"Hoffeguts Traum"

"Hoffeguts Traum"
Staatstheater Oldenburg Foto: Stephan Walzl

Oldenburg, Oldenburgischen Staatstheater, Die Vögel - Walter Braunfels, IOCO

von Thomas Honickel

Avant-Prospos

Ein großer, ein ganz überragender, wenn man die Exotik und die Aufführungsgeschichte des Werkes betrachtet, gar ein sensationeller Opernabend! Und überdies ausverkauft bei der fünften Vorstellung!

Bildgewaltig, opulent in Ausstattung und Kostümen, stringent erzählt und mit grandiosen Stimmen vor allem durch das Protagonisten-Trio Nachtigall, Hoffegut, Ratefreund und einen phantastischen Chor. Dazu ein üppig besetztes und leidenschaftlich aufspielendes Staatsorchester, das allen Ansprüchen der Partitur gerecht wird.

Inszenierung

Die Inszenierung unter Holger Potocki trifft ins Mark.

Man kann immer trefflich streiten, ob das neue Medium der Videoeinspielung einer szenischen Deutung hilfreich zur Seite steht. Im Fall der Vögel aus Oldenburg ist es eine wunderbare zwingende und am Ende völlig überzeugende Ergänzung des analogen Spiels:

Hoffegut, in Oldenburg ein frustrierter Büroangestellter, vereinsamt, isoliert und mit bedrohlichem Chef, träumt sich hinweg in (im Wortsinn) höhere Sphären zu den Vögeln. Frei wie ein Vogel, aller irdischen Bande enthoben. Dabei übersieht er eine ihm durchaus zugewandt Kollegin, die spätere Nachtigall.

Die Vögel Foto: Stephan Walzl

Die Traumsequenz wird zu Beginn des 2. Aktes nochmals als roter Faden zwingend und poetisch aufgegriffen und beendet das Werk in einem großen, mitreißenden Bogen, der uns vor Augen führt: Alles nur Traum, alles nur imaginiert, oder?

Dabei drängen sich die Videoprojektionen nicht unangenehm auf, sondern führen zielstrebig und äußerst subtil in die Traumsequenz hinein und aus ihr heraus.

Das Vogelreich erreicht Hoffegut gemeinsam mit einem "Freund". Ratefreund ist ein ebenso frustrierter Stadtflüchtling, dessen dunkle Kraft allerdings später destruktiv wirkt und ein ganzes Volk von naiven Wesen ins Unglück stürzt. Ist das die dunkle Seite von Hoffegut? Es bleibt offen...

Das Bühnenbild von Lena Brexendorff, die auch für Kostüme verantwortlich zeichnet, gemahnt an eine unwirtliche, sich abgrenzende Welt, die mal als undurchdringlicher Dschungel, mal als korrumpierte Natur gedeutet werden kann. Bei entsprechender Beleuchtung (Arne Waldl) ändert sie ihren Charakter markant: Baumwipfel mit Schlingpflanzen, Müllhalde mit Überresten menschlicher „Zivilisation“, eine imaginäre, unwirkliche Sciencefiction Landschaft. Leitern und Treppen ermöglichen eine Fülle von Spielorten und verteilen die Massen gekonnt auf diversen Ebenen.

Sehr prägnant zeichnet Regisseur Holger Potocki die beiden Exilanten, die einer Weltflucht gleich die Stadt verlassen. Der Romantiker Hoffegut hat von Anbeginn ein Auge, besser ein Ohr, auf die Nachtigall geworfen. Ratefreund sieht im Wiedehopf, König der Vögel und ehemals Mensch, den idealen Partner, um das politische System des Himmelsvolkes zu annektieren und umzukrempeln. Stark, wie sein intrigantes, selbstsüchtiges und demagogisches Potential sich hier Bahn bricht.

Die zauberhafte Nachtigall ist ein Wesen wie aus einer anderen Welt. Egal wo sie auftaucht, sie besticht durch große Bühnenpräsenz, die auch durch zwingende Lichtregie unterstrichen wird. Sie oszilliert zwischen Femme Fatale, Mater Dolorosa und Regierungssprecherin. Eine Leitfigur der gesamten Oper.

