Hamburg, Opera Stabile, DIE GÄNSEMAGD - Iris ter Schiphorst, IOCO

- September 2025
Die erste Premiere der neuen Spielzeit in der Opera Stabile der Hamburgischen Staatsoper unter der neuen Intendanz ist die Kinderoper „Die Gänsemagd“, komponiert von Iris ter Schiphorst nach dem Märchen der Brüder Grimm.
Wie der neue Intendant Tobias Kratzer mehrfach verlauten ließ, ist es ihm ein Anliegen, „Oper für alle“ machen zu wollen, insbesondere sollen auch Angebote für Kinder und Jugendliche während seiner Intendanz einen Schwerpunkt darstellen. Damit würde ein kolossaler Beitrag zur kulturellen Erziehung junger Menschen geleistet, was gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je wäre.

Und so ließ er es sich nicht nehmen, parallel zur Neuinszenierung „Das Paradies und die Peri“ im Großen Haus auch bei der „Gänsemagd“ für die Opera Stabile Regie zu führen. Gemeinsam mit seinem Bühnen- und Kostümbildner Rainer Sellmaier realisierte er diese Märchenoper von der jungen Prinzessin, die auf der Reise ins benachbarte Königreich zu ihrer Vermählung mit dem Prinzen von ihrer sie begleitenden Kammerjungfer gezwungen wird, die Kleider zu tauschen, um ihr Dasein als unterwürfige Dienerin zu beenden, nun selbst in die Rolle der Prinzessin zu schlüpfen und den Prinzen zu ehelichen. Doch der Schwindel fliegt auf, der König erkennt die wahre Prinzessin und es gibt natürlich ein Happy End für sie mit dem Prinzen.
Der gesamte Raum der Opera Stabile wurde hier zur Spielfläche umgestaltet. Angeordnet an allen vier Wänden waren die Bühnenpodeste, auf denen die Handlungsorte angedeutet waren: Das Domizil der Königin und der Prinzessin, eine grüne bewaldete Landschaft mit dem Bach und einem knorrigen Baum, der in weinrot gehaltene Schloßsaal des Königs und des Prinzen mit einer Ahnengalerie, daneben die Küche mit dem alten Ofen, sowie das Stadttor, an dem der Kopf des sprechenden Pferdes Falada später aufgehängt ward. Die Raummitte mit dem grün gestrichenen Betonfußboden war die Wiese, auf der die Zuschauer es sich so bequem wie möglich machen mußten (zum Glück wurden für ältere Besucher kleine Schemel bereitgestellt).
In diesem wunderschön anzusehenden märchenhaften Ambiente wurde nun fröhlich gespielt und gesungen. Zu Beginn wurden die Zuschauer vom Gänsehüter Kürdchen (Aebh Kelly) empfangen und eingewiesen. Kleine Kinder erhielten am Eingang Donald-Duck-Mützen und durften manchmal während der Aufführung wie Gänse schnattern.
Im mit Blumen umrankten Wohnbereich der Königin und der Prinzessin waren vier Musiker platziert (Violoncello, Klarinette, Akkordeon und Keyboard) und spielten unter dem fachkundigen Dirigat von Claudia Chan. Die nicht allzu kompliziert anmutende Partitur beeindruckte insbesondere durch die sanften Einsätze der Bass-Klarinette und die düsteren Passagen des Cellos. Auch das Akkordeon und die Klaviatur konnten einige maßgebliche Akzente setzen.

Die Titelpartie sang die lyrische Mezzosopranistin Ida Aldrian, die die gesamte Bandbreite ihrer Rolle zwischen fröhlicher Unbeschwertheit und dem nun beginnenden Abenteuer ihrer Reise zum Bräutigam bis hin zu traurigen emotionsgeladenen Momenten als unglückliche Magd aufbot.
Hellen Kwon war die böse Kammerjungfrau und kostete ihren Part sowohl stimmlich mit ihrem kräftigen Sopran und den perfekt platzierten gewollt schrillen Spitzentönen, als auch in ihrer schalkhaften, temperamentvollen Darstellung der treulosen Zofe und falschen Braut genüsslich aus. Anders als im Grimmschen Märchen gibt es für sie hier jedoch ein Happy End, und zwar mit dem Koch des Königs und Schlächters des sprechenden Pferds Falada, der ihr Herz offenbar mit Salami und Nutella gewonnen hatte. Dieser Schlächter wurde gesungen und originell dargestellt von Peter Galliard.
Die Königin hatte gleich zu Beginn eine traurige kleine Arie, „Jetzt geht mein kleines Kindchen fort“, einfühlsam gesungen von Katja Pieweck in eleganter, kostbar wirkender Robe, während die Prinzessin dabei aufgeregt und ungeduldig auf ihre Abreise drängte.
Der Bassbariton Tigran Martirossian war der leicht zerstreute, aber verständnisvolle alte König, durch dessen Wachsamkeit sich schließlich noch alles zum Guten wendet und das echte Brautpaar ihre Hochzeit mit einer riesigen Torte feiern konnte.

Sein Sohn, der Prinz, war ein introvertierter junger Mann, der wenig Interesse hatte an dem Geschehen um ihn her, der seine Nase lieber in Bücher steckte. Dieses ist eine Sprechrolle, dargestellt von Carlo Silvester Duer, der ebenfalls das Pferd Falada war (zumindest der vordere Teil, den hinteren Teil, der die ganze Last zu tragen hatte, war Raven Sieker) und diesem Pferd seine Stimme lieh.
Die schon erwähnte Aebh Kelly, Mitglied des Internationalen Opernstudios, stellte den fröhlichen Lausbub Kürdchen, den Gänsehüter mit roter Mütze dar und sang mit schön timbrierten lyrischen Mezzosopran.
Viel zu schnell waren die 65 Minuten vorbei, und die Resonanz sowohl des kleinen als auch des größeren Publikums war überwältigend. Alle Mitwirkenden wurden mit donnerndem Applaus überschüttet, ebenso das Regieteam um Tobias Kratzer, zu dem sich dann auch die anwesende Komponistin Iris ter Schiphorst gesellte.