Erfurt, Theater Erfurt, Der Schauspieldirektor - Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 25.10.2020

Erfurt, Theater Erfurt, Der Schauspieldirektor - Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 25.10.2020
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Theater Erfurt

Theater Erfurt @ Lutz Edelhoff
Theater Erfurt @ Lutz Edelhoff

Der Schauspieldirektor - Singspiel von Wolfgang Amadeus Mozart

„Der Schauspieldirektor“ in Erfurt kommt vom Bauhaus in Weimar

von Hanns Butterhof

Wolfgang A Mozart in Salzburg vor dem Festspielhaus © IOCO DZimmermann
Wolfgang A Mozart in Salzburg vor dem Festspielhaus © IOCO DZimmermann

In Corona-Zeiten mit hygienebedingt kurzer Aufführungsdauer schlägt die Stunde für kleinere, sonst eher selten auf der Bühne erlebbarer Stücke. Der Schauspieldirektor, das einaktige Singspiel von Wolfgang Amadeus Mozart von 1786 gehört unbedingt in diese Kategorie. Musikalisch bis auf die Ouvertüre wenig ergiebig, mit nur vier Gesangsnummern von insgesamt zwanzig Minuten und einem von Gottlob Stephanie d.J. erstellten, heute bestenfalls noch museal verwendbaren Text gilt Der Schauspieldirektor als minderes Werk Mozarts und nicht unbedingt als ein Publikumsmagnet. Dass dem nicht notwendig so sein muss, zeigt die glänzende Aufführung am Theater Erfurt. Die Spielfassung durch Regisseur Cristiano Fioravanti und Dramaturgin Larissa Wieczorek spannt zwanglos Corona, Regietheater, die prekäre Lage der Schauspieler sowie Kritik an der Moderne witzig zusammen und hat allen Beifall verdient, den das Premierenpublikum langanhaltend spendete.

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Aus dem Einakter ist in Erfurt wie auch schon anderswo ein zweiaktiges Werk geworden. Sein erster Teil besteht aus der Probe zu Der Schauspieldirektor, der dann im zweiten Teil zur Aufführung kommt. Für den Musikanteil des ersten Aktes, für den das Orchester mit Myron Michailidis am Pult den hinteren Bühnenraum einnimmt, werden andere Opernwerke Mozarts bemüht. Düster und überraschend erklingt als Ouvertüre eine Partie aus Don Giovanni, die erste Arie des Baritons (Juri Batukov) ist aus Figaros Hochzeit, wobei er beim „Fünfe, zehne, zwanzig“ -Zählen mit ausgestreckten Armen und ausgeklappten Metermaß-Stäben urkomisch die amtlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstände demonstriert. Wenn die Soprane (Leonor Amaral und Daniela Gerstenmeyer) Arien aus Così fan tutte und La finta semplice, der Tenor (Brett Sprague) aus Mitridate singen, ruft das schon keine Verwunderung mehr hervor.

Im Mittelpunkt des ersten Teils steht der titelgebende Schauspieldirektor Frank (Stefan Wey). Wenn er zur Ouvertüre wie ein vom Storch gebrachtes Neugeborenes ganz in Weiß (Ausstattung: Anja Wandt) aus einem großen Wickeltuch steigt, ist von ihm absolut Neues, vielleicht auch etwas an der Grenze zum Unbedarften zu erwarten.

Theater Erfurt / Der Schauspieldirektor - hier - Stefan Wey ist der despotische Schauspieldirektor © Lutz Edelhoff
Theater Erfurt / Der Schauspieldirektor - hier - Stefan Wey ist der despotische Schauspieldirektor © Lutz Edelhoff

