Münster, Theater Münster, Alcina von G. F. Händel, IOCO Kritik, 14.3.2017

Münster, Theater Münster, Alcina von G. F. Händel, IOCO Kritik, 14.3.2017
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Theater Münster

Theater Münster © Rüdiger Wölk
Theater Münster © Rüdiger Wölk

"Lob der leichtherzigen Liebe"

Alcina: Händels Zauberoper rätselhaft und gefällig

VON HANNS BUTTERHOF

Theater Münster / Alcina - Henrike Jacob hat frühere Liebhaber in Tiere verwandelt © Oliver Berg
Theater Münster / Alcina - Henrike Jacob hat frühere Liebhaber in Tiere verwandelt © Oliver Berg

Nur gute zwei Stunden dauert Händels Zauberoper Alcina an Münsters Großem Haus. Ohne Chor, Ballett und Nebenfiguren wird der Blick frei auf das Beziehungsgefüge der handelnden Personen, die in Liebe, Lust und Eifersucht miteinander verstrickt sind.

Regisseur Sebastian Ritschel macht es dem Publikum nicht leicht, sich zurechtzufinden. Wichtige Informationen über die Ausgangslage fehlen, und auch die Absicht der Inszenierung bleibt undeutlich. So muss sich jeder das vor allem innere Geschehen aus den intensiv langen monologischen Arien zusammensetzen.

Alcina (Henrike Jacob) erscheint in ihren Arien nicht als kriminelle Erotomanin, obwohl sie einmal auf der Hinterbühne mit ihren verflossenen, wie in Trance agierenden Liebhabern im Bett zu sehen ist. Aber ihren Liebes- und Treueschwüren zu ihrem gegenwärtigen Lover Ruggiero (Lisa Wedekind) muss man nicht trauen. Erst als sie glühend vergeblich um ihn kämpft, wird ihre Liebe glaubhaft. Da verliert sie ihren Zauber und ist statt dämonisch böse nur mitleidserregend.

Theater Münster / Alcina - Henrike Jacob - Ihre Zauberkraft schmilzt © Oliver Berg
Theater Münster / Alcina - Henrike Jacob - Ihre Zauberkraft schmilzt © Oliver Berg

Ruggieros verblendete Liebe zu ihr trägt anfangs noch deutliche Züge der Selbstzufriedenheit. Er verlässt Alcina für seine Verlobte Bradamante (Charlotte Quadt), die ihn mit ihrem Begleiter Melisso (Filippo Bettoschi) im Namen von  Ehre, Pflicht und Mitleid aus Alcinas Reich heimholen möchte. Seine Zustimmung hört sich weniger nach erfüllter Liebe als nach Flucht vor der fordernd auflodernden Liebe Alcinas an.

Das einzige wirklich glückliche Paar der Oper sind Alcinas Schwester Morgana (Eva Bauchmüller) und Oronte (Youn-Seong Shim), der trotz ihrer blitzartigen Verliebtheit in den als Mann verkleideten Bradamante an seiner Liebe festhält. Ihr fesselndes Geheimnis ist, dass sie so spontan bleibt und nicht in einengender Konventionalität erstarrt.

So hat Morgana die am wenigsten dramatischen, aber weich fließenden Arien, die Eva Bauchmüller mit nahezu flowerpowerlich gelöstem Sopran singt. Als ob Händel der leichtherzigen Liebe huldigen und die Angst der Männer vor tiefer fraulicher Liebe offenlegen wollte.

Theater Münster / Alcina - Morgana und Oronte © Oliver Berg
Theater Münster / Alcina - Morgana und Oronte © Oliver Berg

Wieso sich diese Variationen von Liebe in einem frostig schönen Palast mit Wänden aus Eis (Bühne: Markus Meyer) abspielen, bleibt wie manches andere rätselhaft. Aber es schmilzt zauberhaft schön, als Alcinas Liebe dramatisch aufglüht und ihr Reich vergeht.

Das Sinfonieorchester unter Attilio Cremonesi spielt eher verhalten wie zu einem Konzert bei Hofe. Es begleitet und trägt die Sängerinnen und Sänger mehr, als dass es deren Gefühlslagen noch einmal kräftig ausmalt. Vor allem Henrike Jacob erhält für ihre etwas kühl angelegte Alcina viel Beifall, gleich gefolgt von Eva Bauchmüller und Charlotte Quadt, deren Mezzo etwas schwach für einen überzeugenden Bradamante ist. Applaus auch für Youn-Seong Shim, der mit warmem Tenor seine Koloraturen ebenso meistert wie der Bariton Filippo Bettosci seine einzige Arie als mahnender Melisso.

Alcina im Theater Münster: Weitere Vorstellungen 31.3. und 12.4.2017 jeweils 19.30 Uhr, 9.4.2017 15.00 und 23.4.2017 19.00 Uhr.

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