Hamburg, Staatsoper, IL TROVATORE - Giuseppe Verdi, IOCO

IL TROVATORE, HAMBURG: Giuseppe Verdi war im Wesentlichen ein Komponist des Dramas und des Abgrundes. Nach seinen Worten waren die Klagen, Il trovatore sei zu traurig, weil es zu viele Tote darin gäbe unberechtigt.

Hamburg, Staatsoper, IL TROVATORE - Giuseppe Verdi, IOCO
Staatsoper Hamburg @ Michael Westermann

Kampf, Liebe, Tragödie und Tod - 17.3.2024: Dramatisch packende Premiere von Verdis Il trovatore in Hamburg

Giuseppe Verdi war im Wesentlichen ein Komponist des Dramas und des Abgrundes. Nach seinen Worten waren die Klagen, Il trovatore sei zu traurig, weil es zu viele Tote darin gäbe unberechtigt. Für ihn stellte sich nach dem Tod seiner Mutter und familiären Konflikten die Frage was und wer schon lebe.

Giuseppe Verdi in Mailand @ IOCO

Verdis Blick in die Abgründe des Menschseins und eine Welt voller Krieg und Gewalt ist für uns heute durch die täglichen Nachrichten präsent. So ist Il trovatore aktuell, lässt schaudern und das Seelendrama packt unmittelbar an.

Graf Luna und Manrico, sind Gegner in einem mörderischen Bürgerkrieg um die Macht in Spanien. Beide lieben die Hofdame Leonora. In Eifersucht und Hass bekämpfen sie sich in unfasbarer Wut. Das blutrünstige erotische Dreieck endet mit dem Tod von Leonora, Manrico und Luna, der sich erschießt, als er von Azucena erfährt, dass er soeben seinen Bruder getötet hat. Azucena ist eine der abgründigsten Figuren der Handlung. Ihre Mutter wurde zwanzig Jahre vor Beginn der Handlung auf dem Scheiterhaufen von Lunas Vater wegen Hexerei verbrannt. Dieser Feuertod und der Fluch von Azucenas Mutter liegt auf allen Beteiligten. Verdi hat hier auch die übermächtige psychologische Komponente der individuellen und gesellschaftlichen Gewalttraumatisierung vertont. Azucenas Wahn fußt auf dieser Gewalterfahrung und führt dazu, dass sie, anders als beabsichtigt, statt des von ihr geraubten Sohnes des Graf Luna namens Manrico, also Lunas Bruder, ihr eigenes Kind in die Flammen warf. Manrico gegenüber gibt sie sich als seine Mutter aus und offenbart ihm gegenüber nur kurz seine wahre Herkunft.

Trailer | Il trovatore an der Staatsoper Hamburg youtube Staatsoper Hamburg

Der Tod der Mutter und die Rache dafür werden Azucenas prägendes Lebensmotiv, das ihre Tage bestimmt. Sie ist eine Traumatisierte des Krieges, die die durch das Artilleriefeuer des 1. Weltkrieges psychisch zerrütteten Zitterer des 1. Weltkriegs vorwegnimmt.

Mit der ständigen Gefahr des Todes im Il trovatore wiederholen sich die Worte Virgils an Dante "alle Hoffnung fahren zu lassen". Azucena, Leonora, Luna und Manrico werden vom Feuer, Leidenschaft und Gewaltphantasien verzehrt. Sie alle sind Verzweifelte und Verurteilte in einem lange währenden Todeskrampf, der sich schon im dumpfen, unheilvollen Dialog von Pauke und Trommel zu Beginn der Oper ankündigt.

Immo Karamans Inszenierung in den Bühnenbildern von Alex Eales und den Videos von Philipp Contag-Lada zeichnet jene düstere Atmosphäre. Örtlich angesiedelt ist die Handlung in der großen Halle des Palastes des Grafen Luna. Die düstere Stimmung wird durch plastische Lichtgestaltungen veranschaulicht. Symbole des Traumas und des allgegenwärtigen Krieges sind aber auch eine brennende Kellnerin, ein brennender Kinderwagen und eine Vergewaltigung. So erzählt er das Werk als eine emotional verstörende Begebenheit. Die räumliche beengte Bühne schafft ein Gefühl von Unterdrückung und Enge, die auch den Seelenzustand der Protagonisten wiederspiegelt.

