Hamburg, Opernloft, LE NOZZE DI FIGARO - Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 30.04.2023

Hamburg, Opernloft, LE NOZZE DI FIGARO - Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 30.04.2023
Hamburg Altona / OPERLOFT © Opernloft
Hamburg Altona / OPERLOFT © Opernloft

Opernloft

LE  NOZZE  DI  FIGARO - Wolfgang A. Mozart

- Ein toller Tag im SWINGER-CLUB -

von Wolfgang Schmitt

Wolfgang Amadeus Mozart in Wien Foto IOCO
Wolfgang Amadeus Mozart in Wien Foto IOCO

Mit der Premiere der Oper Le Nozze di Figaro von Wolfgang A. Mozart / Lorenzo da Ponte feiert das Hamburger Opernloft am 27. April 2023 sein 20jähriges Jubiläum, und seit nunmehr 2018 besteht die jetzige Spielstätte im Alten Fährterminal im Hamburger Stadtteil Altona.

Anläßlich dieses Jubiläums präsentierte das Opernloft die Neuinszenierung Le Nozze di Figaro -  deutscher Titel Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag - in der heiteren ideenreichen Regie von Svenja Tiedt, und einen tollen Tag bzw. einen tollen Abend erlebte ein begeistertes Publikum im ausverkauften Haus.

Gekürzt auf etwa 100 Minuten (unter Weglassung der Nebenfiguren Bartolo, Marcellina, Barbarina, Curzio und Antonio) hatte Svenja Tiedt das Werk geschickt bearbeitet, geblieben sind natürlich die Haupt-Handlungsstränge, die sie amüsant darstellte und mit deftiger Erotik gewürzt hatte. Die Handlung hat sie in einem Swinger-Club angesiedelt, in welchem sich jeder mit jedem vergnügt und der werte Gast sich allerlei amourösen Rollenspielchen hingeben kann. Die Besitzer des Etablissements sind der Graf Almaviva und die Gräfin Rosina. Der Graf trägt unter seinem goldbraunen Jackett immer ein Schulterhalfter mit Pistole, seine elegante Gattin ist in ein schwarzes Minikleid und einen bordeauxfarbenen Morgenmantel gewandet. Der Club wirkt gediegen mit ebenfalls bordeauxfarbener Velours-Tapete und diversen weißen Türen, hinter denen die Gäste ihren Phantasien freien Lauf lassen können (Bühne und Kostüme entwarf Claudia Weinhart).

Opernloft Hamburg / Le Nozze di Figaro - Figaros Hochzeit © Inken Rahardt
Opernloft Hamburg / Le Nozze di Figaro - Figaros Hochzeit © Inken Rahardt

Susanna sieht aus wie eine Vorstandssekretärin in ihrer weißen Bluse, dem engen schwarzen Midi-Rock und der schwarz geränderten Brille. Figaro ist in dieser Inszenierung kein Friseur, sondern ein charmanter Hausmeister und Handwerker in kariertem Hemd, roter Latzhose und roter Baseballkappe, der auch schon mal ein kaputt gegangenes Bett zu reparieren hat. Auch Cherubino, ebenfalls in roter Latzhose mit nichts darunter,  scheint zum Personal zu gehören, er beglückt alle und betätigt sich als Go-Go-Boy in ausgelassenem Tanzstil auf dem knallroten Sofa in der Form eines Kuss-Mundes.

Als der Graf entgegen den Clubregeln Susanna für sich allein zu beanspruchen gedenkt, schreiten die anderen ein und wollen ihm eine Lehre erteilen. Das große Verwechslungsspiel im Garten endet schließlich damit, daß alle vier – Susanna, Cherubino, Figaro und die Gräfin – ganz in Weiß im Tütü und mit Brautschleier gekleidet, mit dem Grafen ein Fesselspiel treiben und ihn in Handschellen auf dem roten Sofa belassen, während Figaro mit Susanna, und die Gräfin mit Cherubino, hinter den weißen Türen verschwinden.