Den Wiedehopf zeichnet Holger Potocki als Wendehals, der sein Fähnchen in den jeweils passenden Wind hält. Er wirkt als assimilierter Chef des Vogelvolkes mal besitzergreifend, mal despotisch-bestimmend, mal überheblich und provozierend arrogant. Die Vogelwelt selbst ist ihm reichlich Schnuppe; da kommt ihm als Partner, Bündnisgenosse, Töter der Langeweile der Ratefreund gerade recht. Er überlässt ihm im Weiteren den Chefsessel und wird zum Handlanger und Propagandaminister, williges Werkzeug des Demagogen, der ihn trefflich für seine Dienste einzuspannen weiß. Die Ablösung der Vogelregierung vom Wiedehopf zu Ratefreund gelingt so fließend, dass man es kaum merkt. Ebenso geschickt lenkt Ratefreund das Vogelvolk mit schmeichelnden, visionären Reden ins Desaster.

Die Vögel Foto: Stephan Walzl

Überhaupt die Kostüme von Lena Brexendorff!

Man staunt über ein so fantastisches, groteskes Spiel mit der Vorstellungskraft. Kaum eines der Vogel-Outfits wiederholt sich; die Individuen verschwinden hinter Masken und beleben gleichzeitig die monochrome Bühnenlandschaft. Dagegen heben sich die biederen Büro-Uniformen von Hoffegut und Ratefreund deutlich ab: Grau und blaues Kleinkariert, was man bisweilen wörtlich nehmen darf. Adler (weiß) und Rabe (schwarz), die Mahner im Vogelreich, hebt die Designerin trefflich heraus. Der äußerlich blasse Prometheus wirkt durch eben diese Blassheit, der monochrom-braune Wiedehopf ebenso. Bleibt noch die in dunkle, violette Trauerfarben gewandete Nachtigall, der das Vorbild in der Natur deutlich eingeschrieben scheint. Sie hat ja eben auch angesichts ihrer mythologischen Geschichte wenig zu lachen und viel zu seufzen.

Die Vögel“ ist eine der wohl üppigsten Chor-Opern der Musikgeschichte. Bis auf den Beginn des 2. Aktes bevölkern Heerscharen permanent das Bühnengeschehen auf mehreren Ebenen. Souverän und durchaus abwechslungsreich ordnet der Regisseur die Massen: Mal im Chaos, mal in buntem Reigen, in kleinen Gruppen und später in Reih und Glied, wenn sich das Blatt gewendet hat. Dabei hat er stets die gewissenhafte Sicht auf die Notwendigkeit der Partitur, die es mit Sichtlinien zu koordinieren gilt.

In diese Massenszenen hinein wirft Potocki seine Protagonisten und Nebenakteure wie etwa Drossel, Adler, Rabe, die immer erkennbar und beobachtbar bleiben in der Flut der Akteure. Den aufrüttelnden Masseninstallationen wie am Ende des 1. Aktes (mit „Halleluja“-Rufen und Krönung des neuen Königs Ratefreund) und beim großen Zeus-Choral nach der Vernichtung setzt er die intimen, kammerspielartigen Momente entgegen. Umwerfend der Beginn des 2. Aktes mit einer Deutung, die permanent zwischen Requiem und Vereinigung schwankt; der Vergleich mit dem „Liebesduett“ aus Tristan und Isolde kommt einem spontan in den Sinn. Die Dunkelheit der Nacht wird wunderbar illuminiert  durch ein Grablicht der Nachtigall, das sich am Ende der Oper ins Vielfache multipliziert und das aufs Schönste kontrastiert mit den hellen Wolken vor dem Traumhimmel von Hoffegut (hier wiederholen sich wenige Videoeinspielungen). Doch Menschen- und Vogelwelt können nicht zueinander gelangen; der Morgen naht.

Die Bühne zeigt uns anschließend eine futuristische Welt mit allerhand elektronischem Schnickschnack und mit überdimensioniertem Vogelhaus sowie einer (im Wortsinn) auf Linie gebrachten Vogelgesellschaft, die zu funktionieren hat. Ihre Gewandung hat sich der der Menschen (ins grau-blau Kleinkarierte) stark angenähert. Eigentlich bleiben nur die Vogelköpfe. Das sind starke, unaufdringliche aber markante Gestaltungsideen, die den Betrachter mitnehmen.

Immer aufs Neue wird die Lichtgestaltung zu einem handelnden und gestaltenden Faktor, wenn im Freeze das Bühnenpersonal versteinert im Dunkel verbleibt und einzelne Solisten ihre Handlungsstränge unter farblichen Strahlenbündeln spielen. Am deutlichsten wird das beim mahnenden Auftritt des Prometheus in blutroter Farbgebung. Doch Ratefreund beharrt auf seinem Plan, seiner (fixen) Idee und seinem Führungsanspruch: Krieg!

