München, Münchener Musikseminar, Nadja Preissler und Natalya Boeva im Gespräch, IOCO Interview, 24.02.2021

München, Münchener Musikseminar, Nadja Preissler und Natalya Boeva im Gespräch, IOCO Interview, 24.02.2021
 Münchner Musikseminar e V / Die Musikschule in München © Oswald Kessler
Münchner Musikseminar e V / Die Musikschule in München © Oswald Kessler
Münchener Musikseminar e.V.

Nadja Preissler und Natalya Boeva im Gespräch

Im Unisono mit sich und der Welt

Münchener Musikseminar e.V. / Vorstand Nadja Preissler © Münchner Musikseminar
Münchener Musikseminar e.V. / Vorstand Nadja Preissler © Münchner Musikseminar

Das Münchener Musikseminar e.V. ist ein breit angelegtes musikalisches Ökosystem, eine etablierte Musikschule für Groß und Klein, für Anfänger, Fortgeschrittene unter der Leitung von Nadja Preissler. Am 27.2.2021 findet hier das Livestream-Konzert  UNISONO statt – mit Mezzosopranistin Natalya Boeva, Pianistin Susanna Klovsky und Sprecherin Cornelia Schweitzer.

IOCO -Korrespondentin Oxana Arkaeva sprach mit Nadja Preissler und Natalya Boeva über das Münchener Musikseminar, über das am  27. Februar 2021 geplante Livestream-Konzert UNISONO und  die beteiligten Künstler, Mezzosopranistin Natalya Boeva, Pianistin Susanna Klovsky und Sprecherin  Cornelia Schweitzer. Organisiert vom Münchener Musikseminar.

Erleben Sie das Konzert  UNISONO  -  27.2 2021 -  20.30 Uhr - HIER bei IOCO

Unisono: Natalya Boeva und Susanna Klovsky youtube Trailer Münchener Musikseminar [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Oxana Arkaeva (OA) : Liebe Frau Preissler, wie lange sind Sie schon beim Münchener Musikseminar? Was ist Besonderes an dieser Organisation?

Nadja Preisler (NP): Als Lehrerin bin ich seit ca. 12 Jahren bei Musikseminar tätig. Damals habe ich angefangen, unserem kürzlich verstorbenen Gründer Walter Krafft bei den organisatorischen Fragen zu unterstützen. Nach seinem Rücktritt vor sechs Jahren bin ich 1. Vereinsvorsitzende geworden und vor zwei Jahren auch die Schulleiterin. Was ist Besonderes an unserem Verein? Ich kann das Münchener Musikseminar als musikalisches Ökosystem bezeichnet. Wir sind sowohl eine Musikschule für Groß und Klein, für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis als auch Konzertveranstalter, Musiklabel und Verlag.

OA: Ihr Verein ist meiner Erfahrung nach einer der weniger nicht institutionell geförderten kulturellen Einrichtungen, die Livestreams in solch einer hohen Qualität anbieten. Woher kam die Idee für einen Livestream?

NP: Ich wäre nicht aufrichtig, wenn ich sagen würde, mit der Idee hätten wir uns schon länger beschäftigt. Aber als Geist kreiselte Sie um uns herum bereits eine Weile. Als der erste Lockdown kam und alle unsere Projekte abgesagt wurden, haben viele Musiker versucht, online zu gehen, um dort zu musizieren, auftreten zu können. Als wir es wahrgenommen haben, haben wir auch angefangen, die Idee eines Livestreams zu eruieren und zu recherchieren, und die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen zu prüfen. Es war für uns vom Anfang an klar: Alles muss professionell und ansprechend aussehen. Vor allem die Klangqualität muss hervorragend sein. Nach dem langen Suchen haben wir einen wunderbaren Partner, Stefan Ginger von Mastermixstudios (https://www.mastermixstudio.de) in München gefunden. Als auf einmal die Ereignisse sich überschlagen haben – zuerst das Veranstaltungsverbot im November letzten Jahres und danach der zweite Lockdown mit der Ausgangssperre war es uns klar: Wir wollten unsere für den Anfang Dezember geplante Veranstaltung, ein Klavierkonzert nicht mehr absagen. So gingen wir digital.

