Münster, Theater Münster, KOMÖDIE BUNBURY - Oscar Wilde, IOCO

Münster, Theater Münster, KOMÖDIE BUNBURY - Oscar Wilde, IOCO
Theater Münster, Foto: Oliver Berg

Der Traum von absoluter Freiheit

Premierenerfolg für Oscar Wilde – Komödie „Bunbury“ in Münster

Von Hanns Butterhof

Münster: Am großen Haus des Theaters Münster hat die Komödie „Bunbury“ von Oscar Wilde aus dem Jahr 1895 einen großen Premierenerfolg erzielt. In der Regie von Sebastian Schug erfüllt sie den Traum aller Karnevalisten, einmal jemand ganz anderer und absolut frei zu sein.

Der erste Akt spielt in einem dekadent - schwülstigem Salon mit Art Deco - Mobiliar und einer zähnebleckenden Geparden-Figur (Bühne: Jan Freese). Zwei Herren aus besseren Kreisen ergehen sich in spitzer Kritik der Viktorianischen Gesellschaft. Der städtische Algernon Moncrieff (Pascal Riedel), Besitzer des Salons, und sein auf dem Land lebender Freund Jack Worthing (Ansgar Sauren) sind verschiedene Typen. Algernon ist die wandelnde Lustorientiertheit, zeigt sich dürftig mit Slip und leichtem Morgenmäntelchen bekleidet (Kostüme: Nico Zielke) und lässt genussvoll nicht bezahlte Rechnungen ins Publikum flattern. Jack hingegen gibt in seinem Anzug eine recht bürgerliche Figur ab. Beiden ist jedoch gemeinsam, dass sie sich jeder einen Bruder erfunden haben, um den sie sich kümmern zu müssen vorgeben, wenn sie sich ungeliebten gesellschaftlichen Pflichten entziehen wollen. Algernon geht dann unter dem Namen Bunbury seinen Gelüsten auf dem Land nach, Jack tut das gleiche als Ernst in der Stadt; Algernon nennt das bunburysieren.

Ensemble. (v.li.: Ilja Harjes, Raphael Rubino, Artur Spannagel, Agnes Lampkin, Ansgar Sauren, Elzemarieke de Vos, Clara Kroneck, Pascal Riedel), Foto: Sandra Then

Und Jack hat ein Problem. Er hat sich bei einem solchen Bunburysieren in die kühle Blonde Gwendolen Fairfax (Clara Kroneck) verliebt, die ihn in spleeniger Weise seines Namens wegen lieben gelernt hat. Sie bedauert jede Frau, deren Mann nicht Ernst heißt. Als sie in Algernons Salon auftaucht, versucht Jack mit den komischsten sprachlichen und körperlichen Verrenkungen, sie zur Heirat zu bewegen, ohne preiszugeben, dass er nicht Ernst ist. 

Der zweite Akt spielt im Garten von Jacks treibhausartig von Palmen umstandenen Haus auf dem Land. Jack trägt jetzt einen schwarzem Traueranzug, dessen Hose bizarrerweise nur aus den Hosenbeinen besteht. Gerade hat er seinem Mündel Cecily Cardew (Elzemarieke de Vos) erklärt, dass sein Bruder Ernst verstorben sei, da taucht Algernon auf und bringt Jack damit in Verlegenheit, dass er behauptet, der doch nicht verstorbene Ernst zu sein. Vormund Jack hat Cecily, die über ihr kindliches Wesen deutlich hinausgewachsen ist, von seinem bösen Bruder Ernst erzählt. Sie hat sich in dies Bild von ihm und die Vorstellung verliebt, was alles Schlimmes er mit ihr anstellen könnte, und kann einen ganzen Karton an ihn und an sich von ihr verfassten Liebesbriefen vorweisen. Und jetzt ist er leibhaftig da und zeigt ihr, was Schlimmes in ihm und ihr steckt.

Die Gouvernante hat ein Geheimnis (Ilja Harjes, Artur Spannagel, Pascal Riedel, Elzemarieke de Vos, Clara Kroneck), Foto: Sandra Then

Als auch Gwendolen bei Jack auftaucht, um ihre Hochzeit zu bereden, kommt es zum munteren Zickenkrieg. Beide, Cecily im rosa Kleidchen mit rosa Plateau - Pumps, Gwendolen im silbernen Röckchen mit hellgrünen Plateau – Pumps, bekommen sich um Ernst in die Haare, ohne erst zu merken, dass mit Ernst jede einen anderen meint. Doch schließlich klärt sich alles auf, Cecily und Algernon, Gwendolen und  Jack kommen unter ihren wahren Namen zusammen. In dieser Harmonie feiern alle, einschließlich Gwendolens Mutter Lady Bracknell (Agnes Lampkin) , Cecilys Gouvernante Miss Prism (Ilja Harjes), ein Reverend (Raphael Rubino) und der Butler (Artur  Spannagel) die absolute Freiheit und grabschen ausgiebig aneinander herum oder vögeln miteinander.

Das Ensemble macht das Beste daraus, dass die meisten Figuren reine Klischees sind. Elzemarieke de Vos ist eine hinreißende Schmierenkomödiantin, die mit ihrer durchschaubaren  Kleinmädchenattitüde und Naivität den zweiten Akt prägt. Sie erspielt, dass sie nicht das ist, was sie vorgibt zu sein. Die anderen Rollen behaupten das nur von sich, und wo sie ein anderes Ich zeigen, vor allem beim mehr oder wenigen schnellen Sex, bleibt es papieren. Pascal Riedel gibt als Algernon einen netten Klischee-Lüstling mit der Neigung, in Unterwäsche mit leichtem Überwurf aufzutreten,  Ansgar Sauren spielt mit merkwürdig hinter den Ohren befestigtem Schnurrbart den bürgerlichen, leicht verführbaren Typ. Agnes Lampkin agiert als autoritäre Lady Bracknell im schwarzen Witwenkleid wie eine Wiedergängerin von Queen Viktoria, und Clara Kroneck als blasierte Gwendolen kuscht vor ihr. Ilja Harjes singt schön zur Gitarre als Gouvernante mit Haaren auf den Zähnen, und Raphael Rubino sowie Artur Spannagel gefallen als Reverend und Butler.

Regisseur Sebastian Schug, von dem auch die recht heutige Übersetzung des Stückes stammt, hat das Stück durchaus überdreht inszeniert. Ihm ist leider nicht viel mehr eingefallen, als die absolute Freiheit wie einen Karnevalistentraum von Verkleidung und ungehemmtem Sex darzustellen. Bedauerlich ist, dass die vielen gesellschaftskritischen Pointen durchwegs nicht so präzise artikuliert werden, dass sie zünden, wie sie es verdient hätten. Wo Queerfeindlichkeit und Sexismus kritisch thematisiert werden, wie das Programmheft warnt,  bleibt Schugs Geheimnis.

Nach gut zwei Stunden gab es standing ovations des Premierenpublikums für alle an der Produktion Beteiligten, besonders kräftig für Elzemarieke de Vos und  Pascal Riedel.

 

Die nächsten Termine: 5., 10. und 19.12., jeweils um 19.30 Uhr. 31.12. um 14.00 und 18.30 Uhr.

 

 

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