Eutin, Seebühne, WEST SIDE STORY - L. Bernstein, Eutiner Festspiele
Leonard Bernsteins „West Side Story“, in den Fünfziger Jahren komponiert, 1957 in New York am Broadway uraufgeführt, basiert im wesentlichen auf Shakespeares Geschichte von „Romeo und Julia“, die Handlung wurde hier jedoch in ein New Yorker Armenviertel der Fünfziger Jahre verlegt und erzählt von zwei rivalisierenden Jugendgangs, den weißen New Yorker Jets, und den Sharks mit Puerto-Ricanischen Wurzeln, sowie von der tragischen Liebe zwischen Tony und Maria.
Die „West Side Story“ gilt als Meilenstein der amerikanischen Musical-Geschichte und ist bis heute ein bedeutendes Werk, in dem es sich nicht nur um das Thema Liebe dreht, sondern welches auch so gegenwärtige gesellschaftliche Themen wie Migration, Vorurteile, Gewalt und Rassismus eindrucksvoll thematisiert.
Bernsteins Komposition zeichnet sich durch kraftvolle Melodien und spannende Rhythmen aus, es verbindet klassische Musik mit Jazz-Einflüssen, auch Anklänge an den lateinamerikanischen Musikstil finden hier Verwendung. Das Musical stellt eine interessante Zusammenstellung von Gesang, Schauspiel und Choreographie dar.
Im 75. Jahr des Bestehens der Eutiner Festspiele brachte man nun endlich die „West Side Story“ auf die Bühne im Schloßpark am See, die eigentlich schon für 2020 geplant war, jedoch aufgrund der damaligen Corona-Pandemie mußten die Festspiele komplett abgesagt werden.

Die spannungsgeladene Inszenierung mit den vielen aufregenden, rasanten Tanzeinlagen lag in den Händen von Till Kleine-Möller, der auch fürs stimmungsvolle Lichtdesign zuständig war. In Kooperation mit Timo Radünz, der die atemberaubenden, fast schon akrobatischen Choreograhien entwickelte, und dem Bühnenbildner Jörg Brombacher, dessen Kulisse mit den vielen Treppenstufen und dem Nachbau der Bethesda Terrasse mit dem Wasserengel im New Yorker Central Park, den Graffitti-Texten wie Sharks bite twice, Black is Beauty, Black Lives (don't) matter, Keine Immigranten, Just Jets, schuf man die passende Atmosphäre für die Rivalitäten der beiden New Yorker Straßengangs.

Mit ein paar Handgriffen ließen sich die großen Treppenstufen links und rechts beiseite schieben und gaben den Blick frei links auf den Brautmoden-Laden mit einigen Schaufensterpuppen, in dem Maria als Verkäuferin tätig ist, rechts auf die Wohnung von Maria und Anita mit Schminktisch, Nähmaschine und Film-Plakaten von James Dean und Sidney Poitier, Mata Hari und 'Vom Winde verweht' an der Wand. Doc's Drugstore, in dem Tony arbeitet, ist hier ein kleines Elektromobil mit entsprechenden Snacks und Getränkedosen.

Timo Radünz entwarf auch die Kostüme, legere 'Street Wear' für die einheimischen Jets, bunte farbenfrohe Kleidung für die Puertoricaner.
Das hochmotivierte Eutiner Festspielorchester wurde geleitet von Christoph Bönecker und setzte Bernsteins mit Pop-Klängen durchwirkte jazzige Partitur treffend um, dissonante Töne wechselten sich ab mit raffinierten Instrumentierungen, sanfte Melodien gingen über in überbordende lateinamerikanische Rhythmen, die besonders eingängigen Melodien, die „Hits“ aus dem Musical – „Maria“, „Tonight“, „Somewhere“ – , die im Laufe der Jahre sogar die internationalen Hitparaden gestürmt hatten, kontrastierten stark mit den die brutalsten Szenen des Stücks untermalenden dramatischen Passagen – „Jet Song“, „Rumble“, „Taunting“.
Die sängerische und tänzerische Leistung des gesamten Ensembles war erstklassig. Gesungen wurde auf deutsch. Sämtliche Protagonisten gaben ihr Allerbestes: Meera Varghese war eine attraktive Maria, anmutig in ihrer Darstellung des jungen Mädchens aus Puerto Rico, die sich ausgerechnet in einen Jet verliebt. Und ebenfalls gesanglich mit ihrem hellen Sopran konnte sie in ihrem Song „Ich seh' gut aus“ im Braut-Salon und in den Duetten mit Tony vollends überzeugen.
Ihr Tony war Florian Minnerop, ein gut aussehender sympathischer Sonnyboy in hellem Hemd und heller Hose, wie er mit dem Drugstoremobil über die Bühne fuhr und deeskalierend auf seine Jets-Freunde einwirken wollte. Mit hellem Stimmklang intonierte er die wohl bekannteste Arie des Musicals, „Maria“. Anrührend war auch die Duette der beiden Liebenden, „Heut' Nacht“ und „Durch Herz und Hand“. Ergreifend gelang zudem seine Sterbeszene zu den Klängen von „Irgendwo“ - „Somewhere“.
Mit starker ausdrucksvoller Stimme führte die rassige Kerry Jean als Anita die Shark-Mädchen während der rasanten und wunderbar choreographierten Nummer „Amerika“ an. Sentimental und gefühlvoll geriet dagegen Anitas Duett mit Maria „Ein Mann wie er – Ich bin verliebt“.

Volker Metzger als Doc, dem der Drugstore-Wagen gehört und der Tonys Chef ist, hatte seine szenischen Momente, ebenso wie Nils Willers als Polizeichef Schrank mit Hut und im schwarzen Ledermantel, und Boris Boehringer als Polizist Krupke, zumal dieser auch noch in der überaus witzig inszenierten Nummer „Mann, Officer Krupke“ herrlich ironisch von der Gruppe der Jets besungen wird.

Auch Robert Lankester als Riff mit rot gefärbten Haaren, ermordet von Bernardo, David dal Seno als Marias Bruder und Anführer der Sharks, von Tony die Mauer heruntergestoßen, Jan Rogler als Action, Bruno Vida als Chino, der Tony erschoß, sowie Jessica Falceri als Rosalia, und Maxie Werner als Anybodys, sowie die sämtlichen weiteren 20 Mitwirkenden erfüllten perfekt und höchst engagiert die an sie gestellten sängerischen, tänzerischen und schauspielerischen Aufgaben.
Auch dieser wunderbare Musical-Abend blieb glücklicherweise trocken trotz heftiger Regenschauer tagsüber in Ostholstein.
Nun freuen wir uns auf den Sommer 2026, wenn die Eutiner Festspiele das Sechziger-Jahre-Hippie-Musical „Hair“ sowie Puccinis „Turandot“ auf die Seebühne bringen werden.