Bielefeld, Theater Bielefeld, TAMERLANO - Georg Friedrich Händel - Premiere, 05.12.2020

Bielefeld, Theater Bielefeld, TAMERLANO - Georg Friedrich Händel - Premiere, 05.12.2020
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Theater Bielefeld

Theater Bielefeld / Fassade © Theater Bielefeld
Theater Bielefeld / Fassade © Theater Bielefeld

TAMERLANO  -  Georg Friedrich Händel

 Text Nicola Francesco Haym - nach Agostino Piovene / Ippolito Zanelli

Premiere 5.12.2020, Weitere Termine 08.12., 12.12., 29.12. / …

davon ausgehend, dass die Bühnen im Dezember ihre Tore wieder öffnen, lädt  das Theater Bielefeld herzlich zur nächsten Premiere ein

Georg Friedrich Händel Grabplatte in Westminster Abbey © IOCO
Georg Friedrich Händel Grabplatte in Westminster Abbey © IOCO

Tartarenfürst Tamerlano will seinen epochemachenden Sieg über den türkischen Sultan Bajazet krönen, indem er dessen Tochter Asteria zur Frau nimmt. Ein freundliches Friedensangebot, das die zentralasiatischen Großmächte des frühen 15. Jahrhunderts vereinen könnte, oder tückisches Katz-und-Maus-Spiel eines racheerfüllten Siegers, der seinen hohen Gefangenen demütigen will?  Wohl eher letzteres, denn Asteria ist bereits mit dem griechischen Prinzen Andronico so gut wie verlobt. Ausgerechnet den schickt Tamerlano als Brautwerber zu Bajazet. Kommt die Heirat zustande, soll Andronico seinen Thron in Byzanz zurückerhalten und obendrein Tamerlanos eigene Braut Irene als Bonus zur Frau bekommen. Da Tamerlano kein Mann ist, dem man gern widerspricht, lenkt Andronico ein und stimmt zu. Prompt fühlt sich Asteria von ihrem Geliebten verraten, und die gerade zur Hochzeit anreisende Irene weiß auch nicht recht, wozu sie hier eigentlich gebeten ist. Asteria stimmt zur Überraschung aller zu, Tamerlanos Frau zu werden, doch als er sie zum Thron führen will, geschieht etwas Unerwartetes …

Georg Friedrich Händel Grabplatte in Westminster Abbey © IOCO
Georg Friedrich Händel Grabplatte in Westminster Abbey © IOCO

Verdichtet zu einem Kammerspiel treffen hier fünf Hauptfiguren und eine Nebenfigur mit ihren Emotionen, heimlichen Plänen und Verunsicherungen nahezu ungebremst aufeinander. Wie in einem Reagenzglas lotet die Oper die Gefühlskurven der Protagonist*innen aus, lässt dabei nicht selten Schein zu Sein gerinnen und serviert auf halber Strecke einen unerwarteten Bruch, der die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Georg Friedrich Händels 1724 in wenigen Wochen komponierte Oper erwuchs aus einer Art Glückssträhne: Er hatte in London 1719 mit der Royal Academy of Music eine Operngesellschaft gegründet, die am King’s Theatre spielte und bald von sich reden machte. Die bekanntesten Sänger*innen aus Kontinentaleuropa wurden engagiert, und Händel hatte als Künstlerischer Leiter alle Hände voll zu tun, um den Opernhunger der Londoner zu befriedigen. Opern wie Giulio Cesare, Tamerlano und Rodelinda verdanken sich dieser Situation.

Tamerlano der Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot: Lesen Sie hier die IOCO Rezension unserer Korrespondentin Ljerka Oreskovic Herrmann

Mit Tamerlano vertonte Händel einen seinerzeit bekannten und schon mehrfach für die Bühne bearbeiteten Stoff, der nicht in unwirklich fernen Sagenwelten oder der Antike spielte, sondern einer konkreten historischen Situation entsprach, die nur wenige hundert Jahre zurücklag: In einer gewaltigen Schlacht besiegte der tartarische Feldherr Timur Lenk, genannt Tamerlano, im Juli 1402 in Westanatolien die militärisch überlegenen Türken und nahm seinen Gegenspieler Sultan Bayezid I. gefangen, um ihn fortan als Statussymbol mit sich zu führen und zu demütigen. Der war gleichsam als Favorit in die Schlacht gegangen, hatte er doch in den Jahrzehnten zuvor das Osmanenreich stetig vergrößert und dabei etwa das ehedem gewaltige oströmische Reich zu guten Teilen erobert. Doch Tamerlano war noch erfolgreicher als Bayezid I.: In atemberaubender Geschwindigkeit hatte er in Zentralasien ein riesiges Herrschaftsgebiet errichtet, das Teile des heutigen Iraks, Irans, Aserbaidschans, Usbekistans, Armeniens, Georgiens, Syriens und der Türkei umfasste. Obwohl seine Grausamkeit Legende war – er ließ mit Vorliebe Einwohner*innen eroberter Städte köpfen und daraus riesige Schädelberge vor den Stadttoren errichten –, galt Tamerlano zu Georg Friedrich Händels Zeit als eine bewunderungswürdige Persönlichkeit, die Mut und Glück in sich vereinte und der es gelang, vom Hirtensohn zu einem der gefürchtetsten Monarchen seiner Zeit aufzusteigen.

