Hagen, Theater Hagen, Premiere Carmen von Georges Bizet, IOCO Kritik, 08.06.2013

Hagen, Theater Hagen,  Premiere Carmen von Georges Bizet, IOCO Kritik, 08.06.2013
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Theater Hagen

Theater Hagen bei Nacht © Stefan Kuehle
Theater Hagen bei Nacht © Stefan Kuehle

Carmen  Premiere am Theater Hagen

Georges Bizets Carmen kam nach 10 Jahren  Abstinenz in einer Neuinszenierung wieder auf die Hagener Bühne und wurde frenetisch gefeiert.

Theater Hagen /Carmen / Richard van Gemert (Dancaro), Maria Klier (Frasquita), Kristine Larissa Funkhauser (Carmen), Marilyn Bennett (Mercédès), Jeffery Krueger (Remendado) © Kühne
Theater Hagen /Carmen / Richard van Gemert (Dancaro), Maria Klier (Frasquita), Kristine Larissa Funkhauser (Carmen), Marilyn Bennett (Mercédès), Jeffery Krueger (Remendado) © Kühne

Das vieraktige Werk, nach der Novelle von Prosper Mérimée, 1875 an der Pariser Opera Comique uraufgeführt, war zunächst kein Erfolg. Aber schon kurze Zeit später, nach einigen Umarbeitungen, eroberte sich das Werk die Bühnen der Welt und gehört heute unangefochten zu den meistgespielten Opern.

Hier in der aktuellen Produktion spielte man die Urfassung. Also nicht in der Version mit den von Ernest Guiraud nachkomponierten Rezitativen, sondern die originale Fassung mit den gesprochenen Dialogen zwischen den Musiknummern – was natürlich der Verständlichkeit gut tat -. Keiner hatte Mühen mit der französischen Sprache.

Theater Hagen / Carmen / Charles Reid (Don José), Kristine Larissa Funkhauser (Carmen) © Kühne
Theater Hagen / Carmen / Charles Reid (Don José), Kristine Larissa Funkhauser (Carmen) © Kühne

Für die Neuinszenierung hatte man Anthony Pilavachi verpflichtet. Der international gefragte Regisseur, gebürtiger Zypriote, der heute in Deutschland lebt, hat durch ungewöhnliche Sichtweisen und handwerklich herausragende Arbeiten Furore gemacht. Große Anerkennung fand sein Ring von Wagner in Lübeck, für dessen Aufzeichnung er mit dem “Echo-Klassik-Preis“ ausgezeichnet wurde.

Pilavachi setzte die tragische Liebesgeschichte der Carmen ungemein spannend in Szene. Des Touristen Spanienbild suchte man vergebens. Die sonst übliche Bilderbuch-Kulisse des sonnendurchglühten Sevilla musste einem Interieur weichen, das überall zwischen den Weltkriegen zu sehen war. Eine nüchterne Industriekulisse, eine Wand mit Fenster- und Türöffnungen, eine Treppe, die nach oben führt, ein Gefängnisgitter, all dies genügte, um den Zuschauern auch ohne Zigeunerromantik die spannende Geschichte einer großen Liebe zu erzählen (Bühnenbild: Peer Palmowski / Kostüme: Bernhard Hüllenhaus).

Theater Hagen /Carmen / Frank Dolphin Wong (Escamillo), Kristine Larissa Funkhauser (Carmen) © Kühne
Theater Hagen /Carmen / Frank Dolphin Wong (Escamillo), Kristine Larissa Funkhauser (Carmen) © Kühne

Außerordentlich gut geriet das Bild der Schlussszene. Escamillos Garderobe unterhalb der Arena-Tribüne ist perfekt ausgestattet mit einem großen Ruhebett, Spiegeln, einem Schrank und Waschbecken. Hier lieben sich der Torero und Carmen, hier warnen die die Freundinnen Carmen und schließlich haucht sie hier ihr Leben aus.

Die Szene der tödlichen  Auseinandersetzung zwischen ihr und José war der absolute Höhepunkt der Inszenierung, die auch sonst mit Überraschungen aufwartete. Wenn die große Auseinandersetzung zwischen José und Escamillo stattfindet - im vorletzten Bild - und José den Torero töten will, will Micaela (Josés Jugendliebe) ihm das Gewehr entreißen und wird in dem Handgemenge selber tödlich getroffen.

Theater Hagen /Carmen / Marilyn Bennett (Mercédès), Frank Dolphin Wong (Escamillo), Ensemble © Kühne
Theater Hagen /Carmen / Marilyn Bennett (Mercédès), Frank Dolphin Wong (Escamillo), Ensemble © Kühne

Sehr skurril ist die Zeichnung der Frasquita als restlos bekiffte Bordsteinschwalbe (sehr gut machte das Maria Klier). Auch Freundin Mercedes ging wohl diesem Gewerbe nach (aufreizend: Marilyn Bennett). Pilavachis Personenregie war optimal. Da gab es keinen Leerlauf und kein aufgesetztes Getue.

Alle Sänger waren durch die Bank großartig, auch die kleinste Rolle wurde profiliert verkörpert. Überwältigend gut sang und gestaltete Kristine Larissa Funkhauser die Carmen. Fernab eines jeglichen Klischees, mit blonder Kurzhaar-Frisur, war sie eine gradlinige, ernste junge Frau, die mit herber Leidenschaft und hocherotisch ihren Weg verfolgte und die Männer fast um den Verstand brachte. Ihr leichter, feiner Mezzosopran war ideal für die Partie.

Mit kräftigem Tenor und eindringlicher Gestaltung, erfreute Charles Reid als unglücklich liebender José. Sehr berührend und klangschön sang er seine “Blumenarie“.

Frank Dolphin Wongs Toreador Escamillo gefiel mit männlichem, markigen Bariton. Er machte eine tadellose Figur und spielte absolut überzeugend.

Jaclyn Bermudez als Micaela brachte alles mit, was für die Partie erforderlich ist: Lyrik, Flexibilität, einen makellosen Registerwechsel und ein gut durchdachtes, anrührendes Spiel. Interessant war übrigens ihr erster Auftritt in der Uniform der Heilsarmee. Wie eingangs erwähnt, auch alle kleineren Rollen waren erstklassig besetzt.  Prächtig agierten und klangen die Chöre, von Wolfgang Müller-Salow, Caroline Piffka und Alexander Ruef einstudiert.

Die musikalische Leitung hatte GMD Florian Ludwig, der, nach einem mit ungemein viel Italianatá dirigierten “Don Carlo“, nun ebenfalls hören ließ, dass auch spezifisch französisches Melos und Kolorit bei ihm in besten Händen liegen. Trotz manchmal extrem langsamer Tempi geriet nichts ins Schleppen. Er wusste eine Spannung zu halten, welche bis zum dramatischen Finale nichts an Intensität einbüsste.

Das Philharmonische Orchester Hagen klang ganz prächtig und engagiert. Ein paar Trübungen beim Blech waren unerheblich.

Großer Jubel im so gut wie ausverkauften Haus. Das Publikum feierte alle Mitwirkenden mit stehenden Ovationen. IOCO / UGK / 08.06.2013

Die nächsten Vorstellungen von Carmen am Theater Hagen: 11. Juni, 14. Juni, 28. Juni, 3. Juli, 10. Juli 2013

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