Lübeck, Stadttheater, LUCIA DI LAMMERMOOR - G. Donizetti, IOCO

Lübeck, Stadttheater,  LUCIA  DI  LAMMERMOOR - G. Donizetti,  IOCO
Sophia Theodorides / Lucia und Noah Schaul / Arturo ©Olaf Malzahn

23. Mai 2025

Dunkelheit herrscht im Park von Schloß Ravenswood, in dem während der Ouvertüre zwei kleine Mädchen in roten Kleidern im Herbstlaub fröhlich und unbeschwert herumtollen.

Der erste Akt beginnt, aus den beiden Mädchen im Park sind junge Frauen geworden, Lucia und ihre Vertraute Alisa, die sich noch immer fröhlich mit Herbstlaub bewerfen und sich hinter den Bäumen verstecken. Doch im Hintergrund auf dem ansteigenden Treppengerüst beobachten Enricos ganz in schwarz gekleidete Mannen die Szenerie (Bühnenbild und Kostüme von Tatjana Ivschina).

Konstantinos Klironomos / Edgardo und Sophia Theodorides / Lucia ©Olaf Malzahn

Hier im Park zwischen den hohen Bäumen treffen sich Lucia und Edgardo und schwören sich ewige Treue, bevor er nach Frankreich abreisen muß.

Konstantinos Klironomos und Sophia Theodorides ©Olaf Malzahn

Dieses schön anzuschauende Park-Bühnenbild mit den Bäumen und dem Herbstlaub ist im zweiten Akt verschwunden, es gibt auf der dunklen Bühne nur noch das steil ansteigende Treppengerüst, auf dem der schwarze Herrenchor sich positioniert. Dieser von Jan-Michael Krüger in all seiner gesanglichen Dramatik perfekt einstudierte Herrenchor erfüllte in der ausgefeilten Personenregie von Anna Drescher seine mannigfaltigen szenischen Aufgaben in der grausamen archaischen Männerwelt von Ravenswood, angeführt von Normanno, wenn sie anfangs ihre Gewehre reinigen, oder mit gierigen Blicken die Entkleidungsszene verfolgen, als Enrico seiner Schwester das rote Kleid auszieht und ihr die mächtige, prachtvolle weiß glitzernde Hochzeitsrobe mit der ellenlangen Schleppe anlegt, oder wenn Edgardo ganz am Ende unter der Übermacht dieser schwarzen Männer schließlich versinkt.

Donizettis Werk mit seiner melodischen Schönheit, seinen virtuosen Arien, seiner emotionalen Intensität und den tiefgründigen Charakterzeichnungen fand seine effektvolle Entsprechung in dem spannungsreichen Dirigat von Tokahiro Nagasaki, der die Partitur mit seinem Philharmonischen Orchester sowohl weich und fließend, aber auch dynamisch und leidenschaftlich zupackend auszuloten verstand. Die Streicher glänzten mit zart schwingenden Melodiebögen, aber auch die solistischen Einlagen der Bläser und ganz besonders der Einsatz der Glasharmonika während Lucias großer Wahnsinns-Szene verfehlten ihre Wirkung nicht und sorgten für ein ungewöhnliches, herrliches Klangerlebnis. Am Ende stirbt sie hier nicht, sondern bleibt in ihrem blutbefleckten weißen Kleid auf der Bühne sitzen, so als ob sie ihren Triumph genießt, sich in dieser rauhen Männerwelt behauptet zu haben.

Sophia Theodorides als Lucia im Brautkleid ©Olaf Malzahn

In der Titelpartie beeindruckte Sophia Theodorides nicht nur stimmlich mit ihrem hell timbrierten, lyrischen Koloratursopran, den sie mit berückender Leichtigkeit und Natürlichkeit führt und dessen strahlendes Höhenregister sie mit perfekt sitzenden Spitzentönen krönt. Auch darstellerisch überzeugte sie mit ihrer natürlichen Bühnenpräsenz und ihrer charmanten Gestik und Mimik gleich im ersten Akt im Liebesduett mit Edgardo, welches sehr harmonisch geriet und innige Momente aufwies. Ihre große Szene „Il dolce suono – Ardon gli inscensi“ gestaltete sie mit zarter Lyrik, wunderbar fließenden Koloraturen und kontrollierter Dramatik.

Sophia Theodorides als Lucia © Wolfgang Radtke

Ihr Edgardo war Konstantinos Klironomos, ein Tenor von sympathischer Erscheinung mit kraftvollem Stimmklang und sicherer Höhe, 'Belcanto' ist seine Sache allerdings nicht so sehr. Und während seiner letzten großen Szene, „Tombe degli avi miei – Fra poco a me ricovero“, in der er sich hauptsächlich auf die Spitzentöne konzentrierte, hatte man den Eindruck, daß er seine Kraftreserven besser hätte einteilen sollen.

Konstantinos Klironomos © Wolfgang Radtke

Gerard Quinn war der gestrenge Enrico Ashton, der aus politischen und finanziellen Gründen seine Schwester mit Arturo Bucklaw verheiraten will. Fordernd und fast väterlich im Umgang mit Lucia, gestaltete er seine Partie mit seinem noch immer geschmeidig und sonor klingendem Heldenbariton eindrucksvoll, insbesondere im zweiten Akt und in dem Duett „Appressati Lucia“.

Der lyrische Tenor Noah Schaul in seinem kurzen, aber prägnantem Auftritt als ungeliebter Bräutigam Arturo im eleganten weißen Hochzeits-Anzug genoss die in rosarotes Licht getauchte Hochzeitsfeier mit vielen Luftballons und nahm selbstsicher Besitz von der verstörten Lucia, nicht ahnend, daß sein Ende naht.

Schlußapplaus © Wolfgang Radtke

Der Bass Changjun Lee interpretierte die Partie des Raimondo mit seiner dunkel timbrierten, volltönenden Stimme, schönen Legato-Phrasen und vielseitigen Ausdrucksnuancen.

Delia Bacher ließ ihre schöne Alt-Stimme als Alisa, Lucias Freundin und Vertrauter, vernehmen und ergänzte das Ensemble tadellos, ebenso wie der Tenor Wonjun Kim als Normanno..

Großen Jubel gab es am Ende, ganz besonders für die Titelheldin.