Sotiris Charalampous, Interview, IOCO

Sotiris Charalampous, Interview, IOCO
Sotiris Charalampous copyright Kristoffer Schetje

Mit Sonne in Herz und Stimme von Zypern nach Stralsund

 

 

IOCO: Sie sind auf Zypern geboren. Wie haben Sie Ihre Jugend erlebt und was hat sie beeinflusst zu Musik zu kommen?

Ich bin in Lanaka aufgewachsen. Meine Großeltern und meine Mutter haben sehr auf Bildung, also Sprachen wie Englisch und Französisch Wert gelegt. Leider kein Deutsch, aber das kam dann ja später. Auch Musik spielte eine große Rolle.

 

Ich erinnere mich, dass sie mir von einer Reise eine CD mit Orchestermusik aus Carmen mitgebracht haben. Die hat mich vollständig fasziniert. Mit etwa neun Jahren habe ich angefangen, Klavier zu spielen. Irgendwie habe ich immer gerne gesungen.

 

Die Klavierlehrerin merkte jedenfalls, dass ich gerne singe und empfahl Gesangsunterricht. So habe ich mit elf Jahren meinen ersten Gesangsunterricht bekommen. Mit meiner Mutter bin ich dann jeden Mittwoch in unsere Hauptstadt Nikosia zum Unterricht gefahren.

 

Mit der Oper ergab sich natürlich eine neue Welt. Für den griechischen Kulturraum ist Maria Callas ein Nationalidol und daher ein Zugang zur Oper. Von ihr alles gehört und auch eine große Bewunderung ihren regelmäßigen Partner Giuseppe di Stefano entwickelt.

 

Wir haben auch eine große Zahl an klassischen Komponisten. Die Melodie für die Olympische Hymne stammt beispielsweise vom griechischen Komponisten Spyros Samaras. Er hat sie 1896 für die Ersten Olympischen Spiele komponiert. Seine Opern „Flora mirabilis“ und „Medge“ sind Ende des vorletzten Jahrhunderts in Mailand und Rom aufgeführt worden. Er war mit Pavlos Carrer einer der ersten griechischen Komponisten, die vor zweihundert Jahren international berühmt geworden, aber heut außerhalb Griechenlands völlig vergessen sind.

 

In Lanaka haben wir kein Opernhaus. Über das Internet konnte ich mich aber in alles vertiefen. So habe ich mich immer für historische Aufnahmen interessiert und vieles gehört. Das ist aber auch gefährlich, weil man nicht mehr singen will, wenn man beispielsweise Franz Völker als Lohengrin hört. Ich habe dann aber viel recherchiert und geschaut, was Metropolitan Opera in New York oder an der Mailänder Scala gespielt wird und so haben sich ständig neue Türen geöffnet.

La traviata, Brandenburg Sotiris Charalampous, Natallia Baldus copyright Opernfotografie Detlef Kurth

 

Mein Großvater wollte, dass ich Arzt werde, ich hatte eine Zwischenphase mit Architektur und nach dem Abitur bin ich erst einmal zur Armee gegangen. Dort wurde mir klar, dass ich singen will. Ich habe mich dann während der Armeezeit bei der Hochschule Hans Eisler in Berlin angemeldet.

 

 

IOCO: Warum sind Sie nach Berlin gegangen und wie waren Ihre ersten Studienjahre?

Für mich stand fest, dass ein Studium in Griechenland keine Entwicklungsperspektiven bietet. Wir haben nur ein wichtiges Opernhaus in Athen, so dass ich zu Hause nicht probiert habe. Für Sänger ist Deutsch eine ganz wichtige Sprache, die ich neue lernen wollte. Für Berlin habe ich mich entschieden, weil ich eine Hochschule in einer Stadt mit einem reichen Musikleben wollte. So habe ich mir erhoff, dass ich viele neue Kontakte finde und sich daraus Chancen und Möglichkeiten ergeben. Hauptsache war aber auch, neue Erfahrungen zu sammeln.

 

Am Anfang war es nicht leicht. Ich war sehr unsicher und hatte den Eindruck nicht weiterzukommen. Mein Studium war anfangs von großer Unsicherheit geprägt. Ich hatte Stimmprobleme, habe falsch gesungen, war beim Singen unentspannt und hatte falsche Erwartungen, so dass ich einfach überfordert war.

 

Meine Professorin Anna Korondi hat aber mein Potential erkannt und mich optimal gefördert. Sie hat mir die Unsicherheit genommen, was für mich das Schlimmste war. Zudem hat sie mir geholfen, meine Stimme langsam zu finden. Sie hat mir eine für mich ideale Luftführung beigebracht und dadurch gelang es mir, durch dieses mehr Luft an die Töne besser zu bilden und so zu phrasieren, wie ich es mir vorstellte.

