Rostock, Volkstheater, Die Csárdásfürstin von Emmerich Kálmán, IOCO Kritik, 20.12.2107

Rostock, Volkstheater, Die Csárdásfürstin von Emmerich Kálmán, IOCO Kritik, 20.12.2107
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Volkstheater Rostock

Volkstheater Rostock © Dorit Gaetjen
Volkstheater Rostock © Dorit Gaetjen

Die Csárdásfürstin von Emmerich Kálmán

„Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht …“

Von Thomas Kunzmann

… „Das ist die Liebe, die dumme Liebe“, „Machen wir’s den Schwalben nach“ – die Evergreens aus Emmerich Kálmáns erfolgreichster Operette  tönten 2017 in mehr als 10 deutschen Städten. Mehrmals wurde das Werk verfilmt, unter anderem mit Marika Rökk und Johannes Heesters, aber auch mit Anna Moffo und René Kollo. Jetzt kam die Neustrelitzer Inszenierung von Stephan Brauer aufgefrischt und neu besetzt nach Rostock ans Volkstheater. Lediglich den Diener Miksa (Christoph Deuter) brachte Brauer mit.

Dass in Rostock eher große Titel Publikumsmagneten sind, ist nicht neu. Nicht nur die Premiere und die ersten beiden Vorstellungen sind so gut wie ausverkauft, auch die anderen der insgesamt acht angesetzten Termine sind schon ungewöhnlich gut gebucht, noch ehe das erste Bild oder gar eine Kritik zu lesen war. Amüsement? Läuft!

Volkstheater Rostock / Die Csárdásfürstin - hier Claudia Sorokina als Sylva Varesku und Roman Martin als Graf Boni Káncsiánu © Thomas Hätzschel
Volkstheater Rostock / Die Csárdásfürstin - hier Claudia Sorokina als Sylva Varesku und Roman Martin als Graf Boni Káncsiánu © Thomas Hätzschel

Der Adelige Edwin will die Sensation des Varietés, die „Csárdásfürstin“ Sylva Varescu heiraten, was seine Eltern unbedingt zu verhindern gedenken. Schließlich wäre er bereits mit Comtesse Stasi verlobt.

Angestaubte Operette für ein überaltertes Publikum? Mitnichten! Brauer verpasst dem Stück eine wohltuende Frischzellenkur, indem er den Kitsch mit Bravour umschifft und durch feinsinnigen bis deftigen Humor ersetzt. Die Handlung, verlegt ins Savoy der 30er Jahre, baut dennoch auf den Wiener Charme, gespickt mit etwas Lokalkolorit, wenn Silva Varescu den Zug nach Triest besteigen will, um von dort mit AIDA nach Amerika zu reisen. Schon das übergroße Portrait der Hauptdarstellerin ziert ein knallroter Kussmund, der an das Logo der Rostocker Reederei erinnert. Oder der Zigeuner-Primas, der passend mit einem aus Bukarest stammenden Geiger der Norddeutschen Philharmonie besetzt wird. Die charmant-witzigen Dialoge verdichtet Brauer zu slapstickartiger Komik, bei der der die Handlung vorantreibende Graf einen exzellenten Michael „Boni“ Herbig abgibt. Gummibärchen inklusive.

Claudia Sorokina besticht bei ihrem Rostocker Debüt als Titelheldin mit glockenhellem Sopran und souveräner Sicherheit in den Höhen, wobei ihr die intimen Szenen mehr zu liegen scheinen denn die feurigen Auftritte. In den Duetten passt sich James J. Kee als Edwin ihr angenehm an, lediglich in seinen Soloarien schmettert er wie gewohnt – zur allgemeinen Freude des Publikums.

Schon mehr als 20 Jahre singt Roman Martin den Grafen Boni und glänzt als routinierter Entertainer. Wie er tanzt, steppt und schauspielert, wie er das gesamte Ensemble mit seiner Spielfreude mitreißt, das ist den Besuchern regelmäßig einen Extra-Applaus wert. Ebenbürtig agiert die mannstolle Komtesse Stasi (Katharina Kühn), die den Ränkespielen nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch ordentlich etwas entgegenzusetzen hat. Grzegorz Sobczak als Feri von Kerekes kann nach Peter Mihailow (Zar und Zimmermann) und Dandini (Aschenputtel) sein komödiantisches Talent voll ausleben und überzeugt mit geradlinigem Bariton erneut das Rostocker Publikum. Präzision ebenso beim kleinen Opernchor (Einstudierung Frank Flade), die Einsätze kommen punktgenau, harmonisch und rhythmisch sauber.

Volkstheater Rostock / Die Csárdásfürstin - hier Roman Martin und das Ensemble © Thomas Hätzschel
Volkstheater Rostock / Die Csárdásfürstin - hier Roman Martin und das Ensemble © Thomas Hätzschel

Auch nach über 100 Jahren ist die Oberflächigkeit der Spaßgesellschaft am Rande des Abgrunds, die vorgetäuschte heile Glitzerwelt der Kunst und die voyeuristische Skandal-Gier der Öffentlichkeit ohne echte Anteilnahme  hochaktuell. Das Verhältnis zwischen den Reichen und Schönen zu den aufstrebenden Sternchen betrachtet man indes dieser Tage zusätzlich etwas argwöhnisch. Dagegen bleiben tiefe Gefühle naturgemäß eher auf der Strecke. Die Bühne von Manfred Breitenfellner ist von einem Schachbrettmuster geprägt und deutet sowohl das spielerische, als auch die strategische Ausgefeiltheit der Intrigen an. Und wenn man nichts hineininterpretieren möchte, dann lässt man sich einfach prächtig unterhalten: Kopf aus! Es lebe die Show!

Volker M. Plangg am Pult ist ausgewiesener Experte für die leichte Muse und führt die Norddeutschen Philharmonie exzellent durch die an Tempiwechseln reiche Partitur. Die stücktypische, fast übertriebene Dynamik kann schon mal dazu führen, dass der Taktstock in der ersten Reihe landet.

Für die nötige Spritzigkeit in den revueartigen Szenen sorgt die Tanzcompagnie. Einmal mehr sollte dem Rostocker Publikum klar geworden sein, welch Verlust mit deren Abwicklung Ende der Saison 2018/19 einherginge.

Die  Csárdásfürstin am Volkstheater Rostock - weitere Termine 03. Dezember 2017, 15:00 Uhr,  Donnerstag. 07. Dezember 2017, 15:00 Uhr,  Samstag, 16. Dezember 2017, 19:30 Uhr, Donnerstag, 23. Dezember 2017, 18:00 Uhr, Samstag, 25. Dezember 2017, 18:00 Uhr

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