Münster, Theater Münster, Am Anfang war die Waffe – Amir Gudarzi, IOCO Kritik, 06.09.2009

Münster, Theater Münster, Am Anfang war die Waffe – Amir Gudarzi, IOCO Kritik, 06.09.2009
Theater Münster / Am Anfang war die Waffe- hier Ensemble vl Samia Dauenhauer, Ansgar Sauren,  Alaaeldin Dyab, Nadine Quittner, Ilja Harjes © Sandra Then
Theater Münster © Rüdiger Wölk
Theater Münster © Rüdiger Wölk

Theater Münster

Am Anfang war die Waffe – Amir Gudarzi

– Eine zu einfache Lösung für ein  gewaltiges Problem – Gudarzi greift zu kurz –

Von Hanns Butterhof

Die deutsche Erstaufführung von Amir Gudarzis Theaterstück Am Anfang war die Waffe beginnt im Kleinen Haus des Theater Münster als lustige Geburtstagsfeier des österreichischen Waffenproduzenten Gaston Glock. An einem kleinen Tisch mit Champagner, Luftballons und rosa Geburtstagstorte haben sich neben dem 90-jährigen Jubilar (Ilja Harjes) und seiner jungen Frau Kathrin (Nadine Quittner) als Promi-Gäste das Model Naomi Campbell (Samia Dauenhauer), die Schauspielerin Joan Collins (Alaaeldin Dyab) und ihr Kollege John Travolta (Ansgar Sauren) eingefunden. Man scherzt unter dem Motto „In God We Trust“, und spielt mit einem goldenen Exemplar der Glock 17- Pistole, dem Erfolgsprodukt Glocks, das wie ein hoher staatlicher Orden auf einem Samtkissen mit Goldfransen in der Bühnenmitte prunkte.

 Theater Münster / Am Anfang war die Waffe- hier Ensemble vl Samia Dauenhauer, Ansgar Sauren,  Alaaeldin Dyab, Nadine Quittner, Ilja Harjes © Sandra Then
Theater Münster / Am Anfang war die Waffe- hier Ensemble vl Samia Dauenhauer, Ansgar Sauren, Alaaeldin Dyab, Nadine Quittner, Ilja Harjes © Sandra Then

Mit dem von Glock angeregten Spiel, mit verteilten Rollen für oder gegen Waffen zu argumentieren, verliert die Personenkonstellation ihre Bedeutung, die Waffe an sich und die Glock im Besonderen tritt als Akteur ins Zentrum des Stücks. Das ist bedauerlich, war die Zusammensetzung um den alten Jubilar mit Kathrin im Domina-Outfit (Kostüme: Shayenne Di Martino), der sexy Campbell, der aufgetakelten Collins und dem Strahlemann Travolta vielversprechend. Stattdessen springt das Stück locker von einem Einsatzort von Waffen aller Art zum nächsten, informiert dabei detailliert über die Wirkungsweise bestimmter Geschosse, die Psyche von Schießenden oder die Geschichte der Waffenfirma Mauser, ohne dass sich die Bruchstücke zu einem Ganzen formen. Als Mitmach-Angebot an das Publikum darf geraten werden, welche finsteren Mächte Waffen  einsetzen, wahlweise die USA, Nazis, Taliban oder Rassisten, und leicht wären noch weitere Beispielen zu googlen weit über die eineinhalb Stunden hinaus, die das Stück dauert, ohne zu einem klaren Ziel zu führen.

Theater Münster / Am Anfang war die Waffe- hier Ensemble © Sandra Then
Theater Münster / Am Anfang war die Waffe- hier Ensemble © Sandra Then

Der Regie von Ruth Mensah gelingen auf der leeren, schräg abfallenden Bühne von Yuni Hwang einige berührende und verstörende Szenen, die die Trigger-Warnung im Programmheft durchaus rechtfertigen, so die Folterszene in einem syrischen Gefängnis oder Gewalt gegen Flüchtlinge an der Grenze zu Europa, wobei schon ärgerlich ist, wie leichthändig die Zustände in syrischen Gefängnissen mit denen in Ländern wie Österreich oder Deutschland gleichgesetzt werden. Ein Großteil des Bühnengeschehens hat kaum Beziehung zum Text, so sehr die Akteure  auf der schiefen Bühnenebene sich quälen oder unterhaltsam mit hohem gymnastischen Aufwand herunterrutschen. Sie transportieren meist nur wortreiche Aussagen, ohne sie erspielend zu bestätigen, und da jeder jede Rolle und noch andere spielt, ist niemand mehr kenntlich und bleibt auf seine Funktion als Sprachrohr des Autors reduziert.

Das mit hohem moralischen Aufwand und emotionalem Überwältigungs-Potential aufgeladene Stück endet mit einer allgemeinen, an das Publikum zum  Mitfühlen gerichteten Bitte um Verzeihung dafür, dass wir uns nicht gegen Waffen und Gewalt zur Wehr gesetzt haben. Das aber ist eine unbefriedigende, zu einfache Lösung für das schwierige Gewaltproblem. Sind doch nicht die Waffen der Anfang, sondern der Mensch, für den sich das Stück an keiner Stelle interessiert.

Nach neunzig Minuten pausenlosen Spiels viel Beifall, nicht zuletzt von den anwesenden Kollegen, für alle an der Produktion Beteiligten und den anwesenden Autor.