Paris, Opéra-Comique, Chasing Rainbows, IOCO
13.12.2025
Chasing Rainbows…
Edelweiss, Edelweiss
Every morning you greet me
Small and white,
clean and bright
You look happy to me,
Blossom of snow
may you bloom and grow,
Bloom and grow forever.
Edelweiss, Edelweiss
Bless my homeland forever.
(Auszug aus The Sound of Music/Rodgers & Hammerstein)
Hommage à Julie Andrews…
Die französische Mezzo-Sopranistin Lea Desandre, der britische Dirigent Thomas Dunford und seine treue Theorbe mit dem Ensemble Jupiter laden uns ein, das Repertoire von Julie Andrews, einer unvergesslichen Verkörperung von Mary Poppins und einer Sinnfigur für Träume, Sanftmut und Poesie, für einen Abend zu entdecken. Es erwarten uns die schönsten Songs von Leonard Bernstein (1918-1990), Henry Mancini (1924-1994), Richard Rodger (1902-1979) & Oscar Hammerstein II. (1895-1960), Sandy Wilson (1924-2014), Noël Coward (1899-1973), Robert B. Sherman (1925-2012) & Richard M. Sherman (1928-2024), Frederick Loewe (1901-1988), Carol Burnett (*1933) & Julie Andrews (*1935).
Für unsere gemeinsame Menschlichkeit…
Andrews verfasst einen leidenschaftlichen Essay, in dem sie Donald Trump (*1946) dringend auffordert, die Kunstförderung nicht zu kürzen: „Die Künste sind grundlegend für unsere gemeinsame Menschlichkeit. Das ist für uns unfassbar, wenn man bedenkt, wie sehr die Künste unser Leben und unsere Welt bereichern“, schrieb die legendäre Schauspielerin und Sängerin. Andrews und ihre Tochter Emma Walton Hamilton schrieben einen Meinungsbetrag für CNN, in dem sie gewählte Vertreter und Einzelpersonen dazu aufriefen, sich für den Erhalt der Finanzierung der Künste einzusetzen, als Reaktion auf den Haushaltsvorschlag von Präsident Trump.

Der veröffentliche Vorschlag sah die Streichung der Fördermittel für die National Endowment for the Arts, die National Endowment for the Humanities und die Corporation for Public Broadcasting vor – eine wichtige Finanzierungsquelle für PBS und NPR. „Das ist für uns unfassbar, wenn man bedenkt, wie sehr die Künste unser Leben bereichern“, schrieben Andrews (91 Jahre) Hamilton (63 Jahre) in ihrem Artikel. „Sie fördern Zusammenarbeit und Kreativität – unerlässliche Fähigkeiten, um sich im Berufsleben zurechtzufinden und in einer anspruchsvollen Welt zu bestehen“.
Sie führten weiter aus: „Sie fördern Empathie und Toleranz, indem sie kulturelle und sozioökonomische Gräben überbrücken. Sie sind auch gut fürs Geschäft: Sie kurbeln die Stadterneuerung an, fördern den Tourismus und generieren jährlich Hunderte von Milliarden Dollar an wirtschaftlicher Aktivität“. Sie zählten auf, wie die Künste sowohl ihr berufliches Leben bereichert haben und sagten: „Julie hat im Laufe der Jahrzehnte von unzähligen Menschen gehört, die der Meinung sind, dass ihr Leben durch die Inspiration, den Trost und das Gefühl der Verbundenheit bereichert wurde, die sie durch die Musik, Geschichten, Filme und Produktionen erhielten, an denen sie das Glück hatte, mitzuwirken“.

Das Bay Street Theatre von Hamilton in New York, das Programme für junges Publikum anbietet, hat ihr die Möglichkeit gegeben, zu beobachten, wie „junge Menschen ohne vorherige Orientierung ihre Stimme und ihre Leidenschaft entdecken, ihre schulischen Leistungen verbessern und, was vielleicht am wichtigsten ist, durch die Teilnahme an kunstbasierten Programmen zu mitfühlenden, engagierten Bürgern heranwachsen“. Das Mutter-Tochter-Gespann wies darauf hin, dass arme innerstädtische und ländliche Gemeinden, deren Zugang zu solchen Ressourcen ohnehin schon begrenzt ist, die Folgen dieser Verluste am stärksten zu spüren bekommen werden.
Die New York Times berichtete, dass dies das erste Mal sei, dass ein Präsident die Abschaffung der Stiftungsfonds gefordert habe! „Die Künste sind grundlegend für unser gemeinsames Menschsein“, sagten Andrews und Hamilton. „Jedes Mal, wenn wir ins Theater, ins Museum oder zu einem Konzert gehen, nähren wir im wahrsten Sinne des Wortes unsere Seelen und investieren in unsere gemeinsame Zukunft, die wir bewahren“.