UNISONO Konzert - Sprecherin Cornelia Schweitzer © Bertnd Hartmann
UNISONO Konzert - Sprecherin Cornelia Schweitzer © Bernd Hartmann

AO:  Frau Boeva. Können Sie sich unseren Lesern kurz vorstellen?

Natalya Boeva (NB): Gerne. Ich komme aus St. Petersburg, Russland, wo ich mein Hochschulstudium erst in Chorleitung und dann im Operngesang absolviert habe. Anschließend habe ich dort an einem staatlichen Theater gesungen. 2018 habe ich mein Masterstudium an der Theaterakademie August Everding in München gemacht. In demselben Jahr habe ich beim ARD-Musikwettbewerb den 1. Preis gewonnen und wurde mit einem Sonderpreis für die beste Interpretation der Auftragskomposition ausgezeichnet. Seit der Spielzeit 2018/19 bin ich am Staatstheater Augsburg engagiert. Hier habe ich neben den wichtigen Repertoire-Mezzosopran-Rollen wie Charlotte, Komponist und Glucks „Orfeo“ auch Jackie Onassis in der europäischen Erstaufführung von David T. Littles „JFK“ verkörpert. Gerne trete ich als Kammermusikerin und Konzertsängerin auf. In diesem Bereich verfüge ich über ein sehr breites Repertoire – von den Barock-Stücken wie Händels „Lucrezia“ über Wagners „Wesendonck Lieder“ bis Boulez’ „Le marteau sans maitr“.

AO: Frau Preissler, welche Ziele verfolgen Sie mit Livestream? Was wollen Sie erreichen?

NP: Ein Livestream hat im Prinzip die gleiche Funktion oder die gleichen Ziele wie ein Konzert: die Musik zu den Menschen zu bringen. Allerdings hat solch eine Veranstaltung sowohl Vor- als auch die Nachteile. Ein wichtiger Vorteil ist die Erweiterung unseres Auditoriums, die viel größer sein kann als in einem Konzertsaal. Natürlich geht der unmittelbare Kontakt zum Publikum verloren. Um diesen Verlust zu reduzieren, muss Stream qualitativ sehr hochwertig sein. Ich persönlich finde ein Live Konzert viel schöner, nur ist das gerade jetzt leider nicht möglich! Wir müssen flexibel agieren und uns anpassen, um mit unserem Publikum weiter im Kontakt zu bleiben. So können wir unsere Vereinsziele des Münchener Musikseminar (Bildung und Kultur) auch in diesen Zeiten erfüllen. Ein Livestream ist auch eine Botschaft unsererseits an alle Musiker, die mit einem faktischen Berufsverbot belegt sind. Die besagt: Hört, wir kämpfen, wir sind für euch da. Helft uns bitte auch und macht mit. Gleichzeitig versuchen wir unsere Zuhörer zum Spenden zu animieren. Solche Projekte sind ohne finanzielle Unterstützung nicht möglich. So sind bei uns die Spenden in jeder Höhe herzlich willkommen. Das Geld wird für die Vereinszwecke verwendet. Für ähnliche Projekte oder Konzerte sowie für die Unterstützung der freischaffenden Künstler.

AO: Wie war das Feedback zu dem ersten Stream mit dem Pianisten Dmitry Mayboroda? Waren Sie mit dem künstlerischen wie auch finanziellen Ergebnis zufrieden?

NP: Nach diesem Stream haben wir ein unglaublich positives Feedback und viel Zuspruch bekommen. Gerade in solchen unsicheren Zeiten suchen Menschen nach dem ewigen Sinn und den Werten. Ich glaube, das Programm mit der Mondschein-Sonate vom Beethoven und Werken vom Chopin hat dieser Suche zu hundert Prozent entsprochen. Dmitry hat sehr professionell und überzeugend gespielt. Über 600 Zuschauer haben das Konzert angeschaut, und es gab viele Spenden.

