorgfältig aufgebaut und psychologisch stimmig. Stimmlich bietet Perman eine solide, sauber geführte Interpretation. Seine Gestaltung von „Edelweiss“ ist auf berührende Weise reduziert – ohne opernhafte Geste, ohne Pathos, getragen von Schlichtheit und ruhiger Emotionalität. Gerade dieser zurückgenommene Zugriff passt gut zu einer Inszenierung, die auf klare Linien und Kitschvermeidung setzt. Im Zusammenspiel mit Alea Hagedorn entwickelt sich ein partnerschaftliches, organisch wachsendes Bühnenverhältnis. Perman baut keine Heroisierung auf, sondern zeigt einen Mann, der neu lernen muss, Nähe zuzulassen und Verantwortung nicht allein über Disziplin zu definieren.
Die Kinderrollen gehören traditionell zu den größten Herausforderungen jeder Sound of Music-Produktion – umso erfreulicher ist die Qualität des Salzburger Ensembles, das von Beginn an durch Natürlichkeit, Präzision und eine beeindruckende Bühnenpräsenz überzeugt.
Maria Strassl gestaltet die älteste Tochter Liesl mit einer feinen Balance aus jugendlicher Unsicherheit und wachsendem Selbstbewusstsein. Ihr Spiel wirkt impulsiv und offen, getragen von einer natürlichen Bühnenpräsenz, die besonders im Duett mit Rolf eine glaubwürdige, szenisch wie musikalisch überzeugende Coming-of-Age-Momente entstehen lässt.
Auch die übrigen Kinder überzeugen als geschlossenes, lebendiges Ensemble, das in keiner Sekunde auf einstudierte Niedlichkeit reduziert ist. Ihre Szenen wirken durchweg organisch: Friedrichs (Daniel Fussek) klare Energie, Louisas (Alma Tomasi) verschmitzte Leichtigkeit, Kurts (Matthias Schorn-Roubin) feinsinnige komödiantische Momente, Brigittas (Magdalena Spicker) nachdenkliche Ruhe sowie die spielerische Natürlichkeit von Marta (Sophie Fellner) und Gretl (Matilda Crewe) fügen sich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Gemeinsam entwickeln sie eine familiäre Dynamik, die nicht konstruiert, sondern selbstverständlich wirkt – getragen von sauberer stimmlicher Führung, präzisem Timing und einem erfrischenden, ungezwungenen Spielsinn. Die großen Ensemblenummern – „Do-Re-Mi“, die Pyjama-Szene („Der Ziegenhirte“) oder „So long, farewell“ – profitieren besonders von dieser Geschlossenheit. Hier zeigt sich, wie sorgfältig das Kinderensemble geführt ist: Jede Bewegung hat Sinn, jeder Einsatz sitzt, und trotzdem bleibt die Szene lebendig und offen, frei von jeglicher Mechanik. Die Trapp-Kinder bilden ein starkes, homogenes Kernstück dieser Produktion – ein Ensemble, das mit Natürlichkeit, Präzision und echter Spielfreude beeindruckt.
