Dresden, Semperoper, Sächsische Staatskapelle - 3. Symphoniekonzert, IOCO
26. Oktober 2025
Mit Wagner und Strauss in den Sonntagnachmittag
Daniele Gatti dirigierte die Götterdämmerungs-Suite und Ein Heldenlebe
Im ersten Teil der Matinee des 3. Symphoniekonzertes spielten die Musiker der Sächsischen Staatskapelle unter dem Dirigat Daniele Gattis eine symphonische Suite aus Richard Wagners (1813-1883) Oper „Götterdämmerung“, in der mit einem dichten Orchesterpart und einem monumentalen Klangbild die Morgenröte, Siegfrieds Rheinfahrt mit dem Trauermarsch verbunden waren. Gatti orientierte sich an der dramatischen Kernbotschaft Schicksal, Machtkampf und Untergang. Er setzte auf klare Strukturen, ließ die Motive prägnant auftreten und steigerte deren Spannung pathosgeladen zum Schluss hin.
Die Darbietung und die Tragweite der Musik zogen die Besucher von den ersten Tönen in ihren Bann, fesselten und berührten. Die Klangtextur, der Atem und die Phrasierung der Komposition waren vom Orchester mit höchstem Niveau veredelt und umhüllten Ohren und Psyche mit einer erregenden Aufmerksamkeit. Es war ein Gefühl entstanden, dass die häufig gehörten Klänge in dieser Kombination eine besonders faszinierende Effizienz erreichten, Wagner eher als Symphoniker wirkte und die Geschichte in den Hintergrund rückte.
Im zweiten Teil der Matinee folgte mit Richard Straussʼ (1864-1949) die symphonische Dichtung „Ein Heldenleben op. 40“ als ein beredtes Zeugnis der Moderne. Wie kaum ein zweiter bedeutender Komponist des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hatte Strauss viele Wandlungen äußerer und innerer Art durchlebt. Nach seinen konservativen Brahms-Nachfolgeanfängen war er zum Neuerer sowie Neutöner und innerhalb weniger Jahre zum Repräsentanten der Moderne geworden. Aber Strauss war kein Umstürzler, kein Revolutionär. Er hatte nur mit wachen, oft kühlen Sinnen nach Neuem Ausschau gehalten, dabei das Gefundene mit Wagemut, Frische sowie einer gewissen Naivität aufgefangen und im Sinne seiner Zeit sowie seines Umfelds verarbeitet. Ursprünglich wollte Strauss im Jahre 1897 eine moderne Eroica in der Nachfolge Beethovens (1770-1827) komponieren und dem zur Weltmacht aufstrebendem Kaiserreich widmen. So war auch sein Heldenleben eng mit dem Weltbild der wilhelminischen Epoche verbunden. Aber erst in seinen späteren Metamorphosen des Jahres 1944 bezog sich Strauss noch einmal auf das Modell Eroica und wünschte sich aus der Katastrophe in die Jugend zurück. Auch wenn er es nicht aussprach, bereute er offenbar seine damalige Entscheidung zu Gunsten des Heldenlebens. Für uns in der Jetztzeit ist es kaum noch möglich, in der 1898 abgeschlossenen Tondichtung mehr als ein Selbstportrait eines von Selbstbewusstsein überschäumenden Vierunddreißig-Jährigen oder das pompöse Kolossalportät einer von Kraft strotzender Männlichkeitsgesellschaft zu sehen.
Aber ist eine derartige Heldendarstellung überhaupt noch zeitgemäß?
Natürlich kann man, wie zum Gedenk-Konzert der Staatskapelle für Ernst-von Schuch (1846-1914) im November des Jahres 2021 an gleicher Stelle aufgeführt, das Werk als autographische Mitteilung eines Künstlers an seine Mitwelt darbieten und die sechs Abschnitte mit den vielen Eigenzitaten spielen. Und wenn man die nötige Ironie aufbrächte, so könnte sogar die „Domestica“ als siebter Abschnitt „Der Held in Filzpantoffeln“ angehängt werden.
Daniele Gatti gehört allerdings zu jenen Orchesterinterpreten, die nicht nur mit eleganter Gelassenheit dirigieren, sondern auch mit Deutungswillen den Geheimnissen der Partitur auf den Grund zu gehen vermögen. Die auch wissen, dass sich die Sichten auf ein Notenwerk über die Zeit samt der individuellen sowie der gesellschaftlichen Entwicklungen verändern, ohne dass dessen Wert eingeschränkt ist. Gatti nutzte deshalb für seine Interpretation des Heldenlebens den Umstand, dass bei Strauss selbst in den Symphonischen Dichtungen das Einfalls- und Gestaltungsvermögen der Orchestermusik hinter den Erzählungen stand. Auch verwendete Strauss in seinen Partituren die Klangfarbe nicht als einen der Melodik und Harmonik der Instrumentation hinzugefügten Schmuck, sondern hatte die individuellen Orchesterfarben aus der jeweiligen Charakteristik oder der Stimmung spontan und nicht an einer Handlung entstehen lassen.
Deshalb durfte Gatti das Dirigat seines Heldenlebens an Straussʼens wundervollen Melodien frei entwickeln, ohne dabei in den Verdacht einer Selbstverherrlichung eines Künstlers zu kommen. Dabei konnte sich der Chefdirigent auf die Strauss-Kompetenz seiner Musiker verlassen. Die bestens aufgelegte Staatskapelle überzeugte mit ihrem breiten , opulenten Streicherklang und der sowohl in der epischen Breite, als auch in den subtilen Pianissimo im Einklang stehenden Gruppe der Bläser. Die Solo-Parts waren klar und charakterstark präsentiert, ohne die klangliche Gesamtheit zu verlieren, so dass ein hervorragender Orchesterklang sowohl in der Breite als auch in den kammermusikalischen Passagen zu erleben war.

Dank Gattis Sinn für genaue Entfaltungen und für Proportionen, musste auch kein Zuhörer auf die schönen Stellen des Strauss-Opus 40 verzichten. Allen voran, das von der Konzertmeisterin Yuki Manuela Janke grandios zum emotionalen Gipfelpunkt gestaltete außerordentlich schwierige Violinen-Solo. Auch die als zentrale Schlachtenszene bezeichnete Passage war so glänzend polyphon, hellhörig geschärft und stürmisch gespannt ausgefeilt, wie selten zu hören möglich ist. Auch wenn die Bassklarinetten der blökenden Schafe aus Don Quixote auf die Hörner aus Zarathustra treffen, entstand große Freude. Viele der geschätzt dreißig Zitate aus vorherigen Werken des Richard Strauss gingen kaum hörbar im Schönklang der Musik unter.
Das Finale der Interpretation war außergewöhnlich eindrucksvoll, zumal Daniele Gatti die Pastellfarben und die Transparenz der Partitur mit seiner enormen Ausdruckskraft verschließen konnte.