 Staatstheater Augsburg © Staatstheater Augsburg
Staatstheater Augsburg © Staatstheater Augsburg

OA: Frau Boeva, wo hat die Pandemie Sie angetroffen?

NB: Am 8. März 2020 als ich zusammen mit dem wunderbaren Pianisten Boris Kusnezow eine Matinee am Palais de Bozar in Brüssel gesungen habe. Dort haben wir ein Programm mit Liedern von Ravel, Debussy und Mussorgski aufgeführt. Einige Tage davor hat in Augsburg am Staatstheater bereits die Endprobenphase der Inszenierung Faust (Gounod) begonnen, und als ich wieder in Augsburg war, durfte ich noch 3 Tage lang den Siébel proben. Dann kam der 1. Lockdown. Es traf uns alle sehr hart, es war ein purer Schock! Zuerst hat das Theater versucht, sich Varianten der Ausführung der Premiere zu überlegen: vielleicht die Vorstellung streamen? Aber dann hat man gesehen, dass es zu riskant wäre mit so vielen Menschen im Orchestergraben und auf der Bühne (bei Faust gibt es eine Riesenbesetzung). Danach wurde alles komplett eingestellt. Im Sommer haben wir ein bisschen singen dürfen und haben mit dem „Wünsch Dir was“ Projekt auf der grünen Wiese am Theater mit den Opern- und Operetten-Highlights das Publikum begeistern können. Im Juli habe ich noch an einem Projekt teilgenommen – „Konzerte im Fronhof“ in Augsburg. Da durfte ich bei der konzertanten Aufführung der Mozarts Oper Così fan tutte die Dorabella singen: Eine Partie, die mich schon seit vielen Jahren begleitet. In der aktuellen Spielzeit im Oktober 2020 haben wir es geschafft, Orfeo Inszenierung von unserem Intendanten André Bücker am Staatstheater Augsburg zu Premiere zu bringen und dann 2-mal zu spielen, dann kam der 2. Lockdown. Zum zweiten Mal ein Schockzustand, der immer noch anhält.

OA: Sie sind eine, die zu sogenannten „glücklichen“ gehört, denn Sie haben eine feste Einstellung und bekommen monatlich ihren Lohn. Welche Auswirkungen hat Lockdown auf ihre Arbeit? Wie erleben Sie die Situation persönlich, als Musikerin und als Sängerin?

NB: Lockdown hat sehr viele Auswirkungen auf die Arbeit eines Künstlers, und die sind nicht gerade schön. Wir wollen immer etwas mitteilen, etwas dem Publikum erzählen, vor diesem Publikum zu stehen. Wenn man das nicht hat, ist man verzweifelt, deprimiert, frustriert. Man stellt sich die Fragen: Warum ist es so, dass die Leute in einem Büro beieinander sitzenbleiben und arbeiten dürfen und wir – sogar mit den ganz tollen Hygiene-Konzepten wie am Staatstheater Augsburg – nicht? Wie geht es weiter? Wie wird die Kultur, die Kunst nach dieser Krise aussehen? Ich mache mir Sorgen, versuche diese Fragen zu beantworten, gleichzeitig, aber positiv zu bleiben und nicht die Motivation zu verlieren. Natürlich schätze ich mich als eine glückliche Sängerin, weil ich jetzt in der Krise festes monatliches Einkommen habe, obwohl wir seit Ende Oktober 2020 nicht spielen dürfen. Ich kann mir nur vorstellen, wie schwer es für die Freischaffenden ist, und insbesondere für diejenigen, die am Anfang ihrer Karriere sind.

OA: Frau Preissler, welche Bedeutung hat die Pandemie für Sie persönlich und als Musikerin? Wie sieht es mit Ihrer Livestream-Idee danach weiter?