 

Das Tückische ist, dass alle an der Universität zu allem eine Meinung haben. Dadurch entstand eine Flutwelle an Informationen, die unglaublich verwirrten. Tausend Fragen rauschten mir zum Singen durch den Kopf. Die vielen Reflektion waren nicht gut, weil ich zwischen Wichtigem und Unwichtigem nicht unterscheiden konnte. Schlimm war auch die Corona-Zeit, weil die Unterrichtsvermittlung über Kamera viel schwerer ist und weniger bringt. Ich habe in der Zeit für mein Gefühl zu wenig gelernt. Beim Üben zu Hause war ich immer ein wenig gehemmt war. Dadurch hat sich dann auch der Masterabschluss ein wenig verzögert.

 

All das hat mir aber die Freiheit gegeben, Sachen für sich selbst festzulegen, Dinge zu bestimmen und herauszufinden, wie ich das Optimale aus mir herauszuholen. Diese ganzen Erfahrungen haben aber dazu geführt, dass ich heute einen viel klareren Kompass habe und die Dinge früh entscheiden kann und für mich eine Strategie für Rollenstudium und Auftritte festlege, die funktioniert.

Fledermaus, Brandenburg, , Yvonne Elisabeth Frey, Sotiris Charalampous copyright Opernfotografie Detlef Kurth

  

 

IOCO: Wie bereiten Sie sich auf neue Rollen vor?

Zunächst sehe ich mir die Noten an. Dann spiele ich meine Partie am Klavier und lerne die Rolle, bis sie zu siebzig Prozent sitzt. Diese gute Vorbereitung machen Proben und Rolleninterpretation viel einfacher. Wenn ich mich oft genug korrigiert habe, überlege ich mir, wo ich den Atem setze und alles Weitere. Natürlich kann auch in den Proben mit dem Regisseur oder Dirigenten alles anders kommen. Machen müssen wir es, wie es passt und allen gefällt.

 

Häufiges Wiederholen und fleißiges Einstudieren vor den Proben machen in jedem Fall entspannter. Ich fange ein halbes Jahr vorher mit der Partie an. Ich versuche jeden Tag 20 Takte aus einer Partie zu lernen und so baut sich die Partie Tag für Tag auf. Beim Auftritt ist die Souveränität entscheidend. Sie muss schon vor Probenbeginn da sein.

 

 

IOCO: Wenn man Sie auf der Bühne sieht, beeindruckt nicht nur die stimmliche Gestaltung, sondern auch Ihr intensives Spiel. Welche Bedeutung hat die Darstellung für Sie?

 

Der Schauspielunterricht an der Hochschule hat mir immer unglaublich Freude gemacht. Da habe ich mich mit Feuereifer reingeworfen. Für mich ist es wichtig, dass ich mich auf der Bühne voll ausleben und in der Rolle aufgehen kann. Dazu gehört sich in die Person vollständig hineinzuversetzen und sie zu leben. Die größte Herausforderung bisher war die "Madwoman" in Brittens "Curlew River" 2021. Das lag stimmlich exponiert und ich musste das erste Mal eine Frau spielen. Ich habe dann durch meine Augen meine Mutter gespielt. Sie hat ein Video davon gesehen und war sehr bewegt und begeistert. In der Produktion habe ich unglaublich von Matthias Schönfeldt profitiert, der mir vermittelte, dass ich jede Bewegung vor der Darstellung analysieren soll, damit man sicher ist, dass sie den jeweiligen Emotionen entspricht.

 

 

IOCO: Wie haben Sie Ihren Einstieg in den Beruf erlebt, wie hat sich Ihre Stimme seither entwickelt, welche Rollen haben Sie interpretiert und was kommt?

Noch während meiner Studienzeit habe ich 2018 den Offizier in Kreneks „Der Diktator“ an der Neuköllner Oper gesungen. Das lag damals außerhalb meiner Welt. Meine Professorin hatte mir dazu geraten. Ich war auch sehr fasziniert von Rolle und dem Stück. Es war meine erste zeitgenössische Oper. Als ich den Klavierauszug sah, habe ich mich natürlich gefragt, wo fange ich an. Ich habe dann an der Hochschule auch einen zusätzlichen Kurs in zeitgenössischer Musik gewählt. Dadurch habe ich viel Neues gelernt und mehr Stunden an dem Stück arbeiten können.

