Krefeld, Theater Krefeld - Mönchengladbach, Frau Luna - Schlösser, die im Monde liegen, IOCO Kritik, 30.11.2016

Krefeld, Theater Krefeld - Mönchengladbach, Frau Luna - Schlösser, die im Monde liegen, IOCO Kritik, 30.11.2016
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Theater Krefeld Mönchengladbach

 Theater Krefeld / Frau Luna - Frau Pusebach in Berlin Neukölln © Stutte
Theater Krefeld / Frau Luna - Frau Pusebach in Berlin Neukölln © Stutte

Frau Luna:  Berliner Luft im Theater Krefeld

  "Schlösser, die im Monde liegen"

Von Viktor Jarosch

Die Uraufführung der aus dem Stand erfolgreichen Operette Frau Luna von Paul Lincke (1866 - 1946) fand an einem wahrlich bemerkenswertem Tag statt: Am 31. Dezember 1899, Silvester, zur Jahrhundertwende. Lincke war schon populär in Berlin: Zahllose Lieder und Couplets mit witzig-frivolem wie markigen Refrains wie  revueartige Einakter waren zum Alltag in Berliner Salons und Theater geworden. Mit Frau Luna gab Paul Lincke der von Strauss, Millöcker und Zeller geprägten Goldene Operettenära und ihrer Walzer- und Polka-Seligkeit  neue Richtung: Das Berliner Milieu abbildendes Revueschmankerl Frau Luna zeichnet in zahlreichen Walzern, Märschen und Liedern irdische Alltagsängste und soziale Realität des Durchschnittsmenschen Fritz Steppke, satirisch überhöht durch die lunare Parallelwelt bei Frau Luna. In Wien beschrieb man Lincke aufgrund seines großen Frau Luna - Erfolgs, leicht mißgünstig, als "Berliner Offenbach". Paul Lincke gab mit seiner Frau Luna, ihrem Berliner Flair und Sozialsatire der Gattung Operette neue Richtung.

Frau Luna - Paul Lincke youtube Video des Theater Krefeld - Mönchengladbach [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Regisseur Ansgar Weigner zeichnet mit Jürgen Kirner (Bühnenbild) in seiner Inszenierung irdisches Arbeiter-Milieu im tiefsten Berliner Kiez: Einfache Hochhaus-Hinterhöfe mit zahllosen Satellitenschüsseln und Wäscheleinen im Bühnenhintergrund; in der Bühnenmitte die kleinbürgerliche Eckkneipe "Im Spree-Athen": Darin berlinert Fritz Steppke (Markus Heinrich) mit seinen Kumpanen Lämmermeier (Rafael Bruck) als freigestelltem Lehrer im Krankenstand und Pannecke (Hayk Deinyan) hämisch über die Vermieterin Frau Pusebach (Kerstin Brix) als von Mutter Theresa von Neukölln. Bei einer süß-komischen Tanzeinlage gründen sie ein Aktionsbündnis gegen Politiker, "die doch alle hinterm Mond leben".

Theater Krefeld / Frau Luna und die Mondelfen © Stutte
Theater Krefeld / Frau Luna und die Mondelfen © Stutte

Derweil klagt Frau Pusebach, "Es war an einem schönen Frühlingsabend", über den treulosen Theophil, der sie einst im Stich ließ während ihre Nichte Marie (Susanne Seefing) ihren Verlobten Steppke mit dem lyrisch romantisch gesungenem Walzer "Schlösser, die im Monde liegen bringen Kummer lieber Schatz" von allzu hochfliegenden Träumen abhalten möchte. Über irdischen Kummer fällt Steppke in einen schweren Traum, welcher ihn mit seinen Kumpanen auf den Mond trägt.

Theater Krefeld / Frau Puesebach kommt auf dem Mond an © Stutte
Theater Krefeld / Frau Puesebach kommt auf dem Mond an © Stutte

So realistisch das Berliner Bühnenbild auf Erden, so esoterisch verklärt zeichnet es die Mondbewohner: Eine Mondelfen-Putzkolonne entsteigt tanzend (wunderbare Choreographie Luches Huddleston jr) in phantasiereichen Hüllen aus weißem Tüll (Marlis Knoblauch) und weißen Staubwedeln einer Wolke. Der blaue Planet Erde kreist derweil sanft im Bühnen-Hintergrund, beständig sichtbar. Mondabteilungsleiter Theophil treibt seine Mondelfen Allegro-hektisch wie Walzerselig an "Schnell, putzet fein" und erzählt von einem irdischen Rendezvous mit Frau Pusebach, während seine Herzdame Stella (Gabriela Kuhn) von Eifersucht geplagt wird ("Schenk mir doch ein kleines bißchen Liebe") und der Mondgroom (Sabine Sanz) mit Lupe nach verbliebenem Staub sucht.

