Hamburg, Hamburgische Staatsoper, LUISA MILLER - G. Verdi, IOCO

Hamburg, Hamburgische Staatsoper, LUISA MILLER - G. Verdi, IOCO
Ensemble copyright Monika Rittershaus

von Wolfgang Schmitt

Die diesjährige Wiederaufnahme von Verdis „Luisa Miller“, vor nunmehr zehn Jahren von Andreas Homoki inszeniert und von Paul Zoller (Bühnenbild) und Gideon Davey (Kostüme) ausgestattet,  stand im Zeichen des relativ kurzfristig angesetzten Rollendebüts der hauseigenen Sopranistin Narea Son in der Titelpartie, und es wurden noch einige weitere Staatsopern-Hausdebüts und Rollendebüts angekündigt, auf die man ebenfalls gespannt sein durfte.

Nach ihrer geglückten allerersten 'Donna Anna' vor vier Wochen in der „Don Giovanni“-Wiederaufnahme hatte sich Narea Son als nächste Aufgabe Verdis „Luisa Miller“ ausgesucht, und auch in dieser großen und anspruchsvollen  Partie konnte sie überzeugen. Gesanglich war sie von Beginn an eine tadellose, hochklassige Luisa, die mit ihrem hell timbrierten Sopran und der mühelosen Höhe auch die extremsten Koloraturen meisterte und dank ihrer klangvollen weichen Mittellage die lyrischen Passagen der großen Gefühle von Liebe und Entsagung mit melancholischen Tönen auszudrücken in der Lage war. Mit schönen Phrasierungen, herrlichen Legati und leuchtenden Spitzentönen wurde sie jeder ihrer Szenen und Arien gerecht. Auch schauspielerisch hat sie sich diese Rolle wunderbar zu eigen gemacht, und so berührte sie mit ihrer charmanten mädchenhaften Darstellung in ihren Duetten mit ihrem Vater durch ihr differenziertes Spiel als liebende Tochter, ebenso in den Liebesszenen mit Rodolfo, während sie im Zusammenspiel mit dem sie bedrängenden intriganten Wurm diesen auch mal treten und ohrfeigen konnte.

Luisa Miller | Giuseppe Verdi youtube Staatsoper Hamburg

Als Miller, Luisas besorgter und beschützender Vater, beeindruckte wieder einmal George Gagnidze durch seine Bühnenpräsenz und durch seinen kraftvollen Heldenbariton mit klangvoller Mittellage und guter Tiefe, wenngleich er manche Passagen anfangs etwas zu kräftig anging. Doch seine große Arie und Cabaletta, „Sacra la scelta – Ah fu giusto il mio suspetto“ gleich im ersten Akt verfehlte seine Wirkung aufs Publikum nicht.

Mit der Partie des Rodolfo gab der italienische Tenor Giorgio Berrugi sein Hamburger Staatsopern-Debüt. Seine voluminöse, schön timbrierte Stimme klang unangestrengt, er konnte die strahlenden Spitzentöne halten, hatte hierfür auch den langen Atem, konnte in den gefühlvollen Momenten der Oper wunderbar phrasieren und lyrischen Tenorschmelz produzieren. Er war ein sympathischer Darsteller und hatte eine gute Bühnenpräsenz. Für seine große Arie „Quando le sere placido“ spendete ihm das Publikum frenetischen Beifall. Seine Szenen mit Luisa gelangen sehr berührend, besonders das Duett „Piangi piangi“ und die traurige Schlußszene, wenn sie als Opfer der Intrigen gemeinsam durch den Gifttrank sterben.