NP: Ich denke, diese Zeit ist für alle sehr herausfordernd. Da ich mein Einkommen unter anderem als Klavierlehrerin und Schulleiterin beziehe, wurde ich finanziell nicht so hart betroffen wie viele anderen. Vor allem freischaffenden Musiker. Es ist klar, dass es sich bei der Pandemie um ein Ereignis handelt, das unser Leben noch lange prägen und nachhaltig verändern wird. Wie diese Veränderung aussehen wird, denke ich, kann im Augenblick niemand genau sagen. Es gibt sowohl optimistische als auch pessimistische Szenarien und nur der lieber Gott weiß, was uns erwartet. Gerade im Bereich Kunst und Kultur kann man mit großen Umwälzungen rechnen. Auch unsere zukünftige Planung im Verein ist wegen dieser Unsicherheit extrem eingeschränkt. Als eine kleine Organisation können wir nur warten, kleinere Projekte machen, die keine längeren Vorbereitungszeiten erfordern. Also flexibel denken und agieren. Wenn wir an unseren Zielen weiterhin festhalten, finden wir auch die Möglichkeiten, sie zu erreichen.

OA: Frau Boeva, können Sie uns etwas zu Ihrem Programm vom 27. Februar sagen?

Gerne! Das wird ein sehr schönes Programm, welches an ein breiteres Publikum gerichtet ist. Bei solch einer online Veranstaltung ist es viel leichter, aus diesem digitalen „Zuschauerraum“ herauszugehen. Und genau das wollen wir vermeiden. Unserem lieben Publikum präsentieren wir ein kompaktes Programm, das durch moderiert wird, damit die Zuschauer wissen, worum es in der Arie oder dem Lied grade geht. Die Moderation übernimmt Cornelia Schweitzer, die 2019 einen meiner Liederabende - „Meine Seele weinte…“ - im kleinen Konzertsaal im Gasteig München moderiert hat. Sie stand selber Jahre lang auf der Bühne als Schauspielerin. Aktuell arbeitet sie als Sprecherzieherin unter anderem an der Akademie der darstellenden Künste Baden-Württemberg in Ludwigsburg und an der Theaterakademie August Everding in München. Sie wird unser Programm dem Publikum deutlich und erfrischend vorstellen! Dabei gibt es Arien wie der Dalila aus Samson et Dalila von Saint-Saëns, der Prinzessin de Bouillon aus Cileas Adriana Lecouvreur, der Monolog des Komponisten aus R. Strauss’ Ariadne auf Naxos und das Lied der Polina aus Tschaikowskys Piqué Dame. Alle sind Stücke, die man als Opernliebhaber gut kennt und die man als Opern-Highlights bezeichnen kann. Ich singe aber auch wunderschöne Lieder vom Brahms und Rachmaninow.

OA: Und zum Schluss, noch ein kleines Statement: Warum sollen, ihre Meinung nach, die Zuschauer sich Ihren Livestream anhören?

Erstens ist unser Programm sehr spannend, vielseitig, lebendig und schön aufgebaut. Zweitens ist es nicht lang und es gibt für jeden Geschmack was. Diejenigen, die mit dieser Art des Musizierens noch nichts zu tun haben, bietet der Livestream eine willkommene Gelegenheit, diese wunderschöne und ausdrucksstarke Musik kennenzulernen! Drittens trete ich wieder mit der brillanten Pianistin Susanna Klovsky auf. Wir haben uns beim ARD-Wettbewerb in 2018 kennengelernt, wo sie mich sehr zuverlässig und künstlerisch hochsensibel begleitet hat. Von Anfang an waren wir auf einer emotionalen Welle – eben im Unisono. Vielen Zuschauern des ARD-Wettbewerbs ist unser Duo bereits bekannt. Mit diesem Stream wollen wir uns dem breiteren Internetpublikum vorstellen.

Eintritt und Spenden unter Bankverbindung: DE91 7015 0000 0013 1172 96 SSKMDEMMXXX PayPal: mail@musikseminar.eu. In der Betreffzeile bitte entweder als Spende oder Eintritt eingeben.

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