 

Erstaunlicherweise ist es mir mit dieser Partie gelungen, vielleicht auch durch die Neuartigkeit der Musik für mich und der textlichen und interpretatorischen Herausforderung, meiner Stimme einen runden warmen Klang zu geben. Insofern konnte ich zum Bachelor-Diplom meine Stimme bedeutend weiter entwickeln. So habe ich damals in mehreren Phasen das Grundgerüst für heute gefunden.

 

Nach Abschluss des Masterstudiums habe ich mich bei zahlreichen Opernstudios beworben aber nichts gehört. Mitgewirkt habe ich dann an einer Meistersinger Premiere in der Deutschen Oper Berlin. Dabei habe ich Klaus Florian Vogt mit einer unglaublichen Leistung und menschlich sehr positiv erlebt. Er sprach mit mir über meine Bemühungen und hat mir den Tipp gegeben, immer nachzufragen wenn man von den Opernhäusern nichts hört. Am Ende der Produktion konnte er sich daran immer noch erinnern und fragte, wie es gelaufen ist. Das fand ich toll, dass ein so großer Sänger Interesse am Nachwuchs hat und mich mit Tipps unterstützt hat.

 

Ein weiteres wichtiges Erlebnis war der Lohengrin in der Kinderfassung in der Staatsoper unter den Linden. Dazu kam ich völlig unverhofft. In meinem Postfach landete eine Mail der Staatsoper, sie suchten einen Lohengrin. Ich war nicht sicher, ob sie da bei mir richtig waren. Als ich dann weiterlas, sah ich, dass ein Last-Minute-Einspringer für die zweite Serie mit einem Kammerorchester für Aufführungen auf der Probenbühne gesucht wurde.  Das habe ich mir zugetraut und zugesagt. Natürlich habe auch diese gekürzte Fassung als große Herausforderung angesehen und ich hatte nur vier Wochen Zeit zum Lernen. Da konnte ich mir nicht viele Gedanken machen. Das wurden dann neun Vorstellungen innerhalb von zwei Wochen. Es war eine große Chance. hat unglaublichen Spaß gemacht und die Stimme hat gut mitgemacht. Dort werde ich auch 2026 als Offizier in Ariadne auf Naxos mitwirken.

 

Vor Lohengrin habe ich großen Respekt, ich werde die Rolle weiter ausloten und habe 2024 in einem Open-Air Konzert in Dresden mit Barbara Krieger einen Ausschnitt aus der Brautgemach Szene gesungen, was gut angekommen ist.

 

Ich kam dann in das Engagement nach Brandenburg, wo ich acht Rollen in drei Spielzeiten gesungen habe und sehr gut unterstützt und aufgebaut wurde. Meine erste Rolle war der Junker Spärlich in „Die Lustigen Weiber von Windsor“. Natürlich will jeder den Fenton singen, aber ich konnte viel lernen und im Ensemble ankommen. Als nächstes kam die Zauberflöte, in der ich den Monostatos singen sollte. Da habe ich dann schon gebeten, mir den Tamino zu geben. Späte kam Ba-Ta-Clan von Offenbach, Im weißen Rössl, Zauberflöte, Elektra, La traviata und Fledermaus. Das habe ich mir zugetraut und die Intendanz hat auch sofort positiv reagiert. Dafür bin ich Dr. Alexander Busse sehr dankbar. Ich habe mich immer fantastisch unterstützt gefühlt. Aegisth in Elektra war eine spannende Partie, weil mir wichtig war auf der Gesangslinie zu bleiben aber die gleichzeitige Dramatik der Rolle präsent und wortdeutlich zu interpretieren. Diese Rolle habe ich auch in einer CD Produktion beim Label Solo Musica eingesungen.

Elektra, Brandenburg, Sotiris Charalampous copyright Opernfotografie Detlef Kurth

Als zweite Strauss-Rolle habe ich den Narraboth studiert. Das ist eine wunderschöne Musik, wo auch das Legato unglaublich wichtig ist.

 

Meine vorletzte Rolle war im September der Alfredo in "La traviata". Die letzte Szene der Oper und die Cabaletta waren eine Herausforderung. Im November 2025 folgte in Berlin der Tenorpart im Verdi Requiem im Dom. Sylvester habe ich in Brandenburg als Eisenstein in der Fledermaus debütiert.

 

 

IOCO: Was sind Ihre Pläne?

Ich bin seit dieser Saison am Theater Vorpommern mit Spielstätten in Stralsund, Greifswald und Puttbus engagiert. Debutieren werde ich dort als Don Jose in Carmen, dann werde ich René im Grafen von Luxemburg und Martin von Dircksen in Glanerts Oceana singen. Das letztgenannte Stück ist 2019 an der Deutschen Oper Berlin aufgeführt worden und sehr faszinierend. Natürlich freue ich mich auf diese und alle weiteren neuen Herausforderungen.

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