Kottingbrunn, Kulturszene, VIEL LÄRM UM NICHTS – William Shakespeare, IOCO

Glänzendes Shakespeare-Spiel in Kottingbrunn: Viel Lärm um nichts überzeugt mit starken Darstellungen – Andreas Steiner berührt als Claudio, Eva Weissenböck brilliert als Beatrice, Leopold Dallinger sorgt als Benedikt für Humor. Begeisterter Applaus für ein starkes Ensemble.

Kottingbrunn, Kulturszene, VIEL LÄRM UM NICHTS – William Shakespeare, IOCO
Kulturwerkstatt Außenansicht © Walter Filler

von Marcus Haimerl

Die Kulturszene Kottingbrunn hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem festen kulturellen Anziehungspunkt in Niederösterreich entwickelt. Seit ihrer Gründung 1997 im Wasserschloss Kottingbrunn steht sie für Vielfalt: Theater, Kabarett, Konzerte, Lesungen und Ausstellungen prägen das Programm. Besonders bemerkenswert ist die enge Verzahnung von Profis und ambitionierten Laien, die in Projekten wie der Amateurtheatergruppe AmaKult und im traditionsreichen September-Theater mit großer Spielfreude auf der Bühne stehen. Was als Initiative rund um die Jubiläumsfeierlichkeiten „1000 Jahre Österreich“ begann, ist heute eine Institution mit Strahlkraft über die Region hinaus. Mit der Kulturwerkstatt als zentraler Spielstätte bietet die Kulturszene ein Forum, das sowohl für professionelle Produktionen als auch für lokale Ensembles Raum schafft. Das Ergebnis ist eine lebendige Theaterlandschaft, die anspruchsvolle Kunst in die Mitte der Gemeinde holt – nahbar, vielfältig und publikumsfreundlich.

2025 steht mit William Shakespeares Viel Lärm um nichts eine seiner bekanntesten Komödien auf dem Spielplan der Kulturszene Kottingbrunn. Shakespeare wurde 1564 in Stratford-upon-Avon geboren und starb 1616 im Alter von 52 Jahren. Mit seinen über dreißig Dramen – von heiteren Komödien über historische Königsdramen bis zu tiefen Tragödien – sowie fünf epischen Versdichtungen und 154 Sonetten schuf er ein Werk, das ihn bis heute zum meistgespielten Bühnenautor der Welt macht. Seine Komödien mit pointierten Wortgefechten, seine Historien mit machtpolitischen Abgründen und seine Tragödien von existenzieller Tiefe haben das Bild des Menschen in der Kunst neu definiert. Zwischen 1590 und 1613 entstanden Dramen, die längst zu kulturellen Fixpunkten unserer Zivilisation geworden sind – von Romeo und Julia über Hamlet und König Lear bis zu Der Sturm. Auch Viel Lärm um nichts, erstmals um 1598/99 aufgeführt, gehört zu den Klassikern: ein fein ausbalanciertes Stück, das zwischen scharfzüngigen Wortgefechten, Intrigen und doppeltem Happy End changiert – heiter, geistreich und zugleich mit jenen ernsten Untertönen, die Shakespeares Komödien bis heute so zeitlos wirken lassen.

Viel Lärm um nichts 2025 - Ensemble © Gerhard Maly

Diese Balance aus Leichtigkeit und Tiefe prägt auch den Handlungsverlauf: Im sonnendurchfluteten Messina kehren die siegreichen Soldaten unter Führung Don Pedros von einem Feldzug zurück. Während sich der junge Claudio unsterblich in Hero, die Tochter des Hausherrn Leonato, verliebt, liefern sich Beatrice, Leonatos Nichte, und der Spötter Benedikt scharfzüngige Wortgefechte – beide fest entschlossen, niemals zu heiraten. Doch das Glück der Paare wird von Intrigen überschattet: Don Juan, der missgünstige Bruder Don Pedros, spinnt mit seinen Helfern Borachio und Conrad einen perfiden Plan. Durch eine fingierte Szene soll Claudio glauben, Hero sei untreu. Auf der Hochzeit verstößt er sie öffentlich, und Hero bricht zusammen. Erst als die Schurken entlarvt werden, wendet sich das Blatt. Hero wird rehabilitiert, Claudio bereut zutiefst, und am Ende finden beide Paare – Hero und Claudio wie auch Beatrice und Benedikt – in einem doppelten Happy End zusammen.

