Perpignan (Südfrankreich), Ausstellungsbesuch im Musée Hyacinthe Rigaud, IOCO
Gipfeltreffen der katalanischen Großkünstler
Das Musée Hyacinthe Rigaud in Perpignan stellt „Maillol – Picasso“ aus
Von Hanns Butterhof
PERPIGNAN. Bis zum 31.12.2025 präsentiert das Musée Hyacinthe Rigaud in Perpignan, der Hauptstadt der historischen südfranzösischen Grafschaft Roussillon und damit des französischen Teils von Katalonien, die Ausstellung „Maillol – Picasso. Défier l'ideal Classique“ (Dem klassischen Ideal trotzen). Der Pflege katalanischer Kunst verpflichtet, widmet das Museum seine Sonderausstellungen vorwiegend katalanischen Künstlern wie seinem Namensgeber Hyacinthe Rigaud (1659 - 1743), von dem das ikonische Bild Ludwigs XIV im Königsornat stammt, oder auch dem bedeutendsten katalanischen Bildhauer der neueren Zeit, Aristide Maillol (1861 – 1944). Sein Werk stellte es 2019 dem nicht weniger bedeutenden von Auguste Rodin (1840 - 1917) gegenüber. Den IOCO- Bericht darüber lesen Sie hier.
Anhand von 110 Werken, Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen und Grafiken von Aristide Maillol (1861 – 1944) und Pablo Picasso (1881 – 1973) geht das Museum jetzt den Gemeinsamkeiten der beiden katalanischen Großkünstler nach, deren Gegensätze eher ins Auge fallen.
Betritt man die Ausstellung im zweiten Stock des Museums, fesselt den Blick die gewaltige bleigraue Maillol - Skulptur „La montagne“ (Das Gebirge) aus dem Jahr 1937, das eine kräftige, sich aufrichtende Frauenfigur mit wehendem Haar darstellt. Sie mag für die Ausläufer der Pyrenäen stehen, die Banyuls-sur-Mer umschließen, die Geburtsstadt Maillols und sein ständiger zweiter Wohnsitz. Von dieser Skulptur wendet sich der Blick auf ein Gemälde Picassos von 1954, das „Portrait de Paule de Lazerme en costume catalan“, der Frau Lazerme in katalanischer Tracht, weißer Haube und weißem, die Schultern bedeckendem Tuch. Beide, Skulptur und Portrait, wollen als Einstimmung auf die Gemeinsamkeit der katalanischen Wurzeln Maillols und des in Barcelona aufgewachsenen Picasso gesehen sein.

Der nächste Raum enthält eine Überraschung. Neben Maillols wohl bekanntester Skulptur „La Méditerranée“ von 1905, eine der „la montagne“ im Aufbau ähnliche, aber versonnene Frauenfigur von ausgewogenem Klassizismus, steht Picassos großformatiges Ölgemälde „Femmes devant la mer“ von 1956. In dessen beiden kubistisch dekonstruierten und flächigen Frauenfiguren könnte man den Aufbau der „Méditerranée“ wiedererkennen; Picasso hatte sie tatsächlich bei seinen Aufenthalten in Perpignan zwischen 1953 und 1955 im gotischen Patio des Rathauses gesehen und, wie andere Skulpturen Maillols auch, für sich fotografieren lassen.
Von da ab verlieren sich aber die Ähnlichkeiten. Picassos antikisierende Bilder mit stämmigen Frauenkörpern wie die „Femmes à la fontaine“ von 1921 ähneln denen Maillols noch bedingt. Die prägen im weiteren Verlauf an kleineren Skulpturen das Muster einer sitzenden unbekleideten jungen Frau in nachdenklicher Pose aus, die eine Hand abgestützt, die andere nachdenklich oder abwehrend über den Kopf erhoben, gerne auch Akte stehender junger Frauen mit runden Brüsten. Denen steht an ansprechenden körperlichen Besonderheiten völlig desinteressiert von Picasso eine graue flächige „Petite femme aux bras écartés“ von 1961 entgegen. Sie gleicht eher einer Mirage, der mit feinem Strich ein Gesicht aufgemalt ist, als einer kleinen Frau.

In einem Raum, der Ambroise Vollard (1866 – 1939) gewidmet ist, dem Kunsthändler und verdienstvollen Verleger und Herausgeber von Malerbüchern - ein mit Maillol geplantes kam wegen Vollards Tod nicht mehr zustande - wird der Gegensatz von Maillol und Picasso greifbar. Während Gravuren Picassos das Verhältnis von Maler und weiblichem Modell erotisch bis chaotisch sexuell darstellen, erfassen Maillols Holzschnitte nur meist weibliche unbekleidete Figuren, die nichts erzählen, und bei denen eine kleine anbrandende Woge das Maximum an Bewegung darstellt wie in „La vague“ von 1898. Ebenso ist es mit Picassos „L'entreinte“ - Radierungen aus der Vollard-Suite, neben deren gewalttätigen Umarmungen Maillols harmlose Frauenakte verblassen. Mit wildbewegter Miene erzählt Picassos „Tête de femme“ von 1969 von bewegenden inneren Vorgängen, während daneben an Maillols „Diana à la robe rouge“ von 1940 nur das rote Kleid aufregendere innere Vorgänge erahnen lässt. Zunehmend erscheinen auch die Frauen - Gemälde Maillols wie „La vague“ von 1894 oder die „Femme au toilette“ von 1930 schematisch, formelhaft, weichgespült und durchaus tauglich für ein großbürgerliches Herrenzimmer. Was an konflikthaft Gegensätzlichem, Unanständigem in einem Leben vorkommt, scheint Maillol in klassizistische Ruhe gebändigt zu haben. In einem Saal mit Großplastiken Maillols wie „La Nuit“ von 1909 und „L'Action enchainée“ von 1907 drückt das fast quadratische Blei-Hochrelief „Le Désire“, Das Begehren von 1907, seine Haltung deutlich aus: Formal wird die wilde Begierde, mit der ein junger, unbekleideter Mann nach einer nackten Frau greift, in ein quadratisches Ordnungsschema gebracht und entschärft.
Das gemeinsam Katalanische von Aristide Maillol und Pablo Picasso wird von der Ausstellung kaum bekräftigt. Das zeigt sich deutlich am Ende des Rundgangs, an den sich Maillols „L'Air“ (Die Luft) von 1938 und Picassos „Nou couché (Nackte Schlafende) von 1922. Beide verbindet zwar deutlich der Mensch als Thema. Aber während Picasso die Form bis zur Deformation, zum Chaotischen und zur Abstraktion aufweicht, bleibt es bei „L'Air“ trotz einer für Maillol untypischen Streckung und ihrem prekären Gleichgewicht doch bei der ewig weiblichen, attributslosen Figur. Beide befragen das Menschsein, Picasso experimentell vielfältig in seiner Verletzbarkeit und Chaotik, Maillol in seiner zur edlen Einfalt gebändigten stillen Größe; das Katalanische ist sein Kostüm.

Das spannende, sehenswerte Katalanische Gipfeltreffen von Aristide Maillol und Pablo Picasso im Musée Hyacinthe Rigaud in Perpignan dauert bis 31.12.2025.
Adresse: 21 rue Mailly, F 66000 Perpignan, ( +33(0)468 661 983
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11.00 bis 17.30 Uhr
Eintritt: 11,00 €, reduziert: 9,00 €
Kontakt: contact@musee-rigaud.fr