In ihrer Neuinszenierung arbeiten die künstlerischen Leiter von Schauspiel und Tanz, Christian Schlüter und Simone Sandroni, spartenübergreifend. Jede der fünf Hauptfiguren wird in eine tanzende und eine singende Darstellerpersönlichkeit geteilt, was spielerische Gelegenheit zu einem Auffächern der inneren und äußeren Vorgänge gibt. Mit Jürgen Höth (Bühne) und Clemens Leander (Kostüme) sind zwei weitere Namen im Boot, die mehrfach am Theater Bielefeld gestalterisch tätig waren. Die Rollen des Tamerlano und des Andronico hat Händel für Countertenöre geschrieben, damals die gefragtesten Stars der Opernszene. Mit James Hall und Owen Willetts sind zwei Gäste im Tamerlano-Ensemble, die in diesem seltenen Gesangsfach international gefragte Künstler sind. Gregor Rot leitet die Produktion musikalisch, die von den Bielefelder Philharmonikern in barocker Besetzung getragen wird.

Eine spartenübergreifende Produktion von Musiktheater und TANZ Bielefeld Musikalische Leitung Gregor Rot Inszenierung Christian Schlüter, Simone Sandroni Choreografie Simone Sandroni Bühne Jürgen Höth Kostüme Clemens Leander Dramaturgie Jón Philipp von Linden, Janett Metzger

Mit James Hall & Hampus Larsson (Tamerlano) / Lorin Wey & Alexandre Nodari (Bajazet) / Owen Willetts & Andrea Zinnato (Andronico) / Nohad Becker & Cola Ho (Asteria) / Katja Starke & Elvira Zúñiga Porras (Irene) / Yoshiaki Kimura (Leone) / Bielefelder Philharmoniker

MUSIKALISCHE LEITUNGDer österreichische Dirigent Gregor Rot wurde in Wien geboren und studierte dort Gesang, Cembalo sowie Dirigieren bei Georg Mark. Noch während des Studiums übernahm er die musikalische Leitung der Sommerfestspiele Röttingen (Taubertal, Franken). 2008/09 fuhr er als Cembalist und Assistent für Così fan tutte und Le nozze di Figaro nach Venezuela zum Simón Bolivar Youth Orchestra. Es folgte eine Einladung als Gastdozent für Gesang und Deutsches Lied nach Caracas. Erste Engagements führten Gregor Rot zum Schönbrunner Schlossorchester, dem Leipziger Sinfonieorchester sowie als Assistent an die Opéra national du Rhin in Straßburg. Seine Theaterlaufbahn begann er am Südthüringischen Staatstheater Meiningen als Repetitor mit Dirigierverpflichtung. Er leitete bereits in seiner ersten Spielzeit fast 50 Vorstellungen (darunter Richard Wagners Rienzi). Nach zwei Jahren stieg er in Meiningen zum 2. Kapellmeister auf und dirigierte ein umfangreiches Repertoire in Musiktheater und Ballett. Für die überregional beachtete deutsche Erstaufführung der kasachischen Nationaloper Abai übernahm er die Einstudierung und die Umarbeitung des musikalischen und textlichen Materials für die Meininger Aufführung. 2013 bis 2017 war Gregor Rot 1. Kapellmeister des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin und dirigierte dort u. a. die Premieren von Aida, The Rake’s Progress, Die Verkaufte Braut, Die Zauberflöte, Jake Heggies Dead Man Walking und zahlreiche Konzerte. Gastdirigate führten ihn u. a. an die Theater Duisburg, Würzburg, Regensburg und Eisenach. 2016 gab Gregor Rot sein Debüt beim Bruckner Orchester im Brucknerhaus Linz und dem Wuppertaler Sinfonieorchester in der Historischen Stadthalle Wuppertal. Seit 2017 ist er 1. Kapellmeister des Theaters Bielefeld und der Bielefelder Philharmoniker.