Für die Inszenierung zeichnet Anselm Lipgens verantwortlich, der Shakespeares Komödie stimmig in das Mafia-Milieu der 1950er-Jahre verlegt. Ein Kunstgriff, der dem Stück eine atmosphärische Eigenfarbe verleiht, ohne den Kern der Handlung zu verfälschen: Bösewicht bleibt einzig Don Juan mit seinen Spießgesellen, während die übrigen Figuren zwischen Eleganz, Heiterkeit und mediterranem Flair agieren. Lipgens beweist dabei nicht nur Gespür für klare Bilder und Tempo, sondern auch für eine präzise Personenführung. Dialoge und Auftritte sind sauber aufeinander abgestimmt, Gruppenszenen wirken lebendig und ausgewogen, und die Figurenkonstellationen bleiben stets nachvollziehbar. Das Bühnenbild von Martin Postl zeigt sich aufwendig und wirkungsvoll. Ein Renaissance-inspirierter Arkadenbau mit breiter Treppe und zentralem Brunnen bildet den Mittelpunkt der Szene. Der Brunnen ist tatsächlich mit Wasser gefüllt – eine funktionale wie symbolische Entscheidung. In der ersten Hälfte ein Sinnbild für Leben und Geselligkeit, verwandelt er sich im zweiten Teil, abgedeckt und mit Altaraufsatz versehen, in eine Hochzeitskapelle und Heros Grabmal. Damit gelingt eine eindrückliche szenische Metapher für Wandel und Vergänglichkeit. Die Kostüme von Katharina Kappert greifen das 50er-Jahre-Setting pointiert auf: elegante Anzüge, farbige Kummerbünde und Fliegen für die Herren, stilvolle Kleider für die Damen, ergänzt durch überzeichnete Uniformparodien bei den Wachen. So entsteht ein farbenfrohes und zugleich charakterisierendes Bild, das die Figurenkonstellationen klar voneinander absetzt und das Wechselspiel von Komik und Dramatik unterstreicht. Einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtwirkung liefert das Lichtdesign Bernhard Hitzenhammers, das die Szenen flexibel zwischen sommerlicher Heiterkeit und dramatischer Düsternis changieren lässt. Besonders in der Hochzeits- und Grabesszene trägt das Licht entscheidend zur emotionalen Intensität bei und verleiht den Momenten fast tragödienhafte Tiefe.

Artur Ortens (Don Leonato), Franz Schiefer (Don Pedro), Andreas Steiner (Claudio) © Gerhard Maly

Nach dem stimmigen Gesamtkonzept von Regie, Bühne und Ausstattung verdient das Ensemble besondere Aufmerksamkeit. Die Kombination aus professionellen Schauspieler:innen und engagierten Laiendarsteller:innen verleiht der Aufführung ihren eigenen Charme.

Eva Weissenböck glänzt als Beatrice mit scharfem Witz, klarer Sprache und einem sicheren Gespür für Shakespeares Sprachrhythmus. Sie bringt die berühmten Wortgefechte mit Benedikt zum Funkeln und überzeugt durch eine Ausstrahlung, die gleichermaßen selbstbewusst wie charmant wirkt. Ihre Gestik und Mimik sind pointiert, ohne übertrieben zu wirken, und verleihen der Figur eine beständige Lebendigkeit. Besonders eindrucksvoll ist, wie Weissenböck in den ernsteren Momenten ihre Beatrice vertieft: In der Solidarität mit Hero und im Übergang vom ironischen Spott zur echten Liebe zeigt sie eine Bandbreite, die berührt. Damit gehört ihre Darstellung zu den tragenden und besonders gelungenen Leistungen des Abends.

Leopold Dallinger gestaltet Benedikt mit charmanter Spielfreude und feinem komödiantischem Timing. Seine Schlagabtausche mit Beatrice sind lebendig, pointiert und stets auf den Punkt gesetzt – man spürt die Lust am Wort und die Freude am Spiel. Ein Höhepunkt des Abends ist sein Monolog im zweiten Akt: Anstatt sich hinter Hecken oder Mauern zu verbergen, landet er im tatsächlich mit Wasser gefüllten Brunnen. Völlig durchnässt spricht er die berühmten Zeilen mit ungebrochener Energie und Präzision – ein darstellerischer Höhepunkt, der Einsatz und Humor ideal verbindet. Dallinger überzeugt so gleichermaßen als spöttischer Junggeselle wie als Mann, der sich schließlich der Liebe beugt, und macht Benedikt zu einer Figur, die das Publikum mitreißt.