Opernloft Hamburg / Le Nozze di Figaro - Figaros Hochzeit hier das Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Radtke
Opernloft Hamburg / Le Nozze di Figaro - Figaros Hochzeit hier das Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Radtke

Stepan Karelin, ein junger russisch-österreichischer Sänger, war ein sympathischer Figaro und brillierte in seinen Arien „Se vuoi ballare Signor Contino“ und „Non piu andrai“ nicht nur mit seinem vitalen, flexiblen Bass-Bariton, sondern er war auch darstellerisch gewandt, konnte sogar ein Rad schlagen, und ließ das komödiantische Element seiner Partie nicht zu kurz kommen.

Die junge lyrische Koloratursopranistin Anna Galushenko stammt aus Usbekistan. Sie war in ihrer Mimik und Gestik eine zauberhafte Susanna trotz ihres zunächst strengen Sekretärinnen-Outfits. Ihre helle klare Stimme hat einen reinen zarten Klang und wird in allen Lagen sicher geführt bis hinauf ins leuchtende Höhenregister.

Freja Sandkamm übernahm im ersten Akt noch die kurze Partie des  Basilio, gekleidet in einem orangefarbenen Jogginganzug mit passendem Hut, Goldkette und großer Sonnenbrille, bevor sie im zweiten Akt als attraktive, dem Alkohol zugetane Gräfin ihre Auftrittsarie „Porgi amor“ mit ihrem klangvollem, edlen lyrischen Sopran gefühlvoll anstimmte. Sie ist eine imponierende charismatische Darstellerin, schlank und grazil in ihren Bewegungen, und selbst die Szene, in der sie devot und auf Knien rutschend von ihrem sich dominant gebendem Gatten an der Leine in eines der Zimmer gezogen wird, geschah sogar dieses mit einer gewissen Würde. Ihre zweite große Arie „Dove sono“ gestaltete sie voller Innigkeit mit herrlichen Legati, sanft und ausdrucksvoll in der Mittellage.

Lukas Anton als der triebgesteuerte, sich machohaft gebende, auch mal mit seiner Pistole gefährlich herum-fuchtelnde Graf Almaviva präsentierte seinen virilen Kavaliersbariton klangvoll in seinen Szenen mit Susanna und der Gräfin, und auch seine Bravourarie „Hai gia vinta la causa“ gelang kraftvoll und voluminös.

Der junge Koreaner Kyoungloul Kim avancierte von Beginn an schnell zum Publikumsliebling des Abends aufgrund seiner fröhlichen Ausstrahlung als androgyn wirkender Cherubino, seines agilen, temperamentvollen, witzigen Spiels und nicht zuletzt durch seine ausgelassenen Dance-Moves halbnackt auf dem roten Sofa zur Freude von der Gräfin und Susanna. Mit seinem baritonal eingefärbten Charaktertenor gefiel er gesanglich natürlich besonders in seinen beiden schön gesungenen Arien „Voi che sapete“ und „Non so piu cosa son“.

Musikalisch bearbeitet und für diese Produktion eingerichtet und arrangiert wurde Mozarts Partitur von der fabelhaften Pianistin Amy Brinkman-Davis, die den Abend auch leitete und unterstützt wurde von ihren beiden Mitstreitern Anna Borisova an der Oboe und Andreas Krumwiede am Kontrabass.  Herausgekommen ist ein wunderbar authentischer Mozart-Abend, der durch Präzision und Klangbalance bestach und musikalisch in diesem Rahmen keinerlei Wünsche offen ließ, zumal auch die fünf Gesangssolisten sich auf die einfühlsame und dennoch spannungsreiche, effektfreudige Begleitung jederzeit verlassen konnten.

Das enthusiastische Premierenpublikum sparte denn auch nicht mit lang anhaltendem frenetischem Jubel für sämtliche Mitwirkenden und für das Regie-Team.