Wuppertal, Oper, TRISTAN UND ISOLDE - R. Wagner, IOCO Kritik

TRISTAN UND ISOLDE: Seit Oktober 2023 steht Wagners Tristan und Isolde auf dem Spielplan der Oper Wuppertal. Es ist ein schwer aufzuführendes Werk von Richard Wagner, das sonst eher den großen, internationalen Häusern vorbehalten ist.

Wuppertal, Oper, TRISTAN UND ISOLDE - R. Wagner, IOCO Kritik
Oper Wuppertal @ Andreas Fischer

Oper Wuppertal wagt Wagners Tristan und Isolde - mit großem Erfolg

 von Uli Rehwald

Seit Oktober 2023 steht Wagners Tristan und Isolde auf dem Spielplan der Oper Wuppertal. Es ist ein schwer aufzuführendes Werk von Richard Wagner, das sonst eher den großen, internationalen Häusern vorbehalten ist. Die Oper Wuppertal kann dieses Werk nicht mit den eigenen Ensemble-Sängern besetzen, sondern es wurde umfassend auf Gastsänger gesetzt, die dem sehr hohen Anspruch der Rollen gerecht werden sollen.

Wie immer bei dieser Oper sind einige Vorbemerkungen erforderlich. Das Stück braucht nämlich sowohl ein großes Vorwissen als auch einen guten Versuch, es richtig zu deuten. Sonst droht die Situation, dass die 5 Stunden ohne schlüssiges Verständnis doch lang genug werden, um sich intensiv mit dem Neigungsgrad der eigenen Stuhllehne zu beschäftigen. Die hier besprochene Vorstellung: 24.2.2024.

TRISTAN UND ISOLDE @ Matthias Jung

Worum geht es also? Es sind zwar ganze Meter von Bücherregalen mit dieser Frage gefüllt worden, wie der Tristan zu verstehen ist. Trotzdem der Versuch einer Kurzfassung:

-        Heute wird keine leichte, gut konsumierbare Oper gespielt. Ein Fest der Heiterkeit schon gar nicht. Sondern eine wirklich schwere Oper.

-        Es wird keine schöne Liebesgeschichte gespielt, sondern das Gegenteil. Diese Liebe ist aussichtslos und verzweifelt. Den sich daraus ergebenden existenziellen Fragen wird reichlich Raum gegeben.

-        Die Handlung zeigt keinen Ausweg. Beide sterben in dieser Oper aus „Liebe“.

-        Eigentlich wird von Wagner nicht die Liebe selbst dargestellt, sondern seine kaum zu verstehende Philosophie über eine grenzenlos-entgrenzte Liebe.

-        In Kurzform: Das Werk ist eine echte Herausforderung. Nicht nur für Sänger und Orchester, auch für das Publikum.

Wie geht das Regie-Team (hier bestehend aus Martin Andersson für Konzept und Video sowie Edison Vigil für die Bühne) mit dieser herausfordernden Oper um? Erfreulich ist, dass nicht versucht wird, das Stück neu zu interpretieren oder ihm noch zusätzlich ein modernes Thema aufzubürden. Es genügt der Regie, das Werk für sich sprechen zu lassen, die wilde Geschichte einer unmöglichen Liebe einfach nur zu erzählen.

Die einzige wirkliche Zutat der Regie besteht darin, dass über die gesamten 5 Stunden auf Videobilder gesetzt wird. Dies überwiegend als Hintergrund, mit langen Standbildern, welche die Atmosphäre am Anfang fast wie ein Naturfilm prägen. In wenigen Passagen liefern die Bilder auch Rückblendungen, welche inneren Bilder sich bei den Figuren zeigen. Einen durchaus großen Opern-Moment schenkt uns Andersson am Ende des 1. Aktes, als Tristan und Isolde ihren Liebestrank trinken. Bis dahin zeigt Video nur die unendliche Weite des Meeres, was die Ausgesetztheit der beiden unterstreicht. Sobald jedoch der Liebestrank seine Wirkung tut, wechselt das Videobild in einen Mikro-Kosmos aus wild-wogenden Wasserstrudeln, in die das Paar scheinbar stürzt. Die gesamte Video-Regie wirkt durchaus gelungen, trägt das Werk. Die Augen sind dankbar, nicht nur eine leere Bühne zu sehen. Die Kostüme kommen eher unauffällig daher, wollen sich nicht in den Vordergrund schieben.

