Oldenburg, Oldenburgisches Staatstheater, DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN - Leoš Janáček, IOCO

Oldenburg, Oldenburgisches Staatstheater, DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN -  Leoš Janáček, IOCO
Oldenburgisches Staatstheater, Foto: Stephan Walzl

„Über dich wird man dereinst Opern und Romane schreiben!“

Bericht zur Inszenierung von „Das schlaue Füchslein“ von Leoš Janáček

von Thomas Honickel

 Wir besuchten die Wiederaufnahme der Produktion am 8. Oktober 2025, welche die fünfte Vorstellung der Oper war.

 Zum Hintergrund und zur Genese des Werkes verweisen wir auf das Essay, das bei IOCO bereits erschienen ist

Essay zu „DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN “ von Leoš Janáček sowie Reflexionen zum Pantheismus in der Musik, IOCO

 

Zum Geleit

So viel vorweg: Der eigentliche Star des Abends sind nicht die Protagonisten auf der Bühne oder die instrumentalen Assistenten im Graben, sondern es sind das Team von Regie, Bühne und vor allem Kostümdesign. Selten zuvor hat man eine so dichte und dem Werk zugeeignete Personenführung und Choreographie erlebt, selten zuvor so eine Fülle an fantasievollen, ironisierenden und charakterisierenden Kostümen wie bei dieser „Füchslein“-Produktion. Alleine das Zusammenspiel dieser Elemente im Verbund mit einer äußerst fließend erzählten und durch organische Umbauten beförderten Geschichte lohnt den Besuch in Oldenburg!

Auf musikalischer Seite bleiben leider, leider einige Wünsche offen, bei deren Optimierung aber durchaus Chancen auf günstigere Entwicklung bestehen. Denn das stimmliche Potential der Beteiligten ist, das lehren vorangegangene Produktionen mit den identischen Künstlern, durchaus vorhanden.

Julia Wagner (Frantík), Dorothee Bienert (Försterfrau), Arthur Bruce (Förster), Lea Bublitz (Pepík), Foto: Stephan Walzl

Regie und Inszenierung

Wiederaufnahmen haben oft den betriebsinternen Nachteil viel zu weniger Proben (denn man hat es ja bereits in der vergangenen Spielzeit mehrfach aufgeführt) und eines teilweise überlangen Abstands zur letzten Vorstellung.

Das führt bei der WA in Oldenburg zu zwei sehr widersprüchlichen Erkenntnissen:

Die gesamte Regiearbeit von Mélanie Huber ist vital und bis in kleinste Details der einer Premiere würdig. Das betrifft Einzeldarsteller, Gruppen wie Kinderchor und Opernchor, aber auch Umbauten und Abläufe, die nahtlos und zwingend daherkommen.

Und auch die Schar der nicht wenigen Solisten, vorrangig aber der Protagonisten um die Fuchsdame (Penelope Kendros), ihren Fuchspartner (Emily Dorn) und die drei alternden Dorfhonoratioren Jäger (Arthur Bruce), Schulmeister/Dackel (Seumas Begg) und Pfarrer/Dachs (Irakli Atanelishvili), ist punktgenau da, wo es die Partitur verlangt und die Regie es wünscht. Indes, und damit sei das für den Gesamteindruck maßgeblich schmälernde Moment schon hier erwähnt, eine Vielzahl an Passagen der Solisten (vor allem bei der Titelfigur) sind häufig nicht zu hören und nur durch die Übertitel überhaupt zu verfolgen. Das überschattet den Eindruck der tadellosen Regiearbeit nachhaltig!

 

Choreographisches Füchslein

Bevor wir später diesen Umstand noch näher untersuchen, jetzt aber zu den Aktiva der Produktion. Mélanie Huber gelingt mit ihrer Regiearbeit ein völliges Eintauchen in die Welt der Tiere und des Waldes (resp. Hofes). Wie hier mit den idiomatischen tierischen Bewegungen aus dem Tierreich gekonnt gespielt wird, wie zitiert wird, wie ironisch gebrochen und verspielt jongliert wird, das hat Klasse.

