Mödling - Wien, Thonetschlössl, Robert Schumann - Liederabend, IOCO Kritik, 09.10.2019
Robert Schumann - Liederabend im Thonetschlössl
von Marcus Haimerl
Die gebürtige Berlinerin und nun in Wien lebende Sopranistin Anja Markwart-Reichart, Gründerin des seit Mai 2018 bestehenden „Vereins zur Förderung von Musik und darstellender Kunst, Fair(e)Art“, lud im Herbst 2019 bereits zum dritten Male zu einem „Salonkonzert“ im Mödlinger Thonetschlössl, das seinen Namen dem bekannten Wiener Jugendstilmöbelhersteller verdankt.
Wechselvoll ist auch die Geschichte des Thonetschlössls, welches heute auch das Museum Mödling beherbergt. Das 1785 unter Joseph II. säkularisierte Kapuzinerkloster wurde zur Erzeugung von Seide und Tüchern genutzt, diente als chemische Bleicherei, ab 1821 als Theater, um schließlich wieder Seidenfabrik zu werden. 1845 fand der Umbau zum Schlösschen statt. 1931 wurde das Anwesen von der Sparkasse der Stadt Mödling erworben und darin das Bezirksmuseum untergebracht. Während des Krieges diente es verschiedenen Wehrmachtsdienststellen, danach als Polizeikommissariat, ehe es ab 1965 wieder als Bezirksmuseum und als Stätte künstlerischen Schaffens genutzt wird.
Dem 100-köpfigen Publikum boten die Veranstalterin des Salonkonzertes und der von ihr eingeladene Gast, der Wiener Bariton Thomas Weinhappel, umsichtig begleitet von Pantelis Polychronidis am Klavier und klug wie einfühlsam moderiert von Renate Publig, im ausverkauften Saal die unvergänglichen Liederzyklen Dichterliebe, op. 48, und Frauenliebe und –leben, op. 42 von Robert Schumann.
Den ersten Teil, mit den 1840 entstandenen 16 Liedern, die auf Gedichte aus Heinrich Heines Lyrischem Intermezzo (einer Sammlung von 65 Gedichten) zurückgehen, bestritt Thomas Weinhappel mit seinem wohltönenden Bariton.
Man könnte vermuten, dass die 1840 entstandenen Lieder von Schumanns „Dichterliebe“, Ausdruck der Freude sind, konnte er in diesem Jahre endlich seine Clara heiraten. Doch weit gefehlt, sind diese doch zu einem großen Teil von tiefer Traurigkeit, bitterer Ironie, nostalgischer Sehnsucht und einem Gefühl der Angst geprägt.
Das aber verrät der Bariton anfangs mit „Im wunderschönen Monat Mai“ und „Aus meinen Tränen sprießen“ noch mit keinem Wort. Im Gegenteil: Behutsam, ja fast scheu und zurückhaltend gesteht er seine Liebe. Erst im dritten Lied „Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne“ lässt er die begeisterte Zuneigung zu seiner „Kleinen, Feinen, Reinen“ und „Einen“ aufblitzen.
Mit dem vierten Titel „Wenn ich in deine Augen seh’“ offenbart er den sensiblen, rührseligen Charakter des Liebenden mit kraftvollem Timbre und größter Textverständlichkeit, die er über den gesamten Zyklus beibehält.
Weder hier noch im folgenden Lied „Ich will meine Seele tauchen“ lässt er sich zum von anderen des Öfteren begangenen Fehler verleiten, pathetisch zu werden. Immer bleibt er ehrlich, immer ist er – wie auch in seinen Opernrollen – seinem Motto „aus Rollen Menschen machen“ getreu, darum bemüht, echte Emotionen zu zeigen.
Selbst dann, wenn er die große Strahlkraft seines gezielt eingesetzten heldenhaften Baritons wie in „Im Rhein, im heiligen Strome“, „Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht“ und „Und wüssten’s die Blumen, die kleinen“ erkennen lässt, bewahrt er eine ganz besonders ergreifende Intimität.
Außergewöhnlich und bemerkenswert gelingt ihm – ganz ohne jede Larmoyanz – „Ich hab’ im Traum geweinet“ mit stimmlich vielschichtigen diskreten und doch wohltuend satten Farben.
Als er schließlich den Zyklus mit „Die alten, bösen Lieder“ mit schlichtem Ernst und großer Würde beendet, bleibt ein davon sichtlich berührtes Publikum zurück, das für den Moment sogar darauf vergisst, dem Interpreten Applaus zu spenden. Sekunden später kommt der dafür verdienterweise umso stürmischer.
Nach der Pause eröffnet die Gastgeberin mit Schumanns nicht minder schönem Zyklus „Frauenliebe und -leben“ den zweiten Teil des Konzertes. Sensibel, zart, fast zerbrechlich vermittelt sie die musikalische Seelenschau über das Leben einer Frau von der ersten Liebe bis zum Tod des Ehemanns.
Der 1840 von Robert Schumann komponierte Liederzyklus stützt sich auf acht der neun 1830 geschaffenen Gedichte von Adelbert von Chamisso. Für vier der acht Lieder verlangt Schumann von seiner Interpretin, dass sie diese mit „innigem“ Ausdruck gestalte, was Markwart adäquat umsetzt. Dass die Sopranisten den gesamten Zyklus mit nahezu schwereloser Stimme gestaltet, legt die Vermutung nahe, dass sie ein Frauenbild zeichnen will, das den moralischen Normen des 19. Jahrhunderts entspricht: Das Bild der treuen Ehefrau, die den Sinn ihres Lebens nicht als selbstbewusste Frau, sondern eigentlich nur als Reaktion auf den Geliebten begreift. Anja Markwart gelingt es, mit reduzierter Kraft ihrer Stimme Ausdruck zu verleihen. Pantelis Polychronidis am Klavier stellt sich mit meisterhafter Antizipation auf die beiden Künstler ein und musiziert auf differenzierte, empfindsame und ausdrucksstarke Weise, womit er das Publikum begeistert. Der aus Griechenland stammende, in den USA und Österreich ausgebildete Korrepetitor, der seit 2014 an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst unterrichtet, begleitete bisher nicht nur die Gesangsklasse von Shirley Verrett und zahlreiche Meisterkurse, sondern ist auch bei zahlreichen internationalen Wettbewerben gefragter Pianist.
Zum Abschluss des zweiten Teils erklangen drei zweistimmige Lieder, op. 43 („Wenn ich ein Vöglein wär“, „Herbstlied“ und „Schöne Blümelein“), bei denen man die beiden Künstler gemeinsam erleben konnte.
„Gesang und Musik sind für mich der Schlüssel zur Emotion – Menschen berühren, sie zum Lachen oder Weinen bringen – dann habe ich meinen Auftrag erfüllt“, sagt Anja Markwart. Gemessen am Applaus zum Ende des Liederabends, haben die beiden Sänger den Auftrag zweifelsfrei erfüllt.
---| Liederabend |---
Kommentare ()