Eva Weissenböck (Beatrice), Leopold Dallinger (Benedikt) © Gerhard Maly

Andreas Steiner beeindruckt als Claudio mit einer Darstellung, die vom jugendlich Verliebten bis zum tief getroffenen Ankläger reicht. Er verkörpert den jungen Edelmann mit großer Natürlichkeit, lässt in Mimik und Stimme die ganze Bandbreite zwischen Unsicherheit, Leidenschaft und verletzter Ehre spürbar werden. Vor allem in den tragischen Passagen entfaltet Steiner eine berührende Intensität: Wenn Zweifel, Verzweiflung und Reue überhandnehmen, trägt er diese Emotionen so glaubwürdig auf die Bühne, dass das Publikum unmittelbar mitfühlt. Gerade darin liegt seine besondere Stärke – er gibt Claudio eine emotionale Tiefe, die weit über die reine Handlung hinausweist, und macht ihn zu einer der eindrucksvollsten Figuren des Abends.

Valerie Reisner verleiht Hero jene Mischung aus jugendlicher Anmut und stiller Verletzlichkeit, die diese Figur so berührend macht. Sie strahlt in den heiteren Momenten die Leichtigkeit erster Liebe aus und verkörpert die Tochter Leonatos mit einer feinen Zurückhaltung, die zur Rolle passt. Besonders stark wirkt sie in den tragischen Szenen, wenn Hero durch Don Juans Intrige zu Unrecht beschuldigt und von Claudio öffentlich verstoßen wird: Reisner zeigt hier tiefe Verzweiflung, ohne in Larmoyanz zu verfallen, und gibt ihrer Figur so eine stille Kraft. Gerade in diesen Momenten gelingt es ihr, das Publikum zu bewegen – Hero wird bei ihr zur Symbolfigur für Unschuld und Standhaftigkeit zugleich.

Andreas Steiner (Claudio), Valerie Reisner (Hero) © Gerhard Maly

Artur Ortens überzeugt als Don Leonato mit charismatischer Ausstrahlung und ruhiger Autorität. Er gibt dem Hausherrn von Messina Würde und zugleich eine wohltuende Menschlichkeit. Mit klarer Sprache, sicherer Präsenz und einem feinen Gespür für Zwischentöne prägt er die Szenen entscheidend mit. Ortens’ Darstellung wirkt souverän und trägt viel dazu bei, dass die Aufführung das Spannungsverhältnis zwischen Ernst und Heiterkeit überzeugend gestaltet – ein starker Beitrag zu diesem Abend.

Franz Schiefer überzeugt als Don Pedro mit souveräner Haltung und charmanter Autorität. Er gestaltet den Prinzen von Aragon als Integrationsfigur, die das Geschehen mit kluger Zurückhaltung und feiner Gestik lenkt. In seinen Szenen mit Claudio und Benedikt wirkt er väterlich-freundschaftlich, zugleich aber auch als treibende Kraft hinter den heiteren Liebesintrigen um Beatrice und Benedikt. Schiefer bringt Wärme, Ruhe und Verlässlichkeit in die Figur – eine Darstellung, die sich stimmig in das Gesamtbild fügt und das Ensemble spürbar trägt.

Heinz Scharb zeichnet Don Juan mit markanter Präsenz und spürbarer Lust an der Intrige. Schon in Haltung und Blick liegt eine latente Gefährlichkeit, die der Figur jene dunkle Schärfe verleiht, welche das Stück braucht. Elegant gekleidet und mit diabolischem Zug in der Körpersprache wirkt er wie ein Verführer, der seine Bosheit hinter kultivierten Gesten verbirgt. Scharb spielt den missgünstigen Bruder Don Pedros als Intriganten, der das Glück der Liebenden mit berechnender Bosheit zerstören will – kühl, kalkulierend und zugleich voller Energie. Humor beweist er schließlich im Finale, wenn er zur Strafe als eine der Bräute verkleidet auf die Bühne gebracht wird – eine ironische Pointe, die seine Darstellung abrundet und für befreiendes Gelächter sorgt.

Eine interessante und geglückte Entscheidung der Inszenierung ist es, aus Leonatos Bruder Antonio eine Schwester zu machen. Walburg Weissenböck verkörpert diese Antonia mit natürlicher Darstellungskraft und souveräner Gelassenheit. Sie bringt Wärme und Erfahrung in die Figur, die an Leonatos Seite als ruhende Kraft wirkt und die familiäre Ebene glaubwürdig ergänzt. Durch diese Umdeutung entsteht eine zusätzliche weibliche Perspektive, die das Geflecht der Beziehungen bereichert und der Aufführung einen subtil modernen Akzent gibt. Walburg Weissenböck überzeugt dabei durch ruhiges Spiel und klare Haltung – eine kleine, aber markante Rolle, die sie mit sichtbarer Autorität ausfüllt.