Thomas Wegscheider gestaltet den Max Dettweiler mit jener Mischung aus Charme, Witz und kalkulierter Beweglichkeit, die diese Figur braucht, um zwischen leichter Komik und politischer Schattenzone glaubhaft zu bestehen. Sein Max ist kein bloßer Entertainer, sondern ein Mann, der Chancen erkennt und nutzt – ein Opportunist mit Humor, der in der Salzburger Inszenierung jedoch nicht zur Karikatur gerät, sondern als vielschichtige Figur sichtbar bleibt. Wegscheider verfügt über ein präzises Timing und ein ausgezeichnetes Gespür für Zwischentöne: Seine Sätze sitzen, seine Gesten sind bewusst gesetzt, und dennoch wirkt seine Darstellung nie bemüht, sondern aus dem Moment heraus. Besonders in den Szenen mit Elsa zeigt er ein feines, gut eingespieltes Zusammenspiel – zwei Menschen, die den Lauf der Dinge eher begleiten als gestalten und deren Haltung Gergen bewusst ambivalent zeichnet. Musikalisch überzeugt Wegscheider mit sauberer Linienführung und einem klaren, gut projizierten Bariton. „Kein Mensch kann es ändern“ wird bei ihm zu einem kleinen kabarettistischen Kunststück: leichtfüßig, elegant, aber durch die kurze politische Brechung der Inszenierung zugleich mit einem Stich ins Bittere versehen. Wegscheider trägt diese Ambivalenz souverän – sein Max bleibt charmant, verliert aber nie jene moralische Unentschlossenheit, die ihn dramaturgisch so interessant macht. Thomas Wegscheider ist ein glänzend geführter Max Dettweiler, dargestellt mit spürbarem Einsatz und Lebendigkeit, musikalisch sicher und darstellerisch präzise – eine der prägnantesten Nebenrollenleistungen des Abends.

Larissa Enzi zeichnet Elsa Schrader als mondäne, selbstbewusste Frau, deren Eleganz und gesellschaftliche Souveränität von Beginn an sichtbar sind. Sie setzt die Figur nicht als Antagonistin, sondern als kluge, weltgewandte Persönlichkeit in Szene, die ihren Platz in der Welt kennt und ihn mit ruhiger Kontur behauptet. Stimmlich überzeugt Enzi mit klarer Linienführung und einem sicheren, geschmackvoll gesetzten vokalen Ausdruck und überzeugt mit nuancierter Charakterzeichnung und einem Spiel, das sich schlüssig in die ästhetische und dramaturgische Linie der Produktion einfügt.
Frances Pappas gestaltet die Mutter Oberin mit einer beeindruckenden Mischung aus spiritueller Autorität, menschlicher Wärme und vokaler Souveränität. Ihre Bühnenpräsenz ist von einer Ruhe getragen, die sich ohne jede Strenge entfaltet: eine Frau, die zuhört, erkennt, leitet – und dabei stets glaubwürdig zwischen klösterlicher Disziplin und aufrichtiger Anteilnahme vermittelt. Stimmlich jedoch setzt Pappas Maßstäbe. Ihr „Über die Berge“ („Climb Every Mountain“) gehört zu den eindrucksvollsten Momenten des Abends: kraftvoll getragen, vollkommen fokussiert, mit einer Höhe, die mühelos strahlt, und einer emotionalen Klarheit, die selten zu erleben ist. Pappas verbindet technische Perfektion mit einem tief empfundenen Ausdruck – sie singt nicht nur eine Lebensweisheit, sie verkörpert sie. Auch in den leisen Szenen, in denen Maria Orientierung sucht, überzeugt sie mit nuanciertem Spiel und einer inneren Ruhe, die sich unmittelbar auf das Publikum überträgt. Ihre Mutter Oberin ist keine strenge Autoritätsfigur, sondern eine Frau von Haltung und Weisheit, die versteht, dass Mitgefühl und Mut manchmal stärkere Kräfte sind als Regeln. Frances Pappas bietet eine außergewöhnliche Interpretation der Mutter Oberin – stimmlich überragend, darstellerisch tief verankert und ein zentraler Ankerpunkt dieser Produktion.
