Berlin, Dom, Stabat Mater - G. Rossini, IOCO
08.11.2025
Grandioses Ensemble brilliert mit packendem Rossini
Rossinis Stabat Mater im Berliner Dom war ein bewegendes und Freude spendendes Ereignis in dunkler Zeit. Dem Ensemble aus Norddeutscher Philharmonie Rostock, dem Karl-Forster-Chor und den herausragenden Solisten Barbara Krieger, Karina Repova, Cosmin Ifrim und René Pape gelang ein ergreifender Abend.

Der Berliner Dom ist ein Kind der Gründerjahre des Deutschen Reiches und ein Prachtbau im Stil der Neo-Renaissance. Er vereint Anklänge an das damalige Barock-Revival mit seiner hohen Kuppel, den reich verzierten Mosaiken, Skulpturen und der großen Sauer-Orgel. Diese opulente, fast überbordend majestätische Atmosphäre entfaltet Wirkung, aber auch Schmunzeln wegen der pastosen optischen Gestaltung.
Als Konzertsaal birgt er wegen des langen Nachhalls erhebliche Tücken, dennoch verschmelzen Architektur und Musik hier immer wieder zu intensiven Erlebnissen. Auch an diesem Abend wurde die Predigtkirche in der Nacht zu einem gleichsam mystischen Ort von spirituell tiefgründigem Charakter.
Auch Rossinis Komposition fand im Berliner Dom einen idealen Rahmen. Der mittelalterliche Hymnus aus dem 13. Jahrhundert beschreibt Marias Leiden am Kreuz. Rossini verbindet sakrale Tradition raffiniert mit opernhaften Elementen. Die Düsternis bleibt so immer in der Schwebe, weil sie von theatralischer Hoffnung durchbrochen wird und der Zuhörer so einen Funken Optimismus bewahrt. Belcanto und Impressionen aus Wilhelm-Tell-mischen sich in den sakralen Kontext ohne ihn zu zerreißen. Der Vorwurf an das Werk zu weltlich zu sein, verkennt , dass das hybride Wesen Worte und den Sinn wirkmächtiger machen und die innere Einkehr stärken. Schon die Uraufführung löste Begeisterungsstürme aus. Rossini bewahrt auch Momente reiner Andacht, vor allem in den A-Cappella-Chören. So gelang ihm ein Meisterwerk zwischen Altar und Theater.

Unter der kompetenten Leitung von Marcus Bosch musizierte die Norddeutsche Philharmonie Rostock nuanciert und klangschön. Der Karl-Forster-Chor lieferte einen kraftvollen, runden Klang.
Die vier Solisten waren durchweg auf höchstem Niveau und bildeten ein wunderbar ausgewogenes, emotional berührendes Quartett.
Barbara Krieger als Sopran begeisterte mit einer strahlenden, technisch brillanten Höhe und einer beeindruckenden Agilität, die in der virtuosen Arie „Inflammatus et accensus“ fulminante Virtuosität entfaltete. Ihre Diktion war durchweg klar und präzise. In den halsbrecherischen Läufen und dramatischen Sprüngen wurden Texte wie „per te, Virgo, sim defensus“ innig mit warmem Timbre interpretiert und blieben hervorragend verständlich. Ihre strahlende Stimme und die intensive emotionale Durchdringung ließen den dramatischen Appell an die Jungfrau grandios erstehen.
Karina Repova als Mezzosopran punktete mit einer klangschönen, leuchtend klaren Stimme. Stark erklangen insbesondere jene tröstenden Farben im anrührend gesungenen „Fac ut portem“ oder auch im Duett mit Barbara Krieger „Quis est homo", wo beide Stimmen einen samtig-warmen Klang von größter Innigkeit und emotionaler Tiefe entfalteten. Karina Repova ist eine jener jungen Künstlerinnen, deren Phrasierung nuanciert und von innen heraus entwickelt ist. Sie verfügt über eine besonders starke stimmliche Ausdruckskraft, die sie befähigt, mit einer emotionalen, vielschichtigen Farbpaletten ergreifend intensive Momente zu verkörpern. Berührend und stimmlich phänomenal interpretiert gelangen ihr alle Teile der Partie von den tiefen Lagen bis in die höchsten Sopransphären. Eine phantastische Leistung.

Cosmin Ifrim brachte als Tenor in „Cujus animam“ exakt jenen betörenden, sonnendurchfluteten italienischen Schmelz, von dem Rossini geträumt haben dürfte. Mit sanfter Weichheit, verführerischem Legato und strahlenden Höhen ließ er die berühmte Aufwärtsbewegung „per te, Virgo“ geradezu schweben und verzauberte das Publikum. Sein Timbre verband heldische Kraft mit italienischer Sinnlichkeit und machte seine Arie zu einem der imposantesten Momente des Abends.
René Pape war ein weiterer Glanzpunkt des Abends. Sein „Pro peccatis“ und sein Gesang im Finale waren von urgewaltiger Schwärze und dämonischer Wucht. Dabei gelang ihm großartig jene abgründige Finsternis, die Rossini in den tiefen Lagen fordert. Mit zerstörerischer Urkraft, samtenem Glanz und majestätischer Autorität prunkte er.
Vor allem durch die grandiosen Solisten war die Aufführung ein durchschlagender Triumph. Alle Sänger gingen vollendet in ihren Rollen auf und beglückten das Publikum mit einer vollendeten Darbietung von Rossinis Meisterwerk.