Bonn, Theater Bonn, La finta Giardiniera - Wolfgang A. Mozart, IOCO Krtitik, 06.11.2011

Bonn, Theater Bonn, La finta Giardiniera - Wolfgang A. Mozart, IOCO Krtitik, 06.11.2011
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Theater Bonn

Theater Bonn © Thilo Beu
Theater Bonn © Thilo Beu

La finta Giardiniera - Wolfgang Amadeus Mozart

Senkrechtes Labyrinth mit höhensicherem Ensemble

Von Viktor Jarosch

Gerade einmal 18 Jahre war Wolfgang Amadeus Mozart als er im Herbst 1774 den Auftrag erhielt, für das Hoftheater München zur nächsten Karnevals-Saison die Musikkomödie La finta Giardiniera (deutsch: Gärtnerin aus Liebe), seine zweite Opera Buffa zu komponieren. Der italienische Text von Giuseppe Petrosellini war vorgegeben. Der Genius des Wolfgang Amadeus Mozart entwickelte sich gerade erst; er bedient in dieser Oper noch die Tradition der ausklingenden Opera Seria mit Überhöhung des Adels, Sprechgesang, Kastratenrolle.

Theater Bonn / La fintaGiardinera / Belfiore (Roschkowski) und Sandrina (Siminska) in luftiger Höhe © Theater Bonn
Theater Bonn / La finta Giardinera / Belfiore (Roschkowski) und Sandrina (Siminska) in luftiger Höhe © Theater Bonn

Die Einschränkungen einer Auftragsoper tragen selten die Voraussetzungen zu einem Meisterwerk. Und doch, in der instrumentalen Komplexität, der Vitalität der Komposition trägt dieses Werk bereits meisterliche Züge, der schwer zu beschreibende geniale Charakter Mozart wird nach wenigen Takten erkennbar. Die vollständige Komposition Mozarts dauert 3,5 Stunden. Man fühlt in diesem Werk Mozarts Entwicklung zu Figaro, Cosi, Don Giovanni. Auch Vater Leopold Mozart, 1719  - 1787,  schrieb begeistert nach der ersten Probe "die Composition gefällt erstaunlich..".

Die Inszenierung am Theater Bonn ist auf 2 Stunden und ihre Kernstücke reduziert. Es entsteht eine musikalisch nahezu perfekte Komposition des jungen Mozart. Regisseur Philipp Himmelmann findet zur weiteren Entwirrung der etwas verqueren Handlung einen wahrhaft atemraubenden Königsweg. Er sieht das Werk über "Die vorgetäuschte Gärtnerin" als eine Art Heilungsprozess, zu dessen Beginn die Figuren ihre Konflikte beschreiben, kurze Reflexionen verunsicherter Charaktere, verstörte Menschenseelen .

Theater Bonn, La finta Giardinera / Aufgerichtetes Labyrinth ordnet die Handlung, Ensemble dem Steigen verpflichtet © Theater Bonn
Theater Bonn, La finta Giardinera / Aufgerichtetes Labyrinth ordnet die Handlung, Ensemble dem Steigen verpflichtet © Theater Bonn

Die identitätssuchenden Protagonisten der Handlung klettern in einem hochgestellten, goldfarbenem 10 x 10 Meter fassendem "Labyrinth" (Hermann Feuchter) auf und ab. Auf Absätzen, meist in luftigen Höhen bis zu 10 Metern, wird gesungen, gespielt: Gefährlich und anstrengend für das Ensemble; plastisch und übersichtlich dagegen für die Besucher. Weiche ästhetische Kostüme (Gesine Völlm)  deuten Barock an. Kleinere Slapstick-Einlagen wie Zickenkrieg oder Tunten-Tanz erheitern wohltuend, nicht laut. Der Besucher findet in diesem strukturierten, teilenden Bühnenbild schnell zum Stück. Der scheinbar verwirrende Inhalt dieser Oper, die Ängste und Nöte der einzelnen Charaktere, werden urplötzlich greifbar, werden konkret. Das Stück als Ganzes findet  zu musikalisch-dramatischer Wahrheit. Nur die Höhenakrobatik verschlägt immer wieder den Atem.

Theater Bonn / La finta Giadiniera / Das Labyrinth als gliederndes Element © Theater Bonn
Theater Bonn / La finta Giadiniera / Das Labyrinth als gliederndes Element © Theater Bonn

Mozart-Versteher Hendrik Vestmann, setzt die Partitur mit großer Verve und Leichtigkeit, aber ernsthaft bis in alle Details um. Mozart-Idylle. Seine spürbare Präsenz überträgt sich Mozart-eigen unaufdringlich auf das Beethoven Orchester Bonn. Gemeinsam breiten Dirigent und Orchester einen harmonisch vitalen Klangteppich aus, in dem sich die Sänger gut zurechtfinden, der Spannung aufbaut und diese auch im weniger buffonesken Teil hält. Das versierte Ensemble des Theater Bonn allerdings ist für den gloriosen buffonesken Gesamteindruck der Inszenierung mitverantwortlich. Nicht nur stimmlich, sondern auch akrobatisch, fast freischwebend in 8 Meter Höhe. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Anna Siminska als Sandrina oder Gräfin Violante und  Mirko Roschkowski als Belfiore und ihre Entwicklung von Leid, Unsicherheit zu Liebesglück.

Anna Siminska gestaltet ihre Sopran-Partie mit runder, feingezeichneter Anmut. Sie changiert, nuanciert zwischen liedhafter Schlichtheit,  entrücktem Arioso und dramatischen Aufwühlungen. Mirko Roschkowski lebte die zentrale Partie des  Belfiore: Schauspielerisch charismatisch. Stimmlich mit  hellem, wohl timbriert klingenden Tenor, welcher gleichbleibend  die nötige Kraft und lyrische Qualitäten offenbarte. Roschkowski´s stimmliche wie schauspielerische Umsetzung der Registerarie,  in welcher Belfiore seine Abstammung wunderbar karikiert, war ein Highlight der Premiere.

Theater Bonn / La finta Giadiniera / Ensemble auf 10 meter hoch © Theater Bonn
Theater Bonn / Lafinta Giadiniera / Ensemble auf 10 meter hoch © Theater Bonn

Dem cholerischen Podestà verleiht Mark Rosenthal körperlich und stimmlich  bürgermeisterliche Präsenz. Bei aller Wucht und Polterei behält er immer Kontrolle über seine Stimme.  Susanne Blattert gibt der Hosenrolle des Cavaliere Ramiro  koloraturensichere Mezzo-Struktur, Arminda wird durch Julia Kamenik treffend besetzt. Im Gegensatz  zu den vermeintlich grossen Gefühlstiefen der Herrschaften lieferten die Bediensteten, Giorgos Kanaris als schwerenöterischer Nardo und Kammerzofe Serpetta Ingrid Froseth, stimmlich überzeugende, schauspielerisch erheiternde  Kontrapunkte,  Höhepunkt die Nationalitäten-Parodie.

Große Zustimmung im Theater Bonn zu Inszenierung und Darstellung spürte man bereits während der Premiere. Großer Beifall zum Ende der Vorstellung hatte sich  lange angekündigt. Trotzdem war der Jubel überraschend massiv und ungeteilt, für Regie, Orchester und Ensemble. Mit derartiger Begeisterung fühlte man sich fast eher in Verona als im Rheinland. Dies Toben ließ den spürbar ergriffenen Intendant Klaus Weise für einen guten Augenblick seine politischen Sorgen vergessen. Und auf gute Zeiten im schönen Theater Bonn  hoffen.

---| IOCO Kritik Theater Bonn |---