Bordeaux, Opéra National de Bordeaux, RUSALKA – Antonin Dvorak, IOCO Kritik, 12.11.2023

Bordeaux, Opéra National de Bordeaux, RUSALKA – Antonin Dvorak, IOCO Kritik, 12.11.2023
Opéra National de Bordeaux / RUSALKA hier Szenenphoto mit Cornelia Oncioiu (Jezibaba) Ani Yorentz (Rusalka) © Éric Bouloumie
Opéra National des Bordeaux © Wikimedia Commons
Opéra National de Bordeaux © Wikimedia Commons

RUSALKA (1901) – Antonin Dvorak

– Lyrisches Märchen in drei Akten, Libretto von Jaroslav Kvapil nach Friedrich de la Motte-Fouquet und Christian Andersen –

von Peter Michael Peters

  • ZWISCHEN ZWEI WASSERN…
  • All mein Unglück will noch bedeuten,
  • dass ich nicht glücklich bin.
  • Du verstehst mich nicht:
  • Auf dieser Erde,
  • von Schönheit überdeckt,
  • den einzigen Platz zu suchen,
  • wo man die Lüge,
  • Verrat
  • und alles Zweifelhafte trifft,
  • und dort mit aller Kraft sich zu vergeuden –
  • das ist es,
  • was die Menschen glücklich macht.
  • Wer da nicht mittut,
  • wird den anderen fremd.
  • Je mehr man leidet, desto glücklicher!
  • Ich bin glücklich.
  • Ich bin die Glücklichste…
  • (Ondine zum Wasserkönig aus Ondine (1939) von Jean Giraudoux (1882-1944)

Die Verzweiflung der Metamorphose…

Im 16. Jahrhundert glaubte Paracelsus (1493-1541) fest an die Existenz von Undinen, Geistern, die in den Gewässern herrschen, so wie Elfen, Gnome und Salamander die Luft, die Erde und das Feuer bewohnen. Diese mono-elementaren Wesen, von dem jeder wusste, dass sie aus den vier Elementen bestehen, natürlich genau wie sie selbst. Nichts Geheimnisvolles, nichts Unzulängliches, nichts Gefährliches! Sie existierten einfach unter uns! Sie waren nicht eigenartiger als Einhörner oder Verrückte…

Die Jahrhunderte vergehen! Von nun an sind die Einhörner verschwunden, die Verrückten verblüffen oder erschrecken vielleicht und die Undinen haben sich im Schaum aufgelöst, verschluckt von den tiefen schwarzen Seen. Die Welt ist anders, präziser, objektiver und desillusionierter geworden! Das Wunderbare gibt es nur noch in der Fiktion! Das Märchen lässt die Undinen wieder auferstehen, um von ihrer Abwesenheit zu singen. Die rauschende Fülle des Übernatürlichen folgt dem melodischen Schmerz des verlorenen Paradieses!

Baron Friedrich de la Motte Fouqué (1777-1843) und Hans Christian Andersen (1805-1875), zwei der wichtigsten Quellen für die Inspiration von Antonin Dvorak (1841-1904) und seinem Librettisten, die nicht mehr an Meerjungfrauen glauben können. Aber gerade sie leiden unter diesem allzu klaren Unglauben! Es tut ihnen sehr weh, dass unsere Welt die Feen ausschließt, so wie das Reale das Illusionäre vertreibt. Die Stärke der beiden Märchen Ondine (1811) und Die kleine Meerjungfrau (1837) liegt darin, dass sie das Surrealistische und das Wunderbare als eine lebendige Realität erschaffen: Aber dennoch unheilbar diabolisch getrennt! Das Meer-Volk existiert noch immer, nur ist es einfach unserem Universum brutal entrissen worden! Ihre Abwesenheit ist kein Zeichen der Nicht-Existenz, sondern ein Zeichen des Exils. Um die Menschheit zu erreichen, müssen und können die Wasser-Prinzessinnen Metamorphosen erleben: Allerdings unter Schmerz und viel Bedrängnis! Die Undinen sind dem Menschen zunächst unterlegen, denn sie haben keine Seelen. Doch werden sie bereits bei dem Versuch, indem sie sich dem Menschen anschließen: Beweisen sie schon eine große Überlegenheit. Die Seelen, die sie finden werden, sind nur erhabene und einmalige Seelen!