Wuppertal, Oper Wuppertal, ein 3-Sterne-Schnupperabend, IOCO

Wuppertal, Oper Wuppertal, ein 3-Sterne-Schnupperabend, IOCO
Oper Wuppertal @ Andreas Fischer

 Heute gibt es frische, bestens animierende Theaterluft in Wuppertal zu schnuppern.

Die Oper Wuppertal hat die gesamte Saison über das schöne Format

„Neu in der Oper? Ein Schnupperbesuch“

auf dem Programm. Heute, am 5.9.25, findet zur Saisoneröffnung der erste Schnupperabend statt. Die Anmeldung ist unkompliziert und kostenlos.

Vor Ort angekommen stellt man fest, dass sich ungefähr 30 Personen zum heutigen Schnuppern eingefunden haben. Wie entwickelt sich nun ein solcher Abend? Zunächst einmal kann man „einfach so“ in das Opernhaus hineingehen, ohne an der Kasse anzustehen oder eine Eingangskontrolle zu überwinden. Warteschlangen gibt es auch nicht. Alle dürfen auch in  normaler Alltagskleidung hinein und finden den Weg in das Kronleuchterfoyer.

Probe Don Giovanni Fotos: Axel J. Scherer

Die Dramaturgin, Frau Laura Knoll, eröffnet zunächst mit einem Vortrag. Sie schafft es tatsächlich, einen Parforceritt über die gesamte Operngeschichte in 40 Minuten hinzulegen. Die Wetterlaune will es, dass das Publikum sieht, wie in den großen Saal-Fenstern hinter Frau Knoll scheinbar magisch Blitze aus den Gewitterwolken fahren, als sie über die romantische Oper spricht. Und dann erzählt sie noch zusätzlich aus dem Stand den Inhalt der heutigen Probe (Don Giovanni). Diese Oper stand schon letztes Jahr auf dem Spielplan. Am Sonntag findet die Wiederaufnahme nach der langen 6-wöchigen Urlaubszeit der Künstler statt.  Heute Abend ist die einzige Probe dafür.

Frau Knoll macht das richtig gut. Die gesamte Zuhörerschaft hängt ihr an den Lippen. Jeder im Raum kann spüren, wie hier die Theaterluft mit jeder Minute dichter wird, und schließlich „gemeinsam geatmet“ wird.  

Und schon geht es auf zum Besuch der Probe. Um die Künstler nicht zu stören, schleichen alle wie auf Zehenspitzen in den dunklen Zuschauerraum, man gestikuliert, möglichst leise zu sein.  Auch die Atmung wird flach – wir atmen jetzt ja live-Theaterluft. Alle merken, wie es prickelt. Die Probe läuft ja schon.

Die Musiker und Sänger sind schon in der Mitte des 1. Aktes angelangt, der Einstieg ist zweifelsohne steil. Doch Gott sei Dank begrüßt alle erst einmal das sehr bekannte Duett „Reich mir die Hand mein Leben“. Die Probe hat zum Teil schon Aufführungsqualität, es wird fast nicht unterbrochen. Die Sänger habe schon die Kostüme für den Sonntag an – nur der Chor hat noch Marscherleichterung und singt in Freizeitkleidung und ohne Schminke.

Nach einer guten halben Stunde ist das Ende des 1. Aktes erreicht, für die Künstler steht die Pause bis zum Beginn des 2. Aktes an. Frau Knoll bittet alle Zuschauer wieder hinaus in das Kronleuchterfoyer. Es soll diskutiert werden, es dürfen Fragen gestellt werden.

Probe Don Giovanni Fotos: Axel J. Scherer

Und nach all diesen gemeinsamen Erlebnissen in kleinem Kreis taut die Fragerunde schließlich auf, keiner hat mehr Hemmungen, „seine“ Frage zu stellen. Es dürfen Fragen gestellt werden, die man schon immer hätte fragen wollen, sich aber noch nie getraut hat, zu stellen (ja, Woody Allen lässt grüßen).

  • Fragen zur Gesangstechnik (sängerische Unterschiede zwischen Oper und Operette) werden tatsächlich nicht theoretisch behandelt. Spontan erhebt sich eine Sängerin, die gerade dabeisitzt und demonstriert dem staunenden Publikum die Unterschiede mit Begeisterung. Und zwar singend und live. Man kann nicht anders als dafür zu applaudieren.  
  • Wie die Abläufe für die Einspringer sind, wenn ein Sänger krank ist und für den Abend ausfällt.
  • Sogar die Farbe der Querflöte und die Feuerfestigkeit der Stoffe auf der Bühne werden besprochen.

Frau Knoll moderiert richtig gut, man fühlt sich fast wie am gemeinschaftlichen Lagerfeuer, wo die Erlebnisse des Tages nochmal erzählt werden wollen. Am Lagerfeuer gibt es diesmal jedoch keine Würstchen am Stock mit beißendem Rauch, sondern ganz frisch geschürfte Opernsplitter in anregender Theaterluft.

Nach all dem wird gefragt, ob das Publikum auch noch eine Führung durch das Haus wünscht – schließlich ist es ja schon spät. Natürlich wollen alle. Wieder wird auf ganz leisen Sohlen und fast angehaltenem Atem durch Räume geschlichen, die man sonst nie sieht. Immer noch will keiner die inzwischen wieder weiterlaufende Probe stören. Und man trifft dabei sogar einige Chormitglieder, die eben noch gesungen haben, nun aber Pause machen.  

Was dürfen wir alles sehen?

  • Die einzelnen Proberäume mit geheimnisvollen Regie-Hinweisen und Boden-Markierungen. Natürlich lüftet Frau Knoll die Geheimnisse.
  • Ganz viele steile, enge Treppenhäuser mit schwergängigen Brandschutztüren über mehrere Gebäude, die nur im Gänsemarsch zu überwinden sind.  
  • Die Kantine, gerade leider ohne Künstler.
  • Das Magazin für die Kulissen. Es darf gerätselt werden: Was gehört wozu?
  • Natürlich wollen alle auch den Kostümfundus sehen, die anwesenden Damen sind begeistert. Es gibt sogar ein Eckchen, wo das Anfassen und Anprobieren der Kostüme ausdrücklich erlaubt ist.

Nach der Uhrzeit fragt schon lange keiner mehr.

Und irgendwie können am Ende des Abends wohl alle feststellen, wie ein bisher unbekanntes Gebäude fast zu einem Stück Heimat wird. Manche werden nach dem heutigen Abend sagen können:

So, das ist jetzt mein Opernhaus. Schließlich habe ich es ja Alles von oben bis unten gesehen“.

Und bestimmt fühlen sich mehr als dazu eingeladen. Bei so viel gezeigter mitreißender Begeisterung der heute Verantwortlichen.  

Probe Don Giovanni Fotos: Axel J. Scherer

Als Fazit muss man wirklich sagen: Ein 3-Sterne-Angebot für die Abendgestaltung in Wuppertal. Wo jeder danach mit Glanz in den Augen erzählen kann. Wer hier nicht motiviert ist, wiederzukommen, dem ist nicht zu helfen. Und das Beste: Von diesen 3-Sterne-Schnupper-Abenden gibt es noch eine ganze Reihe in dieser Saison. Also: Anmelden! Und Hingehen! (Am Weitererzähler wird keiner vorbeikommen.)

 

 

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