Valerie Reisner (Hero), Franz Zimmermann (Pater), Artur Ortens (Don Leonato), Andreas Steiner (Claudio), Franz Schiefer (Don Pedro) © Gerhard Maly

Für heitere Höhepunkte sorgt Nicole Gerfertz-Schiefer als Colonnello Holzapfel. Mit komödiantischem Gespür und präzisem Timing gestaltet sie die Szenen der Ordnungshüter, die in Kottingbrunn mit aufgeklebten Bärten, strengem Ton und herrlicher Überzeichnung auftreten. Gerfertz-Schiefer bringt ihre Figur mit pointierter Körpersprache und humorvoller Strenge auf die Bühne und sorgt dafür, dass jede ihrer Szenen beim Publikum Lacher auslöst. Sie ist eine jener Darstellerinnen, die das Gleichgewicht zwischen professionellem Anspruch und spielerischer Lust besonders eindrucksvoll verkörpern – und damit zu den Sympathieträgerinnen des Abends gehört.

Als Handlanger Don Juans treten Konstantin Weissenböck (Borachio) und Martin Hauer (Conrad) in Erscheinung. Beide geben ihren Figuren genau jene Verbindung aus Gefährlichkeit und tölpelhafter Überzeichnung, die das Intrigenspiel vorantreibt und zugleich für humorvolle Brechungen sorgt. Besonders in den Szenen, in denen ihre Machenschaften aufgedeckt werden, überzeugen sie durch komödiantisches Spiel und runden das Gegenspieler-Trio stimmig ab.

Andreas Steiner (Claudio) © Gerhard Maly

Auch die Nebenrollen sind lebendig besetzt. Martina Gutmann sorgt als überzeichneter Capitano Saumseel für komödiantische Farbtupfer, wenn sie mit strenger Miene und augenzwinkernder Parodie auftritt. Astrid Krizanic-Fallmann überzeugt gleich doppelt – als Ursula steht sie Hero und Beatrice in ernsten Momenten treu zur Seite, während sie als zweite Wache die komische Ebene verstärkt. Enisa Meindl gestaltet ebenfalls zwei Rollen: Als Margarete wirkt sie in die Intrige Don Juans verstrickt, während sie als erste Wache mit sichtbarem Vergnügen den derben Humor dieser Szenen trägt. Gemeinsam bringen die drei Darstellerinnen Leichtigkeit und Vielschichtigkeit in die Aufführung und runden das Ensemble überzeugend ab.

Franz Zimmermann verleiht dem Pater ruhige Würde und geistliche Gravitas. Inmitten von Intrige und Komödie ist er der moralische Fixpunkt, der mit klarer Haltung und besonnener Ausstrahlung die Balance des Stücks wahrt.

Die Aufführung von Viel Lärm um nichts in Kottingbrunn zeigt eindrucksvoll, wie lebendig Shakespeare auf einer Bühne wirken kann, die Profis und Laiendarsteller:innen miteinander vereint. Regisseur Anselm Lipgens findet das richtige Gleichgewicht zwischen Komik und Ernst, zwischen pointierten Wortgefechten und dramatischer Zuspitzung. Bühne, Kostüme und Licht fügen sich zu einem stimmigen Ganzen, das dem Stück eine klare Handschrift verleiht.

Das Ensemble überzeugt geschlossen, einzelne Darsteller:innen ragen mit bemerkenswerten Leistungen heraus – allen voran Andreas Steiner als Claudio, Artur Ortens als Don Leonato, Eva Weissenböck als Beatrice, Leopold Dallinger als Benedikt, Franz Schiefer als Don Pedro und Nicole Gerfertz-Schiefer als Colonello Holzapfel. Doch auch die übrigen Mitwirkenden tragen mit sichtbarer Spielfreude zum Gelingen des Abends bei.

So entsteht ein Theaterabend, der professionell gestaltet ist und gleichzeitig die besondere Atmosphäre der Kulturszene Kottingbrunn atmet: nahbar, lebendig und mitreißend. Das Publikum zeigt sich begeistert und bedankt sich mit lang anhaltendem Applaus – ein schöner Beweis dafür, dass Shakespeare auch im spätsommerlichen Niederösterreich nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt hat.

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