Allerdings muss sie sich dieses Lob wohl mit der „Choreographischen Mitarbeit“ (vermutlich eine grandiose Untertreibung) durch Joanna Willmott teilen. Diese hat entweder einen unmittelbaren Zugang zur Tierwelt oder war lange Jahre in Tierparks, im Zirkus oder im ländlichen Raum unterwegs. Jedes der zahlreichen Tiere, vom Frosch über Grille, Eule und Specht bis zur illustren Schar der Hennen inklusive tollpatschigem Hahn, ist mit großer Detailliebe gestaltet. Besondere Erwähnung finden soll auch die sehr poetische Personenführung des Fuchs-Liebespaares, wo Tierisches und Menschliches miteinander verschmelzen. Das gilt in gewisser Weise auch für Dachs und Dackel, deren Alter Egos als Schulmeister und Pfarrer ähnliche Eigenschaften und Verhaltensweisen kreieren.

Die Führung der Ensembles gelingt Huber mit Leichtigkeit und mit feinfühliger Handschrift, subtil werden Gestalten bereits auf die Bühne geholt, wenn sie noch gar nicht „dran“ sind; so bauen sich elegant „Handlungscrescendi“ auf.

Anna Dowsley (Fuchs), Stephanie Hershaw (Bystrouška / Füchsin) mit Kinderchor und Opernchor, Foto: Stephan Walzl

Příhody lišky Bystroušky – Originalsprache?

Ein Makel grundsätzlicher Art mag einem beim Anhören der neuen Textfassung (Ute Becker / Alena Wagnerova) in den Sinn kommen. Auch wenn diese seit einigen Jahren geläufige Fassung die inhaltlichen Unebenheiten der ersten Übersetzung durch Janáčeks Freund (und Kafka-Verleger) Max Brodt unbedingt schlägt, bleiben doch grundsätzliche Einwände.

Die tschechische Sprache, so wie generell alle slawischen oder osteuropäischen, funktioniert in ihrem Wesen, was Rhythmik, Betonung und Lautcharakter betrifft, gänzlich anders als die deutsche. Betonungen dort sind nicht gleichermaßen auch Betonungen hier. Da bedarf es dann oft massiver Verbiegungen der Sprache, um sie noch einigermaßen passgenau auf Janáčeks Vorlage zu legen. So entstehen aktuell beim „Füchslein“ unvollständige Sätze, Satzbrocken oder teilweise seltsam abstruse Sätze, die weder altmodisch noch modern klingen, sondern einfach nur schräg („Wär´ein vertrackter Kontrapunkt!“).

Das Ganze ist umso existenzieller, als Janáčeks stilistischer Ansatz der Ausgestaltung von vokalen Linien sich am Geist der gesprochenen Sprachmelodie orientiert; und zwar der tschechischen. Natürlich kann man diesen Ansatz grundsätzlich auf alle außerdeutschen Komponisten vokaler Bestimmung anwenden; bei Janáček ist das Phänomen aber ein erklärter zentraler Bestandteil seiner Komposition, die auch im Instrumentalen ihren Niederschlag findet. Insofern ist das deutsche Sprachidiom Lichtjahre von dem des Tschechischen entfernt.

Seit vielen Jahrzehnten ist es guter Brauch, Werke ausländischer Künstler im Original zu singen. Bei anglo-amerikanischen, französischen, vor allem auch italienischen Werken würde niemand mehr auf den Gedanken verfallen, sie in ein (zumeist unsägliches) Deutsch zu transferieren. Oft kommen dabei nur alberne oder verfälschende Versionen heraus.

Und: Am Oldenburger Haus hat man in den letzten Jahren auch polnisch, russisch und sogar Sanskrit (Glass - „Satyagraha“) gesungen. Auch vor dem Tschechischen bestand offensichtlich weder bei den Interpreten noch beim Publikum eine Hemmung (Jenufa, Katja Kabanova, Rusalka). Warum also hier ohne Not eine ungenügende Ausnahme? Das Werk ist auch nicht überlang: Mit nicht mal 90 Minuten eher eine kurze Oper. Womit eine zweite Frage erlaubt sei: Warum wird das Opus nicht ohne Pause gespielt? Das würde dem Handlungsfaden, der Stringenz der Inszenierung und dem inneren Zusammenhang eher dienlich sein.

