Stuttgart, Staatsoper, DON GIOVANNI – Wolfgang Amadeus Mozart, IOCO

Nach zweijähriger Pause kehrt Andrea Moses’ legendärer Don Giovanni an die Staatsoper Stuttgart zurück – mit frischem Ensemble, psychologischer Schärfe, szenischer Vitalität und einem transparenten, elektrisierenden Mozart unter Cornelius Meister. Ein Abend voller Aktualität und Drive.

Stuttgart, Staatsoper, DON GIOVANNI – Wolfgang Amadeus Mozart, IOCO
Oper Stuttgart © Matthias Baus

von Peter Schlang

Seit ihrer Premiere am 25. Juli 2012 stand Mozarts Don Giovanni in der beispielhaften und tiefgründigen Inszenierung der damaligen Haus-Regisseurin Andrea Moses immer wieder auf dem Spielplan der Stuttgarter Staatsoper.

Nach zweijähriger Pause erlebte sie am 4. Dezember mit ihrer insgesamt 51. Vorstellung eine erneute Wiederaufnahme. Dieser unter der szenischen Leitung von Sophia Binder und Paul Janicke stehende Opernabend macht unmissverständlich klar, warum diese Produktion immer wieder zu Recht aus dem Depot geholt wird und welch thematische Aktualität, psychologische Genauigkeit und szenische Frische sie noch immer ausstrahlt.

Den Titel „Wiederaufnahme“ rechtfertigt dabei nicht nur die relativ lange Pause zwischen der letzten und der aktuellen Aufführungsserie, sondern auch die Neubesetzung von fünf der acht Solopartien, darunter die der Donna Anna mit der ausgezeichneten, sich bestens ins Kollektiv einfügenden Martina Russomanno als einzigem Gast. Alle weiteren Rollen sind mit festen Mitgliedern des Stuttgarter Opernensembles besetzt. Wie vor zwei Jahren sind erneut der in allen Belangen famose Michael Nagl als Leporello, die kongeniale und für ihre Rolle stimmlich wie äußerlich sich bestens empfehlende Diana Haller als Donna Elvira und der ebenso verlässliche wie solide Andrew Bogard als Masetto dabei.

Neu in dieses mitreißende Don-Giovanni-Ensemble gerückt sind Johannes Kammler als zwar etwas jugendliche, aber stimmlich wie spielerisch sehr präsente und überzeugende Titelfigur, Moritz Kallenberg als ungeduldig naiv-wartender Don Ottavio, Natasha Te Rupe-Wilson als zickig-verführungsbereite Zerlina und David Steffens als tiefgründig-drohende Geister-Leiche des Komturs. Sie alle verleihen ihren Rollen darstellerisch ein charakterlich-glaubhaftes und psychologisch-schlüssiges Profil und nehmen auch mit ihren stimmlichen Leistungen ausnahmslos für sich ein.

Natasha Te Rupe-Wilson (Zerlina), Johannes Kammler (Don Giovanni), Staatsopernchor Stuttgart © Martin Sigmund

Die von Andrea Moses mit großer Präzision beschriebenen Psychogramme von erdachten, erhofften, gewünschten, angebahnten und verweigerten Beziehungen fesseln auch an diesem Abend und in der aktuellen Konstellation. Einen großen Beitrag dazu leistet das noch immer frisch wirkende „Bühnenhotel“ Christian Wiehles, das mit seinen zwei Etagen mit ihren vielen Fenstern, Türen und Treppen nicht nur allerlei Parallelen und Assoziationen ermöglicht, sondern auch die den Drive und die Vitalität dieser Inszenierung befördernden Auf- und Abtrittsflächen liefert. Sehr aktuell und dramaturgisch passend sind nach wie vor auch die ebenfalls von Christian Wiehle entworfenen, zeit-aktuellen Kostüme.

Johannes Kammler (Don Giovanni), Staatsopernchor Stuttgart © Martin Sigmund

Die für die angedeutete musikalische Qualität unbedingt nötigen Grundlagen sowie instrumentale Begleitung und Unterstützung liefert Cornelius Meister am Pult des im leicht empor gefahrenen Orchestergraben sitzenden, glänzend aufgelegten Staatsorchesters. Von der dunkel getönten Ouvertüre über die mit viel Glanz und Schmelz begleiteten und ausgestalteten Solo-, Duett- und Trio-Passagen bis zu den größer besetzten, kunstvoll-polyfonen Teilen und (auch chorischen) Tutti-Szenen: Der nach dieser Saison leider als GMD scheidende Dirigent und seine Musikerinnen und Musiker liefern einen sehr feinen, transparenten und ausgewogenen Mozartklang. Meister lässt „sein“ Orchester nicht nur „meisterhaft“ phrasieren und spür- und hörbar atmen, sondern versetzt es, wo erforderlich und passend, auch mächtig in Wallung und unter Strom. So ermöglicht er eine dem Geschehen auf der Bühne adäquate instrumentale Partnerschaft.

Mozart-Liebhaber, was fehlt Euch da noch zur Seligkeit?

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