INSZENIERUNGChristian Schlüter ist seit der Spielzeit 2007/08 Oberspielleiter im Schauspiel am Theater Bielefeld, mit dem er zuvor viele Jahre als regelmäßiger Gastregisseur eng verbunden war. Mit Beginn der Spielzeit 2018/19 übernahm er dann die Funktion des Schauspieldirektors. Geboren in Nesselwang im Allgäu, studierte Christian Schlüter nach seinem Abitur zunächst zwei Jahre Theaterwissenschaften an der Universität in Bochum und von 1990-1994 Regie bei Jürgen Flimm und Manfred Brauneck in Hamburg. Nach seinem Studium war er bis 1998 als Regieassistent am Thalia Theater Hamburg tätig. Danach arbeitete er als freischaffender Regisseur und Lehrbeauftragter am Studiengang Schauspieltheater-Regie in Hamburg. In Bielefeld inszenierte er zuletzt u. a. die Uraufführungen von Paul Austers Winterjournal und David Gieselmanns Theaterserie Sissy Murnau, die deutschsprachigen Erstaufführungen von Steven Fechters Schlangenbrut und Alan Ayckbourns Rondo, Joseph Rots Hiob, Orwells 1984, Simon Stephens‘ Heisenberg, die Uraufführung von Anne Jelena Schultes Recherchestück Weißes Gold, Shakespeares Ein Sommernachtstraum und Wie es euch gefällt sowie Schillers Wilhelm Tell und Die Jungfrau von Orleans. Aktuell sind seine Inszenierungen von Matthias Brandts Blackbird im Stadttheater und von Samantha Ellis´ How to date a feminist im Theater am Alten Markt zu sehen.

Seit der Spielzeit 2015/16 ist der italienische Choreograf Simone Sandroni künstlerischer Leiter der Sparte Tanz am Theater Bielefeld. Zuvor arbeitete er mit der von ihm mitbegründeten Tanzkompanie Ultima Vez in Brüssel, bis er ab 1993 mit seiner Gruppe Ernesto erste eigene Choreografien zur Uraufführung brachte. 1996 gründete er in Prag gemeinsam mit Lenka Flory die Tanzkompanie Déjà Donné, mit der er weltweit in 26 Ländern auf Tournee ging. Simone Sandroni war außerdem international als Gastchoreograf tätig u.a. für das Nationaltheater Prag, das Festival de Beweegin in Antwerpen, das Four Chambers Dance Project in Toronto, das Luzerner Theater, die Lublin Dance Company sowie für das Bayerische Staatsballett in München.

BÜHNEJürgen Höth ist freischaffender Bühnen- und Kostümbildner. Mit dem Theater Bielefeld verbindet ihn eine langjährige Arbeitsbeziehung u. a. mit den Regisseur* innen Matthias Kaschig, Mareike Mikat, Dariusch Yazdkhasti, Michael Heicks und Christian Schlüter. Zuletzt übernahm Jürgen Höth die Ausstattungen für Weißes Gold, How to date a feminist, Spin und das Bühnenbild für Charlys Tante sowie für Simone Sandronis Tanzstück Opus fünfundsechzig.

KOSTÜMEClemens Leander ist seit 2009 als Kostümbildner tätig. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn dabei mit der Regisseurin Clara Weyde und dem Performancekollektiv Showcase Beat Le Mot. Seine Arbeiten führten ihn u. a. an die Theater in Bonn und Freiburg, die Staatstheater Hannover und Nürnberg sowie das Schauspielhaus Hamburg und das Deutsche Theater Berlin. Zudem war Clemens Leander von 2013 bis 2015 Kostümdirektor am Theater an der Parkaue, Junges Staatstheater Berlin. Im Jahr 2016 begann er seine Arbeit bei den Salzburger Festspielen in der Produktionsleitung der Kostümabteilung. Dort betreut er seitdem die Schauspielproduktionen des Festivals. In der Spielzeit 2018/19 unterstützte er als künstlerische Organisationsleitung die Kostümabteilung des Burgtheaters in Wien. Am Theater Bielefeld entwarf Clemens Leander u. a. die Kostüme für Wie es euch gefällt und König Ubu, außerdem für die Inszenierungen von Rose Bernd und Die Affäre Rue de Lourcine, die aufgrund der aktuellen Situation noch nicht zur Premiere kommen konnten. In dieser Spielzeit übernahm er zudem die Kostüme für die Uraufführung von Dominik Buschs Deinen Platz in der Welt.

