Hamburg, Altonaer Theater, "THE BLACK RIDER" - Tom Waits, IOCO

Hamburg, Altonaer Theater, "THE BLACK RIDER" - Tom Waits, IOCO
©Wolfgang Radtke
  1. September 2025

Die neue Spielzeit 2025/26 hat begonnen, und das Altonaer Theater eröffnete die Saison mit „The Black Rider“, exakt 35 Jahre nach der Uraufführung dieses Musicals von Tom Waits im Hamburger Thalia Theater, und fünf Wochen nach dem Ableben des Regisseurs Robert Wilson (4. Oktober 1941 - 31. Juli 2025), der damals für die Inszenierung verantwortlich zeichnete.

„The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets“ basiert auf der „Volkssage vom Freischütz“, 1810 von Johann August Apel (1771-1816) geschrieben, ähnlich wie Webers Oper „Der Freischütz“, nur daß sich der Librettist William S. Burrroughs beim „Black Rider“ weitgehend an die ursprüngliche Freischütz-Volkssage gehalten hat.

Jascha Schütz, im Hintergrund "The Gay Riders" ©Caren Detje

Und so haben wir hier den Stadtschreiber Wilhelm, der in Käthchen verliebt ist, doch ihre Eltern, der Erbförster Bertram und dessen Frau Anne, hätten lieber einen echten Kerl wie den Jägerburschen Robert als Schwiegersohn, denn dieser scheint eher geeignet, später die Erbförsterei weiterzuführen.

Käthchen (Farina Adisa Kaiser) mit ihren Eltern, Erbförster Bertram (Dominik Felz) und Anne (Regina Stötzel) ©Caren Detje

Aus Liebe zum Käthchen tauscht Wilhelm den Schreibstift mit dem Gewehr und übt sich nun im Schießen und Jagen, um sich ebenfalls als guter Schütze zu erweisen und in den Augen ihrer Eltern ein geeigneter, würdiger Eidam/Schwiegersohn zu sein. Leider ist er im Schießen nicht wirklich talentiert und muß wohl oder übel die angebotene Hilfe des PegLeg/Stelzfuß, des Schwarzen Reiters, dieser Verkörperung des Teufels annehmen, der ihn mit den magischen Freikugeln versorgt, die jedes Ziel erreichen. 60 treffsichere Kugeln bekam er vom Pegleg, drei sollten diesem gehören. Am Ende beim entscheidenden Wettschießen, als Wilhelm auf eine Taube schießen sollte, traf diese letzte Kugel jedoch das Käthchen tödlich.

Wilhelm (Noelle Ruoss) ©Caren Detje

Nun ist „The Black Rider“ wieder nach Hamburg zurückgekehrt, diesmal auf die Bühne des Altonaer Theaters. Regisseur Georg Münzel machte aus der eigentlich düsteren, surrealistisch-phantastischen Erzählung ein fröhliches Spektakel, ein schrilles Happening, das das Publikum auf Anhieb begeisterte. Bereits im Foyer begegnete man einigen der farbenfroh kostümierten Akteure, die die Besucher fröhlich aufforderten hereinzuspazieren. Auf der bereits offenen Bühne war keine finstere Waldlandschaft zu sehen, sondern man dachte sofort an eine Jahrmarkt-Schießbude, als man der tausend pink-, weiß- und rosa-farbenen Plüschtiere ansichtig wurde. Gelbe, weiße, braune Teddybären in allen Größen, auch Bugs Bunny und Mickey Mouse waren dabei, ebenso die vielen bunten Luftballons ließen bei den erwartungsvollen Zuschauern sogleich eine vergnügliche Stimmung aufkommen (Bühnen- und Kostüm-Entwürfe von Sabine Kohlstedt und Yvonne Marcour).

Tom Waits' Kompositionsstil könnte man als „Alternative Rock bezeichnen, er verbindet in seiner Musik solche typisch amerikanischen Spezies wie Blues-, Jazz-, Folk- und Vaudeville-Einflüsse, gepaart mit experimentellen Klängen.

Emil Schuler, Musikalischer Leiter ©Wolfgang Radtke

Wenn auch zeitweise etwas zu laut, dennoch wunderbar arrangiert, mitreissend intoniert und brillant umgesetzt wurde der 'Soundtrack' von sämtlichen Sänger-Darstellern, die sowohl ihre Partien spielten und sangen, sowie gleichzeitig unter der musikalischen Leitung von Emil Schuler auch die Band „The Gay Riders“ bildeten und sich nicht nur gesangstechnisch, sondern auch mit ihren verschiedenen Instrumenten kräftig ins Zeug legten und ihre Allround-Talente höchst eindrucksvoll unter Beweis stellten.

Jascha Schütz als PegLeg/Stelzfuß ©Wolfgang Radtke

Jascha Schütz als sehr großer, sehr schlanker PegLeg/Stelzfuß in weinroter Jacke und dunkler Lederhose gefiel in seiner Darstellung als der Bösewicht, meist fies grinsend wie Jack Nicholson als Joker im Batman-Film, und seine helle, angerauhte Charakterstimme war durchaus passend für seine Sprech-Gesangs-Nummern wie den schmissigen Eröffnungs-Song „Come on along with the Black Rider, we'll have a gay good Time“, später dann „Just the right Bullet“, „Gospel Train“, und natürlich auch den träumerischen Song „The last Rose of Summer“ am Ende.