Förster (Arthur Bruce), Kammersänger Paul Brady (Haraschta / ein Geflügelhändler), Seumas Begg (Schulmeister), Seungweon Lee (Pfarrer), Seung Jin Park (Pásek / ein Gastwirt), Foto: Stephan Walzl

Ausstattungs-Kosmos

Doch abseits all dieser Einwände bleibt eben eine Regiearbeit, die unbedingt einnimmt. Dazu tragen auch die Kostüme aus dem gestalterischen Universum von Lena Hiebel bei. Sie zeichnet auch für die Ausstattung der Bühne verantwortlich.

Die stilisierte Waldatmosphäre gelingt. Nicht zuletzt eine schiefe Ebene, die mal Anhöhe, mal Fuchsbau oder Dachsbau ist, wird auf der aus „Ring“-Zeiten bekannten Drehbühne in Windeseile neuen Deutungsformaten zugeführt. Auf ihr, neben ihr oder unter ihr pulsiert das tierische Leben. Hinter den stilisierten Bäumen, die auch der expressionistischen Darstellungswelt der Uraufführungszeit oder einem der ersten Stummfilme dieser Epoche entnommen sein könnten, kann man sich verstecken oder anpirschen. Die Lichtregie (Steff Flächsenhaar) versteht, wie man mit entsprechender Ausleuchtung dann in der Bewegung der Drehbühne optisch durch Reflexionen einen ganzen Wald herstellen kann.

Allerdings kann man bei der von uns besuchten Vorstellung auch erleben, wie eine einzige flackernde Glühbirne, die kurz vor ihrem Ende steht, einen großen Bühnenmoment eintrüben kann. Die Lichterkette des Hauses bedürfte dringend vor Vorstellungsbeginn einer gründlichen Inspektion hinsichtlich des Materials. Dass dann während der Szene weitere Glühbirnen ihren Dienst versagen, kann wohl kaum inszenatorische Absicht sein und wirft die Frage auf, ob das Haus seine Stromrechnung nicht vollständig bezahlt hat.

Wie oben bereits erwähnt ist dieses „Füchslein“ auch und vor allem eine Augenweide. Die Vielfältigkeit, Anschaulichkeit, Tiefgründigkeit und der glänzende Humor, den die Ausstatterin Lena Hiebel hier an den Tag legt, sind Grundlage für das Gelingen der gesamten Arbeit. Und das macht das Werk, jenseits tiefer philosophischen Fragen, auch und sogar für Kinder geeignet.

Aber es geht der Regisseurin Mélanie Huber um mehr: Das Verhältnis Mensch und Natur steht auf der Agenda. Wie gehen wir mit den Ressourcen um, wie sehen wir unsere Welt, mit welcher Verantwortung? Welche Kraft und welche Kräfte liegen in der Natur, welche Magie durchströmt den Wald, was können wir von Flora und Fauna lernen? Fragen, die heute noch weit aktueller sind als vor 100 Jahren.

 

Nachdenken mit Musik

Dazu die Ebene der Entwicklungspsychologie, die Fragen nach Glück im Hier und Jetzt aufwirft, die allzu häufig überlagert werden durch Grüblerisches, das in die Vergangenheit führt. Die vertanen Lebenschancen der drei Männer (Förster, Pfarrer, Schulmeister), die ihr Leben in der Gegenwart stets aufs Neue belasten, sind mehr als einmal Grund für eine melancholische Innenschau der drei alternden Herren. Terynka, die als Person nie auftaucht, war im Leben der drei ein Fluchtpunkt, der unerfüllt blieb. Platonische Lieben, die unter dem Mantel von Bigotterie (Pfarrer), akademischer Laufbahn (Schulmeister) und Försterei mit unglücklicher Ehe (Förster) nie wirklich gleichwertigen Ersatz fanden. Als dann der Geflügelhändler Harašta dem Jäger seine nahende Hochzeit mit eben dieser Terynka eröffnet, ist die Erschütterung umso tiefer. Dieser Harašta wird bisweilen auch als Wilderer oder Landstreicher beschrieben; eine Zuschreibung, die ungleich passender ist, auch und vor allem, was die musikalische Diktion Janáčeks betrifft.

Interessant übrigens, dass von den Hauptrollen nur zwei mit Namen genannt werden: Die bis zum Ende phantomhafte Terynka und eben die Füchsin, die, obwohl dem Tierreich zugerechnet, etwas Personales erhält durch den Beinamen Bystrouška. Damit verschmelzen auch auf dieser Ebene des Librettos bereits Menschen- und Tierwelt.