So erscheinen die "Vier armen Reisende aus Berlin", Steppke, Panneke, Lämmermeier, und Frau Pusebach auf dem Mond: Begrüßt mit der Frage "Was wollen Sie hier?", der berlinernden Antwort "Kieken, wat sonst!" und dem rythmischen Klatsch-Marsch der Theaterbesucher zu dem Lied "Das macht die Berliner Luft" geht das Märchen um Frau Luna in die höchst beschwingte Pause.

Theater Krefeld / Frau Luna kokettiert mit Steppke © Stutte
Theater Krefeld / Frau Luna kokettiert mit Steppke © Stutte

So sprudelt Operettenflair voller schräg inter-lunarer Konflikten hin und her: Frau Luna (Debra Hays) hält auf der Konferenz der "Interstellaren Union" in goldenem Kostüm auf großer Freitreppe eine flammende Neujahrsansprache, "Laßt den Kopf nicht hängen..", welche ihr Verehrer Prinz Sternschnuppe (Michael Simon) für Annäherungen nutzen möchte, "Bis die Sonne schlafen geht, will ich nicht mehr warten". Doch Frau Luna möchte lieber "Wenn die Sonne schlafen geht" Steppke für sich gewinnen, welcher zu Frau Lunas Avancen sinniert „So stellt man sich das Zentrum der Macht nicht vor“. Doch dann verlieren sich die Mondbewohner, Frau Luna, eine heiß gekleidete Venus (Margriet Schlössels, "Ich bin Madame Venus"), ein rundlicher Mars (Yasuyuki Toki), mit Weltkugeln oder in Badekostümen tanzende Mondelfen in einer wilden Mond-Party.

Darüber erwacht Steppke in seiner Berlin Kneipe und unter seinen Kumpanen aus dem lunaren Traum. Mit der Erkenntnis: „Unser Kiez ist unsere Welt“, verabredet sich mit seinen Kumpane zu einem Skatabend; alle wollen in die Politik. Steppke fragt: „Riecht ihr denn wirklich nichts? Die echte Berliner Luft!

Theater Krefeld / Frau Luna - Prinz Sternschnuppe und Mondelfen feiern © Stutte
Theater Krefeld / Frau Luna - Prinz Sternschnuppe und Mondelfen feiern © Stutte

Frau Luna im ausverkauften Theater Krefeld macht Ansgar Weigner mit seinem spielfreudigen Ensemble zu einer liebe- wie humorvollen Operette über irdisch realer Alltagskonflikte über Politik, Lebensängste oder zwischenmenschliche Beziehungen. Linckes Komposition berauscht dabei den Besucher von der Ouvertüre bis zum Finale im Stil in einer populären Schlagerrevue. Alexander Steinitz und seine Niederrheinischen Sinfoniker, leider mit kleiner Besetzung, beherrschen Instrumental-passagen wie Tempiwechsel in Harmonie mit dem schräg wechselnden Geschehen auf der Bühne: Von der immer wiederkehrenden Berliner Luft  über menschlich zackige  Takte der Mondgesellschaft hin zum sentimentalen langsamen Walzer „Schlösser, die im Monde liegen“ der Marie und den Arien des Theophil: Frau Luna im Theater Krefeld ist eine irdisch-lunare Revue, eine bunte Berliner Operette: 850 Besucher im ausverkauften Theater feierten kurzweilige Ohrwürmer, Märsche und Walzer in mitreißender Choreographie mit großem Beifall. IOCO / Viktor Jarosch / 30.11.2016

Frau Luna im Theater Krefeld, weitere Vorstellungen: 31.12.2016, 19.01.2017, 25.02.2017, 23.03.2017, 28.05.2017, 18.06.2017, 20.06.2017.

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