Die Vögel Foto: Stephan Walzl

Besonders aufrüttelnd und an den Puls gehend sind stets Gewitter-, Sturm- und Naturgewaltenschilderungen in Opern. Kaum ein Komponist hat sich nicht einmal daran versucht. Und auch Braunfels macht hier keine Ausnahme. Der Donnerkeil, den Zeus ins Vogelreich sendet, um die alte Ordnung wiederherzustellen, ist ein Erdbeben mit Orkanstärke in allen Gewerken und im Orchestergraben. Ein wenig Blitz aus Beethovens Pastorale und sehr viel Sturm aus Wagners Holländer, an die manche Blechfanfare von Ferne erinnert. Halogene Blitze, nicht enden wollendes Chaos, Flucht, Vertreibung, Zerstörung (das Zusammenfallen des Vogelhauses ist dem Hexenhaus-Kollaps aus der Oldenburger Hänsel-Produktion wohl abgeschaut?); dazu Feuer und Dampf allerorten und endlich, nachdem man sich gesammelt hat, eine zunächst verhalten angestimmte Lobeshymne auf Zeus. Anschließend leert sich die Vogelwelt-Bühne: Eine „Vogeldämmerung“, welche die Grablichter für die Gefallenen zurücklässt! Das eine Licht für Ithys hat sich vervielfältigt nach diesem Krieg (man bedenke, dass das Werk 1919 vollendet wurde).

Dass sich der gescheiterte Ratefreund als ehemaliger Chefideologe und vor allem Demagoge in Feinripp und mit Schnapsflasche durch die Vogelreihen schleicht, mag man als etwas überzogen empfinden, ist aber Ausdruck eben des Eingestehens, gescheitert zu sein, ohne selbstkritisch zurückzublicken.

Auf der Bühne verbleiben die drei Protagonisten einsam (Nachtigall), zynisch (Ratefreund) und resigniert-traurig (Hoffegut). Ratefreunds neue Devise ist an wendehalsmäßiger Attitüde nicht zu überbieten: „Auf in die Stadt!“ nach dem Motto: „Was kümmert mich meine Rede von gestern!“ (übrigens ein Ausspruch von Konrad Adenauer). Alles ist zerschlagen und zerstört; aber die Verantwortlichen machen sich ungeachtet dieser von ihnen zu verantwortenden Schäden vom Acker. (Da mag mancher in diesen Tagen seine eigene Lesart von Aktualitäten erkennen).

Hoffegut, der ewige Romantiker, erkennt im Erlebten (Geträumten?) das Schöne, das Wahre und vielleicht auch das Gute. Diese sokratischen Tugenden, die er als Person im Abgelaufenen erlebte, fasst er zusammen in seinen letzten Worten: „Es war erlebt, drum ist´s. Hinab denn, ach, ich hab gelebt.“

Hier formt sich die Inszenierung äußerst schlüssig und organisch zurück in die Videoprojektion des Anfangs. Unter den letzten leidenschaftlichen Gesängen Hoffeguts und den sich anschließenden Seufzern der Nachtigall erzählt die Projektion die Geschichte weiter. Die Kollegin am Nachbarschreibtisch im einförmigen Büro des Anfangs zwinkert ihm zu und sein Blick als letzte schöne Erinnerung an diesen Traum geht in den Himmel zu den Vögeln. Ein überwältigend starkes und immens schönes Bild.

Die Vögel Foto: Stephan Walzl

Stimmen und Instrumente

Die Vielfalt der teilweise nahezu irrsinnig komplexen Stimmen bei Solisten und im Chor ringen alleine Respekt ab. Allen voran natürlich die des „Liebespaares“ Nachtigall und Hoffegut. Ihr nahe am Liebesduett aus „Tristan und Isolde“ gelegenes sängerisches „Pas de deux“ ist einer der Höhepunkte der Partitur und des Abends. Dass man im 2. Akt die Tauben-Hochzeit gestrichen hat, ist schade um die Musik, aber zielführend für den ungebrochenen Fluss der Handlung.