Opernchor und Aksel Daveyan (Förster), Foto: Stephan Walzl

„Die Menschen glauben, die Welt gehöre ihnen – aber der Wald lacht darüber.“

Aber die Inszenierung geht, wie auch Janáčeks Werk, nicht nur in Sack und Asche. Das neue Leben beginnt wieder, auch nach dem Tod der Füchsin, die für den Muff der Braut herhalten muss, sprießt allerorten die kommende Generation mit neuem Leben aus allen Poren. Junge Frösche, Grillen, Vögel und vor allem Füchse bevölkern die Bühne und führen zu einem versöhnlichen Ende.

Durch die bogenförmige Aufnahme des beginnenden Bildes, das im Finale erneut aufgegriffen wird, mag man vielleicht auch nur an einen Traum des Försters glauben. Ein hitziger Traum über die Welt und ihren tiefen Sinn, der in der Mittagsruhe im Wald einen einsamen Mann mit seltsamen Gedanken erfüllt. So endet diese Oper einigermaßen versöhnlich, auch wenn einige Biographien von Menschen und einige Existenzen von Tieren auf der Strecke bleiben. Das Rad des Lebens dreht sich unaufhörlich.

Mélanie Huber zaubert mit den Singdarstellern eine poetische Traumwelt, die ihresgleichen sucht. Selten zuvor erlebte man eine Operninszenierung, in der den Sängern dermaßen viel Pantomimisches und Choreographisches abverlangt wurde. Dringend erwähnt werden muss hier nochmals die prägende Mitarbeit von Joanna Willmot (Choreographie). Das subtile Spiel mit den (durchsichtigen) Masken, die Demaskierung in Nachtzeiten, die Seelenvolles und Inniges zutage fördern, und eine ruhige Hand bei den unruhigen Szenen zeichnen ein nachvollziehbares und farbiges Spiel aus, das unmittelbar einnimmt.

Hier stimmen alle Abläufe, selbst kleinste Gesten sind bewusst und nachdrücklich gesetzt. Sogar mit den maskierten Protagonisten gelingen anrührende und überdeutliche Szenen mit hoher Intimität; die Masken stören zu keinem Zeitpunkt, sind eher phantasiebeflügelnde Medien. Im Gedächtnis bleiben die Szenen im Hof des Försters mit einem „pas de deux“ von Dackel und Füchsin, die Episoden im Hühnerstall und allen voran die Episoden der verliebten Füchse mit einer grandiosen Hochzeit unterm Sternenzelt. Große Momente!

Seumas Begg (Dackel), Stephanie Hershaw (Bystrouška / Füchsin), Mykola Pavlenko (Hahn) mit Opernchor, Foto: Stephan Walzl

Männer…

Die drei alternden Heroen des Dorfes werden bei Huber nicht einfach moralisch hinweggefegt, sondern erhalten auch Untertöne von Mitleid, Nachsicht und Betroffenheit. Das adelt ihre Regiearbeit: Keine einseitig wertende Position zu beziehen.

Zwischen Wehmut, Wut, Selbstgefälligkeit, Verbitterung und Traurigkeit oszillieren die drei Männergestalten. Sie hadern mit ihren Biographien und fügen sich letztlich doch ins Unvermeidliche. Die Füchsin (mit ihre Gefangennahme, die Revolte im Hühnerhof und ihre Flucht in die Freiheit des Waldes) steht für ein anderes, offenes Lebenskonzept. Aus der Konventionalität von Kinder, Küche, Kirche, Dorf und Schule sowie Zivilisation auszubrechen, bleibt den männlichen Protagonisten verwehrt. Bezeichnend, dass ihre Qualen, Sehnsüchte und Leidenschaften in der Atmosphäre der Natur und des Waldes am greifbarsten werden; ein wenig „Sommernachtstraum“, allerdings ohne Happy End.

Ein Coup, wie die Hochzeit endet: Nach Annoncierung des Fuchses an die Füchsin, dass man nun in die Kinderplanung einsteigen könnte, zerstiebt das tierische Volk in alle Himmelsrichtungen und husch, wie sie einst kamen, sind sie entschwunden- in die Pause.