Zum Konzert in der Opéra-Comique / Paris am 13. Dezember 2025:
Auf der Jagd nach Regenbögen…
Unter all den traditionellen Weihnachtsshows, die nicht immer sonderlich originell sind, bildet Chasing Rainbows mit Desandre, Dunford und dem Ensemble Jupiter an der Opéra-Comique eine willkommene Ausnahme. Man mag sich fragen, wer die Zielgruppe für ein Programm ist, das sich ganz um Andrews dreht, die mittlerweile über 90-jährige Schauspielerin und Sängerin, die in den unvergesslichen Filmen und Musicals der 1960er-Jahre brillierte. Doch das Publikum am Samstagabend lieferte schnell die Antwort. Mary Poppins (1965), The Sound of Music (1966), My fair Lady (1964) – alle sangen noch immer die bekanntesten Melodien mit!
Wir müssen die Komposition dieses Programms loben, das Nostalgie weckt oder die Erinnerung an glücklichere Zeiten verklärt und gekonnt die bekanntesten und persönlichsten Aspekte von Julies Karriere miteinander verbindet. Mit Ausnahme der letzten Zugabe werden alle Songs in ihrer Originalsprache Englisch gesungen und zwar mit jener Perfektion, die Desandre von ihrem Vorbild übernommen hat – in Tonfall und Intonation, Gestik und Mimik. Äußerlich hat sie wenig mit Andrews gemein, doch sie versteht es, sie zu verkörpern, ohne sie zu imitieren oder ihre eigene Persönlichkeit zu verleugnen. Wir waren zunächst etwas besorgt, als berichtet wurde, die Mary Poppins-Sängerin sei nicht in Bestform! Desandre wirkte bei ihren ersten Songs zurückhaltend und vermied mitunter die höchsten Töne. Doch die Schauspielerin und Tänzerin machte die anfänglichen Schwächen der Sängerin mehr als wett und gewann das Publikum schnell für sich.

Um die Szenerie zu beschreiben, da wir uns in der Opéra-Comique befinden, spielt sich alles auf einer leeren Bühne ab, auf der die zwanzig Musiker des Ensemble Jupiter sitzen: Links und in der Mitte Streicher, Flöte und Oboe, rechts Klavier, Schlagzeug, Saxophon und Trompete – daher das anhaltende Gefühl eines Ungleichgewichts zwischen den Klangmassen -, zwei Hocker, eine Garderobe für zwei oder drei sichtbare Kostümwechsel und ein Lautenständer am Fuß des Dirigentenpults. Es gibt keine Videoinstallation, die die ausgewählten Songs in ihren filmischen Kontext hätte einordnen können. Somit liegt die Aufgabe, den Figuren, die Andrews in Filmen und auf den Bühnen des Broadway oder des West End verkörperte und sang, Leben und Stimme zu verleihen, allein bei Desandre.
Ein paar kleine Enttäuschungen: Wir hatten uns auf Dunfords poetisches Lautenspiel gefreut; stattdessen durften wir nur ein einziges berührendes Duett zwischen ihm und der Sängerin erleben, denn die restliche Zeit dirigierte er, dem Publikum den Rücken zugewandt, das Ensemble Jupiter – mal mit, mal ohne Laute. Auch die Streicher des Orchesters etwas zu laut und einige Intonationsprobleme veranlassten die Soloviolinisten Augusta McKay, den Dirigenten mitten im Konzert um eine Nachstimmung zu bitten. Es sei außerdem angemerkt, dass die französisch-italienische Sängerin und ihr Lautenpartner zwar geübt darin sind, Epochen, Genres und Musikstile zu verbinden, aber dennoch alle etwas Zeit brauchen, um sich an den Swing und die besondere Ästhetik des Musicals zu gewöhnen und sich mit den Partituren von Rodgers, Loewe oder Mancini vollkommen wohlzufühlen.

Das erste Stück gibt den Ton an! Desandre, in ein kurzes Kleid im Stil der Sechzigerjahre gezwängt, warnt uns: „No Mozart* tonight“. Bald darauf folgt eine emotionale Sequenz mit „London Pride“, geschrieben von Coward mitten im Blitzkrieg im Frühjahr 1941, ein bittersüßes Lied, das die Herzen der Briten erobert hat – man hört das Echo der Glocken von Big Ben - , so zärtlich geflüstert von der Sängerin, die sich in Wilsons „The Boyfriend“ im Nu in eine versierte Charleston- und Stepptänzerin verwandeln wird. Doch erst die Ausschnitte aus My Fair Lady und Mary Poppins versetzen das Publikum wahrhaft in ihren Bann. Nach der unvergleichlichen Komik von „The rain in Spain“ kehrt Desandre in einem prächtigen, fließenden Kleid von der Bühnenrückseite zurück und verrät ohne jede Spur von Vorsicht: „I could have danced all night“. Im Nu verwandelt sie sich in Mary Poppins und verwickelt Dunford in ein unwahrscheinliches Tanzduett zu einer unvergesslichen Interpretation von „Supercalifragilisticexpialidocious“.
Mancinis jazzige Filmmusik zu Victor Victoria bietet dem französischen Pianisten und Akkordeonisten Joe Atkins, dem französischen Trompettisten Sébastien Brebbia, dem französischen Saxophonisten Sylvain Fetis und dem französischen Schlagzeuger Stéphane Hucard die Gelegenheit, ihr Können zu zeigen. Ein Kammermusik-Intermezzo präsentiert die herausragenden Qualitäten der Jupiter-Streicher-Solisten in einem Medley aus Bernsteins: West Side Story. Und mit „Do-Re-Mi“, das zunächst auf Englisch, dann auf Französisch vorgetragen und vom begeisterten Publikum mitgesungen wird, beschließen Desandre und ihre Musiker mit einem bezaubernden Intermezzo, von wir wünschten, dass es ewig gedauert hätte. Auch nicht zu vergessen ist die französische Regisseurin Sophie Danemann, die mit ihren überschäumenden Bühnenaktionen zusammen mit dem französischen Kostümbildner Hubert Barrère und dem französischen Lichtbildner Bertrand Couderc wahre poetische Wunder in einer unvergessenen Zauberwelt zum Träumen erfunden hatten.