BESETZUNG

Tamerlano, Herrscher der Tartaren James Hall, Hampus Larsson Bajazet, Herrscher der Türken Lorin Wey, Alexandre Nodari Asteria,Tochter des Bajazets Nohad Becker, Cola Ho Andronico,griechischer Prinz Owen Willetts, Andrea Zinnato Irene,Prinzessin von Trapezunt Katja Starke, Elvira Zúñiga Porras Leone,Vertrauter Andronicos Yoshiaki Kimura

BIOGRAFIEN DER GÄSTEDer Countertenor James Hall genießt großes Ansehen im barocken und zeitgenössischen Repertoire. 2019/20 sang James Hall erstmals mit dem Scottish Chamber Orchestra und gab sein Debüt an der Deutschen Oper Berlin als Oberon. Bei der Biennale in Venedig war er als The Boy in Written on Skin zu erleben und sang Goffredo in Rinaldo bei Glyndebourne on Tour sowie ein Konzert unter der Leitung von Sir George Benjamin in der Royal Festival Hall. Vergangene Spielzeit gab Hall sein Debut beim Glyndebourne Festival als Rinaldo und sang Oberon an der Opéra National de Montpellier. In weiteren Engagements der jüngeren Vergangenheit sang er Guildenstern in Hamlet mit Glyndebourne on Tour, Narciso in Agripina beim Grange Festival und Farinelli in Farinelli and the King am Belasco Theatre am Broadway, wobei er mit dem Oscar-prämierten Schauspieler Mark Rylance auf der Bühne stand.

Hall kreierte die Rolle des Leon in Osborns The Mother mit der Mahogany Opera Group, Nathaniel in Na’ama Zissers Black Sand beim Tête-à-tête- und Grimeborn Festival sowie Johan in der Uraufführung von David Bruces Nothing in Glyndebourne. Im Konzert sang James Hall Bach-Kantaten mit The English Concert und Harry Bicket in der Wigmore Hall sowie deren Produktion von Rinaldo in der Carnegie Hall, wo er sein Debut mit Orfeo unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner gegeben hatte. Er sang Adalberto in Ottone mit George Petrou und Il Pomo d’Oro beim Festival de Beaune, war als Solist in Unsuk Chins Cantatrix Sopranica mit dem niederländischen Kammerorchester Asko|Schönberg zu erleben, spielte außerdem Zephyrus in Apollo et Hyacinthus mit Ian Page und der Classical Opera, Giulio Cesare mit der Early Opera Company sowie Mozarts Requiem in Singapur und Bachs Johannes-Passion mit Harry Bicket und der Royal Northern Sinfonia.

James Hall studierte am Royal College of Music und erhielt den Sir Geraint Evans Prize 2009 und 2010 sowie den Somerset Song Prize 2013. Gegenwärtige und zukünftige Engagements von Owen Willetts umfassen die Rolle der Castle Crow in John Abrahamsens The Snow Queen an der Bayerischen Staatsoper in München, Unulfo in Rodelinda in Göttingen und Moskau, Johannes-Passion an der Oper Zürich, die Titelrolle in Orlando am Staatstheater Darmstadt und diejenige in Glucks Orfeo an der Opera Queensland, den Tolomeo in Giulio Cesare am Theater Bonn, Tullio in Arminio in Karlsruhe, Göttingen sowie am Theater an der Wien, außerdem eine Tournee mit Les Musiciens du Louvre, Eustazio in Rinaldo sowie die Titelrolle in Giustinio mit der Lautten Compagney Berlin sowie Händels Il trionfo del tempo e del disinganno am Opernhaus Halle. In den vergangenen Spielzeiten sang Owen Willetts Oberon an der Viriginia Opera und in Hannover, Ottone in L’incoronazione di Poppea an der Pinchgut Opera und am Theater Aachen, Orlando in Heilbronn und Halle, Helicon in Caligula an der Staatsoper Hannover, Andronico beim Buxton Festival, Farinelli in Farinelli and the King am Duke of York Theatre, Narciso in Agrippina in Oldenburg, Göttingen und beim Brisbane Baroque Festival, den Sommer in The Fairy Queen, Giulio Cesare an der Finnish National Opera sowie Orfeo (Gluck) und Arsace in Händels Partenope beim Boston Baroque.

Im Konzertbereich sang Owen Willetts mit Les Musiciens de Louvre, dem Telemann Chamber Orchestra beim Vancouver Early Music Festival, mit dem Ulster Orchestra, Orchestra of the Age of Enlightenment und der Lautten Compagney. Dabei arbeitete er mit zahlreichen führenden Künstler*innen der historischen Aufführungspraxis wie Laurence Cummings, Christian Curnyn, Emmanuelle Haim, Marc Minkowsi, Martin Pearlman, Howard Arman und Raphael Pichon. Owen war Chorschüler an der Kathedrale in Lichfield (Staffordshire/GB) und studierte an der Royal Academy of Music bei Noelle Barker, Iain Leadingham und David Lowe.

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