Anna Dowsley (Fuchs), Stephanie Hershaw (Bystrouška / Füchsin) mit Opernchor, Foto: Stephan Walzl

„Alles lebt, alles stirbt – und alles kehrt zurück!“

Im zweiten Teil stehen dann Tod, Vergehen und neues Leben zentral im Mittelpunkt. Den Geflügelhändler Harašta lässt Huber als selbstgefällig und ein wenig arrogant, vor allem aber dem tierischen Leben kaum zugetan erscheinen: Ein Profiteur, der das Fell der Füchsin zum Muff für die junge Braut Terynka nutzen will. Im Tod der Füchsin fällt deren Maske und sie wird zu einem Wesen, einer Persönlichkeit, der das Orchester ein Requiem an die Seite stellt.

Der Förster, eigentlich auch ein Schutzpatron des Lebens im Wald, wird Augenzeuge der Tötung und gleichzeitig einsichtig, dass alle seine Träume verflogen sind. Da geht es ihm nicht anders als dem Schulmeister und dem Pfarrer. Die wehmütigen Erinnerungen an die Jugend ertränken die drei im Wirtshaus und lamentieren über die Leiden des Alters.

Am Ende indes gibt es ein Lob auf die Natur, in die der Förster noch einmal zurückkehrt, um den Wald als Ort der stetigen Neuschöpfung zu genießen; ein Ort, wo auch die Liebe neugeboren werden kann. (…dann kommt auch die Liebe!“). So endet das metaphorische Spiel mit ungewöhnlich optimistischer Sicht.

 

KS Paul Brady (Haraschta / ein Geflügelhändler), Foto: Stephan Walzl

„Du bist wie sie – jung, frei, wild und bald vergangen.“

Kinderchor (Einstudierung: Marija Jokovic) und Opernchor (Einstudierung: Thomas Bönisch) sind tadellos und klangvoll. Die mit Ports verstärkten Kindersoli sind rhythmisch und intonatorisch punktgenau. Beide Ensembles zeigen sich spielfreudig und verhelfen in solistischen und ensemblemäßigen Passagen der Inszenierung zum Erfolg. Das choreographische Spiel ist bei allen ausgeprägt, „tierisch“ gut und überzeugend.

Die stimmlichen Leistungen der männlichen Protagonisten sind allesamt auf hohem Niveau und auch deshalb zu würdigen, da Janáček ihnen zumeist keine übermäßige Orchestrierung aufbürdet. Allen voran ist Arthur Bruce mit seinem makellosen und volltönenden Bariton ein Gewinn für die Rolle des Försters. Sein Deutsch ist völlig akzentfrei, sein Spiel nuanciert und glaubwürdig. Seine Auftritte strahlen Ruhe und Souveränität aus. Nie spürt man bei ihm Anstrengung oder Forcieren.

Ihm zur Seite ein Schulmeister, den Seumas Begg mit linkischer Art und zumeist zurückgenommen und scheu präsentiert. Einzig in der Waldszene mit der Erinnerung an die Begegnung mit der fernen Geliebten bäumt sich seine klangvolle, schöne Stimme auf. Auch sein Deutsch hat kaum Akzente. Schade, dass seine Partie nur wenig glanzvolle Zinnen besteigen kann.

Das ist bei Irakli Atanelishvili anders: Seiner Herkunft zufolge kann er deutliche Akzente kaum verhehlen. Dafür aber entschädigt er mit rabenschwarzem, wunderbar vollmundigem und wohltönendem Bass und einem beklemmend intensiven Spiel bei Pfarrer wie Dachs. Ihm sitzt der Frust über das Leben in Nacken und Kreuz. Die Bigotterie wird hier greifbar.

KS Paul Brady gibt den Harašta in der Weise, wie wir es oben bereits beschrieben haben. Sein Bariton ist in der Tiefe etwas matt, brilliert aber in Mittellage und höheren Passagen. Brady besticht im souveränen Spiel mit seiner langjährigen Bühnenerfahrung. Den Geflügelhändler lässt er aufleuchten von hämisch bis triumphierend, von skrupellos bis gehässig.