Der Bass Adam Palka setzte in seiner Partie des Grafen Walter in seinem rot-goldenen Kostüm vor allem auf Kraft und Lautstärke, was den Eindruck, den er hinterließ, etwas trübte. Hier hätte man sich eine differenzierte, nuancenreiche Gestaltung gewünscht, so wie es der Bass-Kollege Brindley Sherratt als sein Untergebener Wurm darbot. Dieser britische Bassist gab an diesem Abend ebenfalls sein Hamburger Staatsopern-Debüt. Er sang die Partie des Wurm, diesen intriganten Fiesling, mit wohlklingendem profundem Bass überaus eindrucksvoll, gerade auch in der Briefszene mit Luisa, „A brani a rani“, in der beide auch darstellerisch so einiges boten und es  Hiebe für ihn setzte. Die Partie des Wurm hat zwar keine eigene Arie, dennoch ist er quasi dauer-präsent in die gesamte Handlung eingebunden, und kann somit ein überzeugendes Portrait dieses bösartigen Charakters liefern, was ihm durchaus gelang. Interessant war ebenfalls die Szene des Wurm mit Graf Walter, in der sie das wirkungsvolle Bass-Duett „L'alto retaggio non ho bramato“ sangen, in welchem sie einander an ihre verbrecherische Vergangenheit erinnern.

Ihr Rollendebüt als Herzogin Federica, die Graf Walter für seinen Sohn Rodolfo als Braut auserkoren hatte, gab Kristian Stanek. Beim Klang ihres voluminösen dramatischen Mezzosoprans bedauerte man, daß Verdi dieser Partie keine eigene Arie geschrieben hat. In ihrer ausladenden gelb-grünen Rokkoko-Robe verlieh sie der Federica eine beeindruckende Kontur, und so konnte sie immerhin ihren Szenen mit Rodolfo und in dem wunderbar gesungenen A-Capella-Quartett mit Luisa, Walter und Wurm, „Che alimento sol per esso“ glänzen.

Die junge lyrische Mezzosopranistin Nora Kazemieh, die noch vor einem Jahr im Hamburger „Opernloft“ als Octavian im „Rosenkavalier“ brillierte, hat nun den Sprung an die Hamburger Staatsoper geschafft und lieh ihre ausdrucksvolle Stimme der Partie der Laura.

Ziad Nehme in der kleinen Tenor- Rolle des Contadino komplettierte das Solistenensemble.

Giuseppe Verdi Statue in Mailand @ IOCO

Der von Christian Günther einstudierte Staatsopern-Chor, gekleidet in weiße Rokkoko-Kostüme, hatte viele Aufgaben zu bewältigen und gestaltete seine Auftritte mit Bravour und klanglicher Pracht. Der Regisseur hatte den Choristen eine besondere Rolle zugewiesen, stehen sie in seiner Inszenierung doch für den Verfall von Moral und Menschlichkeit. Und so werden deren elegante Kostüme am Ende nur noch verschmutzt in Fetzen an ihnen herunter hängen und die anfangs so  stilvollen  Rokoko-Perücken wirr und zerzaust von ihren Köpfen baumeln.

Giorgio Berrugi /Rodolfo, Narea Son /Luisa, George Gagnidze/Miller, Dirigat Lorenzo Passerini, copyright Wolfgang Radtke

Die Leitung des Philharmonischen Orchesters lag in den Händen des jungen italienischen Dirigenten Lorenzo Passerini, der bereits im Frühjahr Gast an der Staatsoper für eine Serie „Lucia di Lammermoor“ war. Unter seiner kompetenten Stabführung spielte das Orchester sehr inspiriert, mit wunderbar herausgearbeiteten, fein abgestuften Klangfarben. Dramatisch, effektfreudig und leidenschaftlich zupackend erzeugte er einen herrlich strömenden italienischen Verdi-Wohlklang, der diesen Abend zu einem spannungsgeladenen Erlebnis werden ließ.

Am Ende gab es Ovationen insbesondere für die zu Tränen gerührte Narea Son und ihr grandioses Rollendebüt als Luisa Miller, aber auch Lorenzo Passerini und die weiteren Solisten wurden in den frenetischen Applaus mit einbezogen.

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