Unumstrittener Star der Produktion ist Penelope Kendros mit der halsbrecherischen Partie der Nachtigall, die sie auf den makellosen Punkt bringt. Was sie in dieser Rolle an Präzision, Gesangskultur und Kondition leistet, ist mit kaum einer Koloraturpartie in diesem Fach zu vergleichen. Keine Königin, Olympia oder Lucia di Lammermoor reichen im Schwierigkeitsgrad an diese Partie.

Im 2. Akt vom nahezu wie aus der Ferne gesungenen „Narzissus, zitterst du im Licht“ bis zum „Wer hört die klingende Ferne, nie vergisst er sie mehr“ eine Hommage an eine utopisch-paradiesische Welt.

Weit über zwei Oktaven Ambitus, permanente auskomponierte chromatische Skalen, Kaskaden aus Dreiklängen und Trillerketten. Etwas Vergleichbares hat man kaum zuvor gehört: Olympisch! Und sie liefert das alles ab mit einer Nonchalance, die staunend macht. Dass die Kendros darüber hinaus auch noch beseelt (mit)spielt: Geschenkt! Bravi!

Den Bassbuffo Ratefreund gibt Arthur Bruce mit Hingabe und mal zarten, mal deutlichen ironischen Brechungen in Stimme und Auftreten. Er kann seine Rolle je nach den Erfordernissen mal freundlich, mal albern, mal satanisch, mal umwerbend ausgestalten. Seine Tiefe ist enorm, seine Höhe stets sicher und strahlend. Bruce vermag es, seinem Ton die stimmigen Begleitfarben zu entlocken, die nötig sind, um ihn stimmlich zum Magier, Demagogen, Gescheiterten oder Kumpel zu machen. Wie wandlungsfähig er sein kann, mag man daran sehen, dass er den unbeholfenen Gärtner im Feuerwerk ebenso gekonnt zu spielen weiß wie den verschlagenen, politisierenden Rattenfänger Ratefreund.

Der Romantiker Hoffegut ist bei Jason Kim in den besten Händen. Sein mal trübsinnig-depressiver Gesang und dann wieder leidenschaftliches Aufbegehren sind tragende Elemente des Abends. Wer seine reife Stimme in der Entwicklung erlebt hat, hört den erfahrenen und sich der Emotion des Moments völlig ausliefernden Sängers, der glaubhaft die Phrasen, die es zu singen gilt, auch durchlebt. Natürlich ist die Liebesszene mit der für ihn unerreichbaren Nachtigall das Bravourstück der Oper. Aber am deutlichsten wird sein sängerisches Talent im Finale der Oper, wo er sein Schluchzen und sein Hadern mit der Traumwelt, die es nun zu verlassen gilt, kaum unterdrücken kann. Wer da nicht ergriffen in sich hineinhorcht und die Szene nachhaltig inhaliert, dem ist nicht zu helfen.

Die Vögel Foto: Stephan Walzl

Den willfährigen Wiedehopf sang als Gast Maximilian Krummen, der mit angenehm timbrierter Stimme, akustisch durchsetzungsstark und szenisch überzeugend in die Rolle des wetterwendischen Ex-Chefs der Vogelwelt schlüpfte. Eine höchst warme und farbige Baritonstimme, die in der Höhe zu glänzen weiß, ohne je zu forcieren. Szenisch war er unbedingt ein Gewinn, vor allem wenn man überlegt, dass er in Oldenburg Einspringer war. In Braunschweig dürfen ihn die Süd-Niedersachsen bald genießen.

Herausragend auch der Prometheus von Juhyeon Kim, der seine ganze stimmliche Fülle benötigte, um den kräfteraubenden Parforceritt durch den orchestermassierten Monolog des Mahners durchzustehen. Seine ausdrucksstarke Erscheinung und seine Bühnenwirksamkeit sind frappant. Der Mahner ohne Chance, der sein eigenes Schicksal am Felsen des Kaukasus beschwört, um die Vogelwelt von der dringlichen Umkehr zu überzeugen, ist ein fast fanatischer Kämpfer für den Sinneswandel des gefiederten Volkes. Vergeblich wirbt er um seine Erkenntnis. Der Krieg naht, Zeus donnert schon.

Brianna Meese als beseelter Zaunschlüpfer, Dorothee Bienert als bühnenpräsente Drossel, Irakli Atanelishvili als wissender Rabe, Seungweon Lee als ebenso mahnender wie kluger Adler (und Stimme des Zeus aus dem Off) boten allesamt facettenreiche und gut gezeichnete Rollenbilder im Spiel und mit stimmlicher Verve.