Stephanie Hershaw (Bystrouška / Füchsin), Aksel Daveyan (Förster), Foto: Stephan Walzl

„Frei sein! Frei sein! Nichts als frei!“

Die beiden Hauptrollen der Füchsin und des Fuchses sind zwei sympathisch spielenden und (vermutlich) tapfer singenden Frauenstimmen übertragen, die beide an diesem Abend ihr Rollendebut haben. Penelope Kendros singt die extrem anspruchsvolle und kraftraubende Titelpartie der Füchsin. An ihrer Seite agiert später als Fuchs (und als Gast) Emily Dorn.

Ihr gemeinsamer sängerischer Höhepunkt ist natürlich das große zweite Bild vor der Pause, in dem sich beide Tiere zu einander bekennen, verlieben und Hochzeit halten. Ohnedies einer der schönsten und klangvollsten, träumerischsten und poetischsten Opernmomente, füllen diese beiden Sängerinnen diese Szene mit Leben, Herz und großem Gestaltungswillen aus. Hier wird in Ansätzen das sängerische Potential beider Künstlerinnen auch hörbar. Und hier fällt dann auch das große Kompliment und Liebesbekenntnis: „Über dich wird man dereinst eine Oper schreiben!“, welches wir diesem Essay hier als Motto vorangestellt haben.

Penelope Kendros, Foto: Stephan Walzl

Das ist allerdings auch der einzig wirkliche Ort, der eine Analyse der stimmlichen Güte von Frau Kendros zulässt. Ansonsten entzieht sich die Partie weitgehend der (stimmlichen) Beurteilung, denn das Orchester dröhnt vor allem die Füchsin derart zu, dass man mit der Protagonistin mitleidet. Spitzentöne kann sie noch im Fortissimo absondern. Töne, die eher den Charakter von Hilfeschreien haben und kaum vergleichbar sind mit dem Gesang, den wir von ihr etwa als Nachtigall in Braunfels` „Die Vögel“ so bewundert haben. Ähnliches gilt für den warmen und farbigen Mezzo des Fuchs-Gastes von Emily Dorn, der sich jedoch ein wenig besser stimmlich in Szene setzen kann, allerdings auch deutlich weniger zu singen hat.

Kendros` Spiel als Füchsin indes ist mitreißend und eine vorbildliche Adaption des Tierischen. Man nimmt ihr diese Rolle in jeder Phase der Oper ab. Und gleichzeitig hofft man, dass ihre Stimme die Vorstellung einigermaßen überlebt. Obwohl sie von der Regisseurin bei vielen Soli von der Rampe aus singen darf, ist von tiefen Passagen gar nichts zu hören, in der Mittellage ein wenig und in der Höhe mit den genannten Einschränkungen. Wird hier eine Stimme verheizt?

Das Orchester, Foto: Oldenburgisches Staatstheater

„Wie schön es ist zu leben!“

Der Reiz von Janáčeks „Füchslein“ liegt (Brittens „Peter Grimes“ nicht unähnlich) in zahlreichen weiträumigen Orchesterpassagen, welche die Welt des Waldes und der Natur illustrieren. Reine sinfonische Literatur, die der Komponist später selbst zu einer „Füchslein-Suite“ (1937) zusammenführte und für den Konzertsaal gängig machte bzw. autorisierte.

Diese Musiken gehörten zu den Aktiva des Oldenburgischen Staatsorchesters, das unter Vito Cristofaro alle Facetten und Stimmungen weiträumig auslotete. Ungezählte wunderbare Soli (vor allem erwähnenswert hier das Englischhorn von Nicolas Wallach und die Soli des Konzertmeisters Elija La Bonté), aber auch impressionistische Gemälde im Ensemble sind zu nennen, die den Betrachter unmittelbar ins Geschehen und in die Geheimnisse der tierischen Welt mitnehmen.

Man hört bei diesem Janáčeks „Füchslein“ ein wenig Mahler, Dvorak, Operette, viel Folklore, ein wenig Wiener Schmäh, fin de siecle-Attitüde und sogar Filmmusik im Stil der „Groupe de Six“ (Auric, Durey). Ein wunderbares „Hallali“ der Hörner wird zu einem Abgesang auf eine verlorene Zeit, die mit Janáčeks letzter Schaffensperiode bereits aufgehört hatte zu existieren.

Vito Cristofaro, Foto: Stephan Walzl

Cristofaro kitzelt all diese Nuancen brillant aus dem sehr (!) üppig besetzten Orchester heraus. Mit ruhig-erfahrener Hand führt er auch die gesamte Partitur sicher zwischen Bühne und Graben vom ersten Säuseln der Natur bis zum letzten Windhauch des Waldes.

