Lübecker Theater, "CABARET", Kander/Ebb, 22. Mai 2025, IOCO

Lübecker Theater, "CABARET", Kander/Ebb, 22. Mai 2025, IOCO
Theater Lübeck ©Wolfgang Schmitt

Das Musical „Cabaret“ mit der Musik von John Kander und den Liedtexten von Fred Ebb wurde 1966 komponiert und gilt als Meilenstein des Genres Musical. Es ist ein kraftvolles, bewegendes Stück, welches sowohl musikalisch als auch thematisch berührt, basierend auf dem autobiographischen Episoden-Roman „Leb' wohl Berlin“ von Christopher Isherwood.

Uraufgeführt wurde „Cabaret“ 1966 in New York, die deutsche Erstaufführung fand 1971 am Lübecker Theater in der Regie des legendären damaligen Intendanten und Musical-Fachmanns Karl Vibach statt.

Nun ist „Cabaret“ zurück auf der Lübecker Bühne, die Story um das temperamentvolle Revue-Girl Sally Bowles, die in dem Berliner „Kit Kat Club“ auftritt, und den jungen amerikanischen Schriftsteller Cliff Bradshaw, der hier Inspirationen für sein neues Buch zu finden hofft. Eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Aufstiegs der Nationalsozialisten zu Beginn der 1930er Jahre.

Johannes Merz und Will Workman ©Katrin Ribbe

Die Inszenierung besorgte Malte C. Lachmann in dem eindrucksvollen Bühnenbild von Ramona Rauchbach, die auf der Drehbühne als schwarzgrauen Kulisse eine heruntergekommene Gasse mit Reklametafeln und Torbögen mit Blick auf triste Hinterhöfe geschaffen hatte.

Durch Drehung dieser Kulisse erscheinen halbkreisförmige Räume wie die Showtreppe des nicht wirklich glamourösen Kit-Kat-Clubs, oder ein kleines Eisenbahnabteil, in dem sich Cliff Bradshaw und der zwielichtige Ernst Ludwig erstmals begegneten, oder das enge Zimmer in Fräulein Schröders Pension mit Bett, Schreibtisch, aufgemalter blauer Couch und Waschbecken, in dem Sally und Cliff leben.

Im rechten Halbrund saß die siebenköpfige Band, die unter der Leitung von Willy Daum am Piano eine durchaus mitreißende Mischung aus Swing, Ragtime, Jazz und Charleston hören ließen und die Solisten beschwingt und energiegeladen in ihren Songs und Ensembles großartig begleiteten.

Die sieben Band-Musiker waren ebenso in schrillen bunten Phantasie-Kostümen gekleidet wie die Kit-Kat-Girls und die Boys, die auch als Matrosen, Zollbeamte, oder in brauner Uniform auftraten (Kostüm-Entwürfe von Tanja Liebermann).

Die Protagonisten zeigten große Spielfreude, und die Choreographie von Tiago Manquinho tat ein übriges zu dem bunten Treiben.

Sonja Cariaso als Sally Bowles ©Katrin Ribbe

Sally Bowles, natürlich im Glitzerkostüm mit Strapsen oder auch mal in einer Pelzjacke, wurde treffend dargestellt und gesungen von Sonja Cariaso, die lebendig und übermütig über die Bühne wirbelte und ihre Songs „Mein lieber Herr“ und „Cabaret“ fast rockig darbot, während ihr das melancholische „Maybe this Time“ wunderbar emotional geriet.

Andreas Hutzel als heruntergekommen wirkender Conferencier mit blauem Auge und im Schlabber-Look wirkte in seiner Eingangsnummer „Willkommen Bienvenue Welcome“ noch gelangweilt und lustlos, glänzte jedoch im Duett mit Sally, „Money makes the world go round“, wobei die Geldscheine flogen und die Statisten die Showtreppe nach unten krochen, um abzugreifen, was sie erhaschen konnten. Auch seine beiden humorvoll und clownesk dargebotenen Nummern „Two Ladies“ - mit zwei Girls und zwei Boys - und „Sähet ihr sie mit meinen Augen“ mit nicht nur einem, sondern am Ende sieben Gorilla-Weibchen, waren amüsant anzuschauen.

Andreas Hutzel als Conferencier mit Tänzern ©Katrin Ribbe

Will Workman war ein sympathischer Cliff Bradshaw, ein freundlicher, verständnisvoller Liebender, der um Sally glaubhaft besorgt ist und der sowohl stimmlich als auch tänzerisch in einigen Szenen mit Sally sein Bestes gab.

Johannes Merz punktete als Ernst Ludwig mit eleganter, gewinnender Ausstrahlung und angenehmen Stimmklang, er hatte seine stärksten Momente auf der Verlobungsfeier des älteren Liebespaars, und hatte ganz am Ende – vom Regisseur wohl als „Schlußgag“ angelegt – den Conferencier zu erschießen.

Jenes ältere Liebespaar, Fräulein Schneider und Herr Schulz, wurden dargestellt von Astrid Färber und Michael Fuchs, doch diese späte Liebe zwischen der resoluten Pensionswirtin und dem jüdischen Obsthändler scheitert schließlich an den politischen Realitäten und deren unüberwindbaren Hindernissen. Beide hatten anrührende Momente in ihren Szenen, wenn er ihr z.B. mit Äpfeln oder mit Ananas den Hof macht, und besonders in ihrem Duett „Heirat“.

Susanne Höhne, Astrid Färber und Michael Fuchs ©Katrin Ribbe

Und schließlich ist da noch das Fräulein Kost, die ebenfalls in Fräulein Schneiders Pension logiert und die eine Schwäche für Matrosen hat. Nur mit ihren Liebesdiensten ist sie in der Lage, die Miete zu bezahlen, sehr zum Unmut der Pensionswirtin, die ihr Haus nicht zu einem Bordell verkommen lassen will. Doch da sie das Geld dringend benötigt, drückt sie beide Augen zu und tut so, als ob sie nichts merkt. Großartig dargestellt wurde dieses Fräulein Kost, ausstaffiert im Morgenrock und mit den unverzichtbaren Strapsen, von der attraktiven Susanne Höhne, die nicht nur mit ihrem Männer-Verschleiß einige amüsante Noten zur Handlung beisteuern konnte, sondern auch während der Verlobungsfeier eine starke Gesangsszene hatte, als sie mit wohlklingendem Mezzo das Lied „Der morgige Tag ist mein“ anstimmte.

Schlußapplaus © Wolfgang Radtke

Nachdem die Liebesgeschichte zwischen Sally und Cliff kein Happy-End erfährt, Sally sich weigert, mit Cliff nach Amerika zu gehen, sie sogar eine Abtreibung hinter sich hat, verläßt er enttäuscht Berlin, während Sally weiterhin im Kit-Kat-Club auftritt. Ihr Leben ist und bleibt eben ein „Cabaret“.