Lukas Weinberger zeichnet Rolf Gruber als jungen Mann, der sich zwischen jugendlicher Unsicherheit und politischer Verführung bewegt – eine Gratwanderung, die er mit bemerkenswerter Klarheit gestaltet. Zu Beginn wirkt sein Rolf freundlich, etwas schüchtern und von echter Zuneigung zu Liesl getragen. Weinberger nutzt diese Ausgangslage klug, um die Figur nicht zu schnell in ideologische Eindeutigkeiten kippen zu lassen: Der Wandel beginnt schleichend, in Haltung und Körpersprache, nicht in plakativen Gesten. Stimmlich überzeugt er mit sauber geführter Linie und angenehm hellem, gut fokussiertem Tenor. Das Duett „Sechzehn, beinah schon siebzehn“, gemeinsam mit Maria Strassl, gehört zu den heiteren Höhepunkten des Abends. Weinberger verbindet Leichtigkeit und spielerische Offenheit mit jener jugendlichen Naivität, die die Szene glaubwürdig und frisch wirken lässt. Im weiteren Verlauf nutzt er die dramaturgischen Eingriffe der Inszenierung – insbesondere die politischen Schattenmomente – sehr bewusst: Seine Präsenz während des Gewitters, später seine Haltung im zweiten Akt, zeigen einen Rolf, der zunehmend von Opportunismus und ideologischem Druck geprägt wird. Diese Entwicklung bleibt nachvollziehbar, weil Weinberger sie nicht überzeichnet, sondern fein dosiert andeutet. Lukas Weinberger bietet eine überzeugende Interpretation des Rolf Gruber – stimmlich sicher, darstellerisch wach und mit einem sensibel gestalteten Entwicklungspfad vom verliebten Buben zum Mitläufer.
Mona Akinola verleiht der Haushälterin Frau Schmidt eine angenehm klare Kontur. Sie gestaltet die Rolle mit präziser Kontur, feinem Timing und einer Natürlichkeit, die die Figur sofort verortet, ohne sie in komödiantische Überzeichnung zu drängen. Akinola trifft genau jene Balance zwischen Pflichtbewusstsein, Distanz und freundlicher Zugewandtheit, die Frau Schmidt in der Dramaturgie des Stückes braucht. In ihren Szenen schafft sie präzise gesetzte Momente, die das Familiengefüge im Haus Trapp glaubhaft ergänzen. Eine unaufdringliche, aber sehr wirkungsvolle Nebenrolle, sorgfältig und lebendig geführt.

Alexander Hüttner zeichnet den Diener Franz mit ruhiger, unaufgeregter Charakterzeichnung und klarer Figurenführung. Seine Darstellung bleibt bewusst zurückgenommen – ein Mann, der seine Beobachtungen für sich behält und damit ein atmosphärisch wichtiges Element des Haushalts bildet. Hüttner gelingt es, Franz’ Haltung zwischen Loyalität und vorsichtiger Distanz glaubwürdig zu vermitteln, ohne die Figur zu überzeichnen oder zu verflachen. Eine solide, verlässliche Nebenrolle, die in ihrer Schlichtheit zum stimmigen Gesamtbild der Inszenierung beiträgt.
Das Nonnen-Trio mit Julia Rath (Schwester Bertha), Beth Jones (Schwester Margareta) und Electra Lochhead (Schwester Sophia) fügt sich mit stimmiger Ensemblepräzision und feinem Gespür für komödiantische Nuancen in die Produktion ein. Die drei gestalten ihre Szenen mit jener Mischung aus klösterlicher Strenge, menschlicher Wärme und subtiler Ironie, die die Regie anlegt, ohne jemals ins Übertriebene zu kippen. Besonders in den Ensemblepassagen entsteht durch ihre klaren Stimmen und ihre präzise abgestimmte Interaktion ein überzeugendes, harmonisches Klangbild. Gemeinsam tragen sie dazu bei, das geistliche Umfeld des Stücks glaubwürdig, lebendig und mit leichtem Witz zu zeichnen.
Luca Noél Bock gestaltet den Herrn Zeller mit klarer, bestimmter Haltung. Er zeigt die Figur als pflichtbewussten Funktionär, der die wachsende politische Strenge der Zeit verkörpert, ohne in offene Dämonisierung oder plakative Härte zu driften. Bock nutzt kleine, sorgfältig gesetzte Gesten und ein kontrolliertes Spiel, um die Ideologie, die Zeller repräsentiert, spürbar zu machen. Damit trägt er entscheidend zur atmosphärischen Verdichtung des zweiten Akts bei. Eine präzise, konzentrierte Charakterstudie, die die politischen Schatten der Handlung klar konturiert.