Ein nachhaltiger Makel bleibt indes die bereits angedeutete Massierung des Orchesterklangs (nicht nur im Tutti), wenn die arme Füchsin, die wahrlich eine enorme Partie zu bewältigen hat, zu begleiten ist. Dann ist das Instrumentale nicht mehr zu zügeln und es ergießt sich ein dauerhaftes Forte durch den Saal und über die Bühne. Abgesehen davon, dass mit solcher Art Musizierens die Titelpartie bis zur Unkenntlichkeit geschreddert wird, ist auch die dauerhafte Bewegung des Orchestralen im Bereich zwischen Mezzoforte und Fortissimo dem Werk kaum zuträglich.

Was zunächst im Blech auf der rechten Seite beginnt, weitet sich später auf die (dreifach besetzten) Holzbläser aus, ergreift im Anschluss auch zunächst die tiefen, dann auch die hohen Streicher. Jeder (zurecht) erreichte Climax einer Entwicklung verharrt in der Folge auf viel zu hohem dynamischen Niveau. Die Inseln zarter, stimmungsvoller, impressionistisch-folkloristischer Episoden nimmt man da als Wohltat wahr; im 2. Akt allerdings nur noch selten.

Wie konnte es dazu kommen? Analyse tut Not, noch mehr aber generelle Abhilfe durch kollektive Disziplin und instrumentale Kollegialität. Hatten wir kurz zuvor noch eine „Traviata“ erlebt, die von makelloser Balance bestimmt war, staunte man wenige Tage später über diese eruptive instrumentale Unart. Eine tendenzielle Entwicklung, die seit dem Neustart nach Corona auffällig ist und von uns mehrfach benannt wurde („Tote Stadt“, „Hänsel und Gretel“, „Freischütz“ u.a.)

Keiner zweifelt an den individuellen instrumentalen Qualitäten des Oldenburgischen Staatsorchesters, im Sinfonischen mag das auch erlaubt und gewollt sein. Beim Bühnengeschehen muss es aber ein Mindestmaß an Rücksichtnahme geben, um das Wohl der Stimmen (hier das von Penelope Kendros) nicht dauerhaft zu gefährden.

Ein Hinweis sei in diesem Zusammenhang erlaubt, dass der renommierte UE-Verlag auch reduzierte Fassungen anbietet. Die Stolba-Fassung etwa (seit 2022) mit deutlicher Reduzierung in allen Gruppen erhält den sinfonischen Eindruck, vermeidet aber dessen Massierung.

Es gibt sogar (zumeist während der Corona-Pandemie entstandene) Fassungen für Ensembles unter 20 Instrumenten, die international realisiert wurden. Hier ist das kammermusikalische Moment im Fokus, ähnlich der jüngst in Oldenburg realisierten Kammeroper „Turn of the screw“ von Britten. Vielleicht eine Option auch für das Oldenburgische Staatstheater, das ja mit der Lessing-Fassung von Wagners „Ring“ bereits gute Erfolge mit reduzierten Fassungen verbuchen konnte.

 

„Jak je les divukrásný“ – „Wie wunderbar schön ist der Wald!“ – Ein Fazit:

Traumhafte Inszenierung, einnehmendes Spiel von Solisten und Ensembles, eine Ausstattung, wie sie poetischer nicht denkbar ist, und eine klangvolle Partitur, die aber an nicht wenigen Stellen dynamisch überreizt.

Wenn man diese orchestralen Defizite noch abstellen kann, könnte man hier ein an Opulenz und Intensität kaum zu überbietendes „Füchslein“ erleben!

Der Applaus nach dieser Wiederaufnahme war für alle Beteiligten herzlich, aber kaum enthusiastisch. Das mag auch daran gelegen haben, dass der Saal gefühlt nur mit der Hälfte der Plätze belegt war. Vielleicht lag es am Wochentag zu späterer Stunde? Die Inszenierung hat jedenfalls unbedingt einen besseren Zuspruch verdient!

 

Weitere Vorstellungen: 19./24.10., 1./29.11., 22.12.             

Oldenburgisches Staatstheater: Das schlaue Füchslein | Oldenburgisches Staatstheater

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