TRISTAN UND ISOLDE @ Matthias Jung

Die Titelrolle des Tristan ist mit dem Gastsänger Samuel Sakker, einem australischen Tenor, besetzt. Er hat diese Rolle bereits in der Opéra national de Lorraine in Nancy erfolgreich gesungen und ist eine Wagner-Neuentdeckung am Anfang seiner Karriere. Seine Stimme ist in den hohen Lagen eher wie ein Bariton gefärbt. Das helle Wagner-Metall, das meist von Helden-Tenören erwartet wird, fehlt an diesem Abend aber nicht wirklich. Er steht die Rolle durch, beeindruckend satt in der Mittellage, zeigt seinen vollen Stimmumfang auch im sehr schwierig zu singenden 3. Akt ohne Ermüdungserscheinungen.

Kirstin Sharpin (ebenfalls Gastsängerin) ist in der Rolle der Isolde zweifelsohne der Star des Abends. Sie knüpft an ihr glanzvolles Rollendebut in Nordhausen an, steht ebenfalls noch am Anfang ihrer Wagner-Karriere. Bestechend ist die enorme Leichtigkeit ihrer Stimme, die auch nach 5 Stunden noch bestens modulierter daherkommt. Die lyrischen Passagen sind perfekt, ihre Höhe ist strahlend, zusätzlich ist sie gut wortverständlich. Sie meistert glanzvoll eine der größten und schwierigsten Rollen des Opern-Repertoires.

Renatus Mészár musste an diesem Abend kurzfristig für den erkrankten Erik Rousi in der Rolle des Königs Marke einspringen. Er schenkt uns heute mit seiner beeindruckenden Klage einen der Höhepunkte der Oper: Die Welt scheint in seinem Schmerz, ergreifend ausgedrückt in seinem geschmeidig-tiefen Bass, stillzustehen.

Auch die Rollen der Brangäne (Jenniffer Feinstein) und des Kurwenals (Martijn Sanders) sind mit Gastsängern besetzt. Martijn Sanders legt im 3. Akt enorm zu und ist dann stimmlich und darstellerisch dem Tristan fast ebenbürtig. Jenniffer Feinstein gelingt es, sowohl stimmlich als auch spielerisch einen starken Gegenpol zur Isolde auf die Bühne zu bringen. Für die Ensemble-Mitglieder bleiben heute leider nur die kleineren Rollen (Jason Lee als Melot, Sangmin Jeon als Hirte / Seemann sowie Andreas Heichlinger als Steuermann).

Auch das Sinfonieorchester Wuppertal besteht unter der Leitung von Patrick Hahn das Wagnis, dieses schwierige Werk aufzuführen. Das Wuppertaler Publikum zeigt mehrfach sehr herzlichen Applaus für seinen jungen Dirigenten-Star.

Und zum Schluss noch mal die Frage, was uns Richard Wagner mit dem Stück zeigen will. Sicherlich hat er versucht, der großen Liebe ein Denkmal zu setzen (so schreibt er es jedenfalls selbst in einem Briefwechsel). Zweifellos hat er das Werk auf der Basis seiner eigenen Gefühlswelt geschrieben, die uns heute einfach nur rätselhaft bleibt. Einen Ausweg aus dem Dilemma der Handlung zeigt er eigentlich nur durch den Tod, durch die „Loslösung von dieser Welt“. Und dabei hat er eine großartige, wegweisende Musik geschrieben, die von der Romantik in die Moderne führt. Mit einem noch differenzierteren Ausdruck der Innenwelt der Figuren. Mit einer Loslösung von der bisher maßgeblichen Harmonik hin zur atonalen Musik.

Was können wir heute daraus für uns mitnehmen? Sicher die traumhafte Musik, der oft eine geradezu soghafte Wirkung zugeschrieben wird. Andererseits zeigt die Handlung nur die tiefe Verzweiflung einer nicht funktionierenden Liebe. Auf der musikalischen Ebene findet jedoch sehr wohl eine Erlösung statt, in der letzten Arie, in Isoldes Liebestod. Und stiftet ein wenig Hoffnung.

Anhaltender Applaus des Publikums, Bravorufe, keinerlei Missfallens-kundgebungen. Wuppertal freut sich, mit diesem Tristan und Isolde eine wirkliche Herausforderung erfolgreich bestanden zu haben.

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