Gregor Schulz gibt den Admiral Schreiber mit dezenter Autorität und einer angenehm nüchternen Bühnenpräsenz. Er zeichnet die Figur ohne Pathos oder Übertreibung und setzt stattdessen auf ruhige, klare Linien, die dem militärischen Hintergrund des Charakters entsprechen. Schulz bringt Schreiber als sachlich auftretenden Offizier ein, dessen Rolle im zweiten Akt vor allem atmosphärische und dramaturgische Funktionen erfüllt – und genau diese erfüllt er souverän, konzentriert und mit verlässlicher Bühnenpräzision.
Unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Götz entfaltet die Produktion einen klar strukturierten, gut ausbalancierten Klang. Götz führt das Ensemble mit sicherem Gespür für Stil und Timing, hält die Nummern rhythmisch präzise zusammen und wahrt eine angenehme Transparenz, die den Übergängen zwischen gesprochenen und gesungenen Szenen zugutekommt. Das Zusammenspiel mit der Bühne wirkt jederzeit aufmerksam und kontrolliert, ohne die musikalische Leichtigkeit des Stücks zu verlieren. Das Mozarteumorchester Salzburg präsentiert sich dabei als verlässlicher Partner im Graben: klanglich differenziert, sauber geführt und mit jener Mischung aus Wärme und Präzision, die diese Partitur benötigt. Die orchestralen Farben werden mit Geschmeidigkeit gezeichnet, ohne aufdringlich zu wirken – die Musik trägt den Abend, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Der Chor des Salzburger Landestheaters, einstudiert von Mario El Fakih, überzeugt mit homogener Klangbildung und hoher Textklarheit. Die Chorszenen besitzen Geschlossenheit, und gerade die klösterlichen Momente entfalten eine ruhige, konzentrierte Intensität. Das Ballett des Hauses ist dezent, aber effektiv eingesetzt. Die choreografischen Elemente (Choreografie: Kim Duddy) unterstützen die Dynamik der Inszenierung, ohne sich in den Vordergrund zu drängen – kleine Bewegungsbilder, die stimmig in die Gesamtszenerie verwoben sind.

Mit der Wiederaufnahme von The Sound of Music zeigt das Salzburger Landestheater eindrucksvoll, wie viel Substanz in diesem lange unterschätzten Musical steckt. Die Inszenierung von Andreas Gergen und Christian Struppeck verbindet erzählerische Klarheit mit einem feinen Gespür für historische Spannung und vermeidet konsequent jene touristische Verklärung, die den Stoff jahrzehntelang begleitet hat. Die Ausstattung von Court Watson, die musikalische Leitung von Wolfgang Götz und das engagierte Spiel des gesamten Ensembles formen einen Abend, der ausgewogen, sorgfältig gearbeitet und berührend ist. Besonders hervorzuheben sind die Leistungen von Alea Hagedorn als glaubwürdige, herzliche Maria sowie Frances Pappas, die als Mutter Oberin einen musikalischen Höhepunkt von außergewöhnlicher Qualität setzt. Das Publikum würdigte den Abend mit stehenden Ovationen, die deutlich machten, wie sehr diese Produktion auch in ihrer Wiederaufnahme berührt und begeistert. Im Anschluss wurden „The Sound of Music“, „Do-Re-Mi“ und „Edelweiss“ gemeinsam mit dem Publikum gesungen – ein warmes, verbindendes Finale, das die besondere Beziehung Salzburgs zu diesem Stoff noch einmal eindrucksvoll spürbar machte. So gelingt dem Landestheater ein atmosphärisch dichter Abend, der Tradition und Gegenwart miteinander verbindet – und mit spürbarem Einsatz und Lebendigkeit die zeitlose Kraft dieser Geschichte freilegt.