Für die Probe räumt die – von der Regie dazuerfundene - Regie-Assistentin Cristina (Bettina Brezinski) zwei gestufte Podest-Gerüste für die Sänger auf die Bühne. Der nun in die existenzialistisch-schwarze Lieblingsuniform des Theaterschaffenden gekleidete Regisseur Frank führt sich am Regiepult davor als mieser Regie-Despot auf. Er versucht dem Ensemble seine Idee vom Theater als Raum-Bewegungs-Musik-und-Licht-Gesamtkunstwerk nahezubringen. Klingt gut, ist allerdings so leer und abstrakt, dass ihn keiner versteht. Vielmehr setzen die Sänger seine Anweisungen umwerfend komisch in puren Unfug um, woraufhin er sie übel als faul und unfähig beschimpft. Schließlich entlässt er rüde die überforderte Cristina, die auch nicht weiß, was seine Ideen meinen oder gar, wie sie dem Ensemble zu vermitteln wären. Dem folgt eine deutlich utopisch-zukunftsweisende Aktion: Alle solidarisieren sich mit der gefeuerten Cristina und brechen die Probe, vielleicht auch die Zusammenarbeit mit Frank ab; er taucht nicht wieder auf.

Die Probe erweist sich als Kritik des real existierenden Theaterbetriebs mit cholerischen Regisseuren, prekären Arbeitsverhältnissen und dadurch angestacheltem Konkurrenzdruck der Künstler. Die eine Sopranistin (Daniela Gerstenmeyer) buhlt mit Anpassung an den Regisseur, die andere (Leonor Amaral) kämpft mit Verve um ihr Engagement; das Terzett „Ich bin die erste Sängerin“, in dem sich die beiden in Stellung bringen, ist psychologisch und mit seiner überschäumenden Flut von Koloraturen das Glanzstück der Aufführung.

Theater Erfurt / Der Schauspieldirektor - hier : Wie im „Triadischen Ballett“ von Oskar Schlemmer, vl Daniela Gerstenmeyer als Sopran, Juri Batukov als Bariton, Brett Sprague als Tenor und Leonor Amaral als Sopran © Lutz Edelhoff
Theater Erfurt / Der Schauspieldirektor - hier : Wie im „Triadischen Ballett“ von Oskar Schlemmer, vl Daniela Gerstenmeyer als Sopran, Juri Batukov als Bariton, Brett Sprague als Tenor und Leonor Amaral als Sopran © Lutz Edelhoff

Der zweite Teil spielt nach fünf Wochen. Überraschend erklingt jetzt das Original der Ouvertüre zu Der Schauspieldirektor, der dann noch die dazugehörigen Gesangsnummern folgen. Erstaunlicher ist aber, dass Frank sein Regiekonzept anscheinend doch durchgesetzt hat. Die beiden abstrakten Bühnenpodeste der Probe sind jetzt weiße Kuben, und das Gesangsensemble ist kostümiert. In den bonbonbunten, geometrischen Figuren wie Kreis, Quadrat oder Dreieck entlehnten Kostümen singen und bewegen sich alle mechanisch wie Spielzeug-Blechfiguren auf geraden Linien oder in rechten Winkeln nach dem Muster des 1928 uraufgeführten Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer. Das moderne Neue, das Franks Auftritt versprach, erweist sich als Entseelung und Mechanisierung und findet im Umgang des Regisseurs mit seinen Schauspielern die genaue Entsprechung. Der Schauspieldirektor Frank kommt deutlich vom Bauhaus in Weimar.

Alles passt sauber zusammen als Kritik an einer das Menschliche hintansetzenden Moderne, auf die Corona ein grelles Schlaglicht wirft. Das ist von Cristiano Fioravanti ohne erhobenen Zeigefinger rein sinnlich erlebbar inszeniert, vom Ensemble überzeugend gespielt und gesungen und vom Philharmonischen Orchester Erfurt unter Myron Michailidis in einen gefälligen Mozart -Ton eingebettet. Dieser Schauspieldirektor ist mit seinen siebzig Minuten Spieldauer, in deutscher und italienischer Sprache mit Übertitelung, umfassend sehens- und hörenswert und wurde vom Premierenpublikum ausgiebig und mit Bravos gefeiert.

Der Schauspieldirektor am Theater Erfurt; die weiteren Vorstellungen 24.10.; 20.11.; 13.12.2020 und mehr

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