Der Stadtschreiber und Möchtegern-Schütze Wilhelm wurde hier von einer Sängerin dargestellt: Noelle Ruoss, androgyn wirkend mit braver Scheitelfrisur, in kurzen Hosen mit Kniestrümpfen und Argyle-Pullunder, sang mit sanfter lyrischer Stimme das gefühlvolle Duett „The Briar and the Rose“ mit Käthchen, spielte auch mal auf der Querflöte, und gefiel im zweiten Teil besonders mit dem dramatisch-schmerzvollen Song „Some lucky Day“.

Farina Adisa Kaiser und Noelle Ruoss als Käthchen und Wilhelm ©Wolfgang Radtke

Farina Adisa Kaiser im pink-farbenem Kostüm wartete mit kräftiger heller Soubrettenstimme auf, stieß überaus gekonnt ihre kreischenden spitzen Schreie aus, tanzte quirlig und temperamentvoll über die Bühne, und hatte ihre großen Momente mit dem besonders wirkungsvollen Song „I'll shoot the Moon“.

Der Bandleader Emil Schuler glänzte nicht nur am Keyboard, mit Gitarre, Trompete oder Marimba, sondern er beeindruckte auch in der Rolle des Wilderers – in der Volkssage auf einen Hirsch geschnallt –, der hier auf einem pinkfarbenen Kasten liegend und mit dem Kopf nach unten geradezu herzzerreißend den traurigen „November-Song“ interpretierte.

Mit Dominik Velz als stämmiger Erbförster Bertram und Regina Stötzel als forsche Anne in pink und türkis mit Western-Stiefeln gekleidet waren Käthchens Eltern treffend besetzt.

Jacques Ulrich und Christoph Kähler ©Caren Detje

Niklas Bähnk brillierte an Gitarre und Bass, stellte auch den eigentlich als Bräutigam vorgesehenen Jägerburschen dar, Anna-Luisa Neumann als Brautjungfer sang das schöne Terzett „In the Morning“ mit Käthchen und Anne, Jacques Ulrich war der stimmstarke Onkel von Wilhelm. Christoph Kähler erwies sich als genialer Schlagzeuger, platziert inmitten der tausend Kuscheltiere; er übernahm die kurze Partie des Kuno.

Das Ensemble beim Schlußapplaus ©Wolfgang Radtke

Ein jubelndes Publikum, nicht enden wollender Beifall, Standing Ovations für sämtliche Mitwirkenden, das gesamte Regieteam eingeschlossen, kann als gutes Omen gewertet werden, daß diese Produktion der Renner der Saison am Altonaer Theater werden wird.

Read more

Radebeul, Historischer Güterboden, Abschlusskonzert  Musik Festival Radebeul 2025, IOCO

Radebeul, Historischer Güterboden, Abschlusskonzert Musik Festival Radebeul 2025, IOCO

7. September 2025 Junge Musiker spielen Samuel Coleridge-Taylor, William Schinstine und Peter Tschaikowsky Der Veranstaltungsraum des sanierten „Kulturdenkmals Lößnitzgrundbahn“ „Historischer Güterboden“ ist eine 800-Quadratmeter-Halle mit einer Höhe von 4,7 Metern und war im Jahre 1899 für die Güterabfertigung erbaut worden. Die „Schuhschachtel“ bietet etwa 500 Personen Platz, denn an

By Thomas Thielemann
Berlin, Staatsoper Unter den Linden, I. Abonnementkonzert der Staatskapelle Berlin, IOCO

Berlin, Staatsoper Unter den Linden, I. Abonnementkonzert der Staatskapelle Berlin, IOCO

7. September 2025 Zwei junge Frauen rocken das Saisoneröffnungskonzert der Berliner Staatskapelle!   Schon das Auftreten von Patricia Kopatchinskaja und Elim Chan ist fulminant: Kopatchinskaja in leuchtend rotem Seidenmantel, Chan elegant in Schwarz. Patricia Kopatchinskaja, 1977 in Moldawien (damals eine Sowjetrepublik) geboren, heute auch mit österreichischer und Schweizer Staatsbürgerschaft, ist wohl

By Bernd Runge
Ulrichshusen, Konzertscheune, Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Royal Philharmonic Orchestra, IOCO

Ulrichshusen, Konzertscheune, Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Royal Philharmonic Orchestra, IOCO

Weltstars in Ulrichshusen Daniel Müller-Schott und das Royal Philharmonic Orchestra London Die Hütte voll, die Erwartungen groß! Wollte heißen: Kein Stuhl mehr frei in Ulrichshusens wahrlich großer Konzertscheune bei einem Abend, der jeder Wunschvorstellung entsprochen haben dürfte! Wie auch nicht, wenn sich mit dem Royal Philharmonic Orchestra London das weltweit

By Ekkehard Ochs