IL TRAVATORE - Szenefoto @ Brinkhoff / Moegenburg

Die starken dramatischen Momente Verdis werden in modernen Bildern eingefangen und unwillkürlich fühlt man sich auch an Bilder der Bombardements in der Ukraine erinnert. Luna ist ein vergewaltigender saufender Wüstling. Beide männliche Hauptfiguren verfügen über einen athletischen Körperbau und bärtige Gesichter. So wird sowohl die Verwechslung am Anfang als auch die Bruderschaft der beiden glaubwürdig vermittelt. Kamran hat sich vom Fluss der Musik leiten lassen und begleitet ihn mit surrealistisch alptraumhaften Bildern und mit einer gekonnten Personenführung. Buhs auf offener Bühne folgten der Vergewaltigung eines Dienstmädchens durch Luna und beim Schlussapplaus. Seine große Leistung war es, ein gewalttätiges Stück zu erzählen. Kriegsverbrechen in Form von Mord, Misshandlungen oder Verschleppung sind für jeden Krieg prägend und bedrückend. Diese Gewalt und die Auswirkungen auf die Seele hat Kamran packend und suggestiv eingefangen. Packend und ohne Schnörkel hat er die Handlung erzählt und Wesen und Kern des Werkes auf die Bühne gebracht.

Giampaolo Bisanti Musikalität und sein dramatisches Gespür waren in seinen bisherigen Hamburger Dirigaten in Norma und La traviata wesentliche Erfolgsfaktoren. Den Trovatore ging er mit dem Philharmonisches Staatsorchester Hamburg in Teilen packend an. Dramatischer Aplomb prägte insbesondere das Finale. An manchen Stellen, gerade im 1. Akt in der Szene zwischen Manrico und Azucena, aber auch später nahm er sehr langsame Tempi, die den Sängern Gelegenheit zum Aussingen gaben, aber den dramatischen Fluss der Musik nicht zur vollen Entfaltung kommen ließen. So trug das Orchester mehr die Sänger durch die Handlung als dass es eigenen Akzente setzte.

Guanqun Yu verfügt über einen dramatischen Spinto-Sopran von Qualität. Mit guter Atemtechnik, sicherer Stimmführung und dramatischer Attacke in den hohen Lagen füllte sie die Rolle der Leonora aus. Schon im „Tacea la notte placida“ zu Beginn des ersten Aktes bewies sie hohe gesangliche Qualität und interpretatorisches Einfühlungsvermögen. Mit seelenvoller Tongebung einer durchgebildeten Stimmführung von der Tiefe bis in die hohe Lage, einer großen Ausdruckspalette, der poetischen Tongebung und ihrer klaren Diktion war sie eine ausgezeichnete Leonora.

IL TRAVATORE - Szenefoto Alexander Rosvalets als Ferrandon, Chor @ Brinkhoff / Moegenburg

Aleksei Isaev war ein brutaler Luna. Seines riesiges Stimmmaterial paart er mit großer Rollenidentifikation und packender Durchschlagskraft, Seine sichere tiefe Lage und die fulminante Höhe machen ihn zu einem potenten furchteinflößenden Protagonisten. Seine Stimmkultur und der Instinkt der Rolleninterpretation erinnern an große italienische Rollenvorgänger wie Aldo Protti. Mit bemerkenswerter Agilität und immenser Bühnenpräsenz wurde er zum beherrschenden Bösewicht auf der Bühne.

Elena Maximova war eine präsente Azucena. Sie verfügt über die für die Rolle erforderliche tiefe Lage. Mit wehklagenden, manchmal kehligen Tönen und einer furiosen Attacke meisterte sie ihre Partie.

Gwyn Hughes Jones´ Manrico ist ein kräftiger Held, dessen Stimme über das nötige Volumen verfügt, um auch die oberen Ränge der Hamburgischen Staatsoper zu erreichen. Dies war seine wesentliche Stärke.

Alexander Roslavets Ferrando prunkte mit mächtigem Bass, großem Stimmvolumen und beeindruckendem Spiel. Sein auftrumpendes „Alerta!“ lässt alle zu Beginn wachsam sein und er beweist, dass die Partie auftrumpend, spannungsgeladen aber auch kultiviert gesungen werden kann. Schon mit den ersten Tönen packt seine Erzählung über das Familienschicksal der Lunas und reißt mit.

Der Chor der Hamburgischen Staatsoper unter der Leitung Christian Günther präsentierte sich auf hohem Niveau mit rhythmischer Präzision und großem Einsatz.

Eine gelungene Premiere mit Einschränkungen bei den Sängern. Dankenswert, dass die Oper, die ein gesanglich schwierig aufzuführendes Werk ist, wieder auf dem Spielplan der Hamburgischen Staatsoper steht. Ein großer Gewinn für das Repertoire, insbesondere wegen der rundum gelungenen Regie.