 Es bleiben aber vor allem die drei konditionsstarken, stimmgewaltigen und klangschönen Protagonisten im Gedächtnis, von den Penelope Kendros und Arthur Bruce gewiss bald zu Publikumslieblingen werden; Jason Kim ist es bereits.

Die Klangopulenz der vereinigten Opern- und Extrachöre bestechen durch Üppigkeit, Präzision und Farbigkeit. Die Vielfalt der Chorpartie ist einigermaßen singulär im Opernschaffen der Zeit; Quantität und Facettenvielfalt in der Chortextur suchen ihres Gleichen: Vom hymnischen Unisono, über stark durchbrochene, rhythmisch hochkomplexe Chorsätze bis zu engelsgleichen Gesängen ist da alles dabei, was man auch in Mahlers 2. Sinfonie (am Ende der Spielzeit) so oder ähnlich benötigen wird. Der „Ermächtigungs“-Choral im 1. Akt sowie die Zeus-Hymne im 2. Akt sind monströs-hymnische Momente voller Magie! Man verneigt sich vor der homogenen Zusammenführung der verschiedenen Ensembles und der opulenten Massenbewegung, aber auch vor dieser enormen Vorbereitung, für die Thomas Bönisch, Paul Plummer und Felix Schauren verantwortlich zeichnen.

Das alles wird kompakt und mit großer souveräner Gestaltungskraft vom 1. Kapellmeister Vito Cristofaro zusammengehalten und auf sichere Bahnen geführt. Er hatte mit dieser Vorstellung sein Werk-Debut und brachte alles an Dirigentischem und Gestalterischem mit, wozu es hier bedurfte: Sicheres Gespür für den Moment, was Ruhe, Kontemplation, aber auch Aufrührerisches und Machtvolles betrifft.

Die Musik unterstreicht Karikierendes, Groteskes und Ironisierendes (vor allem in Ratefreunds Monologen) ebenso, wie es Klangmalerisches wie in einem Kaleidoskop beschwört. Angst und Zorn beim Vogelangriff im 1. Akt und natürlich der famose Zerstörungssturm am Ende des 2. Aktes sind Musik ohne Worte aber mit enormem Gewicht. Die wenigen Wackler im 1. Akt können nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine von ihm gewohnt gute Zusammenführung von Bühne und Graben zu konstatieren ist; und überdies gibt es eine insgesamt günstige Balance, wobei es sicher hilfreich war, dass gerade die Protagonisten auch häufig von der Rampe singen durften. Fast klingt Braunfels bei Cristofaro wie improvisiert und aus dem Moment erfunden, er lässt den solistischen Orchesterstimmen Zeit und Muße zum Ausspielen ihrer Soli, und bisweilen kann er eben auch das Orchester klingen lassen wie bei zartem Debussy oder naturalistischem Wagner. Die Ring-Erfahrungen war für solche epischen Werke gewiss von Vorteil.

Die Vogelstimmen im Orchester kommen natürlich vorrangig von den Bläsern (vor allem die Solo-Flöte kann sich hier auszeichnen), denen hier ein besonderes Lob gebührt. Aber auch manch famoses Solo von Kontrafagott, Horn, Trompete und Posaune sowie einem präsenten aber nicht aufdringlichen Schlagwerk und den in der Loge postierten Harfen tragen zum überragenden Gesamteindruck bei. Bravi!

 

Die Vögel Foto: Stephan Walzl

Fazit

Ein überwältigender Abend mit einer im Kleinen wie im Großen überzeugenden Regiehandschrift, einer Szenerie mit überbordendem Farbenreichtum, fantastischen Lichtstimmungen und einem umwerfenden Solistenensemble. Dazu ein Chor von machtvoller Präsenz und ein Orchester mit leidenschaftlichem Zugriff. Was will man mehr?

Die Ovationen aus dem Publikum hielten lange an! (Der völlig überzogen agierenden Claqueure aus der Intendantenloge mit permanentem Gejohle hätte es da zu keinem Zeitpunkt bedurft…).

Ohrenschmaus und Augenweide garantiert. Unbedingt noch hingehen, so lange wie man eine Gelegenheit hat. Eine Produktion mit Potential zum Wiederholungsbesuch; und zur Wiederaufnahme? Verdient wär´s allemal!

Read more