Halfing, Immling-Festival, MANON LESCAUT – Giacomo Puccini, IOCO

Puccinis Manon Lescaut als bildstarker Jahreszeitenzyklus beim Opernfestival Immling. Regisseur Ludwig Baumann erzählt die tragische Geschichte um Liebe, Gier und gesellschaftlichen Druck in eindrucksvollen Bildern – atmosphärisch dicht, musikalisch überzeugend und berührend bis zum letzten Ton.

Halfing, Immling-Festival, MANON LESCAUT – Giacomo Puccini, IOCO
Festspielhaus Immling - Außenansicht © Sabine-Rogler

von Daniela Zimmermann

Ein Leben in vier Jahreszeiten, modern inszeniert und große Stimmen.

Opernfestival Immling. Inszenierung: Ludwig Baumann – Bühne:  Prof. Dr. Nikolaus Hipp – Musikalische Leitung: Cornelia von Kerssenbrock.

Mit Manon Lescaut wagte sich der junge Giacomo Puccini 1893 an ein Thema, das bereits von mehreren Komponisten, darunter auch Massenet, verarbeitet wurde. Die Uraufführung in Turin war ein durchschlagender Erfolg und der Startschuss für Puccinis Ruhm, als einer der bedeutendsten Opernkomponisten der italienischen Spätromantik. Schon früh bewies er in dieser, seiner dritten Oper sein unverkennbares Gespür für emotionale Tiefe, musikalischen Farbenreichtum und melodische Klänge.

Mit Giacomo Puccinis Manon Lescaut präsentiert das Festival Immling erneut eine mutige und zugleich tief berührende Opernproduktion. Ludwig Baumann inszenierte das Werk in einer modernen Ästhetik, ohne dessen dramatisches Geschehen und emotionale Tiefe zu schmälern. Im Gegenteil: Die zeitgenössische, atmosphärisch dichte Inszenierung erzählt Manons tragische Liebesgeschichte als bildstarken Zyklus der vier Jahreszeiten – kraftvoll, berührend und erschütternd – und verleiht dem Drama um ein junges Mädchen, das zwischen Liebessehnsucht, Luxusgier und gesellschaftlichem Druck zerrieben wird, neue Relevanz. Der Frühling: Manon, ein junges, selbstverliebtes Mädchen, inszeniert sich als Influencerin -schön, oberflächlich und noch ahnungslos. Zu viel für den besorgten Vater, sie soll ins Kloster, begleitet von ihrem älteren Bruder. Sie steht am Bahnhof von Paris, als sie dem Studenten Des Grieux begegnet. Die Liebe trifft beide unvorbereitet, doch sie ist echt. Auch der alte reiche Geronte hat ein Auge auf Manon geworfen, doch dem jungen Paar gelingt die Flucht.

Manon Lescaut – Maria Natale © Mariella_Weiss

Der Sommer: Manon lebt an der Seite Gerontes im Überfluss – Schmuck, Kleider, Schuhe, alles nur vom Feinsten, und trotzdem ist sie unruhig, rastlos und sehnt sich nach Des Grieux's Liebe. Ihr Bruder arrangiert ein Wiedersehen und eine gemeinsame Zukunft ist denkbar. Wieder wollen sie fliehen, doch Manons Gier, mitzunehmen was geht, wird ihr zum Verhängnis. Der Preis: Verrat und Verhaftung.

Der Herbst: Gefängnis, Schande, Isolation. Der Glanz ist Vergangenheit. Keine Liebe, keine Hoffnung, nur Schuld. Der Versuch, sich gegen das Urteil aufzubäumen, scheitert. Des Grieux kann sie nicht befreien, aber er bekommt vom Kapitän die Erlaubnis, sie nach Louisiana in eine Strafkolonie begleiten zu dürfen.

Der Winter: eine karge, seelenlose Wüstenlandschaft. In Amerika kann Des Grieux Manon befreien. Wieder sind sie auf der Flucht. Manon ist entkräftet und durstig, doch es gibt kein Wasser. Es bleibt die reine Hoffnungslosigkeit.  Der Tod kommt still, unspektakulär. Nur die Liebe zu Des Grieux ist intensiv und echt bis zum Schluss. Aber auch er kann sie nicht retten.

Manon Lescaut – Maria Natale, Des Grieux – Vasyl Solodkyy © Verena von Kerssenbrock

Die Bühne - konzipiert von Ludwig Baumann, gestaltet von Prof. Dr. Nikolaus Hipp - beeindruckt durch die modernen Raumideen. Im Zentrum steht ein detailreiches, in 3D konstruiertes Bahnhofsszenario. Der Zuschauer befindet sich mitten in der eindrucksvollen Bahnhofshalle des Bahnhofs von Paris, mit Rollkoffern, Leuchtreklame und angedeuteten Bahnsteig Elementen, ein Ort des Aufbruchs und der Bewegung. Im „Sommer“-Bild bei Geronte herrscht glänzende Leere, ein durchdesignter Wohlstandsraum ohne Seele. Luxus als Kälte. Im „Herbst“ Bild beeindruckt das große Flugzeug, das für die Abschiebung Manons bereitsteht – als überlebensgroßes Zeichen der staatlichen Macht und der Hoffnungslosigkeit. Diese Bildsprache wird zum erzählerischen Bestandteil. Das letzte Bühnenbild verkörpert nur das Nichts. Leer, kalt, ohne jede Symbolik von Erlösung. Auch Des Grieux’s Liebe wirkt machtlos gegen diese Trostlosigkeit. In der Titelpartie der Manon Maria Natale, mitgroßem stimmlichem Format und expressiver Bühnenpräsenz. Ihr Sopran verbindet Leuchtkraft mit Wärme und zusammen mit ihrer Spielkraft, ergibt das ein facettenreiches Porträt der tragischen Heldin. Vasyl Solodkyy gibt den Des Grieux, mit kraftvollem, lyrisch-dramatischem Tenor, glaubhaft in seiner Verzweiflung und Hingabe als leidenschaftlich Liebender. Die emotional aufgeladene Beziehung der beiden Sänger trägt den Abend. An ihrer Seite überzeugt Tiziano Bracci als Geronte, kühl, besitzergreifend, stimmlich souverän. Fernando Araujo als Manons Bruder verleiht seiner Rolle energische Präsenz. David Goldberg rundet als Edmondo das Ensemble mit lyrischem Feingefühl ab. Der Festivalchor Immling sowie der Extrachor begeistern nicht nur stimmlich mit ihrer fein abgestimmten, gemeinsamen Klangkultur, sondern auch darstellerisch. Sie sind Teil der Handlung, mitspielend, singend, kommentierend. Alles unter der souveränen Leitung von Cornelia von Kerssenbrock, die auch das Festivalorchester Immling leitet, das durch klangliche Ausgewogenheit und feines Gespür für Tempo und Spannung überzeugte. Es begleitet die Sänger aufmerksam und lässt Puccinis Musik kraftvoll, aber nie überladen erklingen. Immling bleibt ein besonderer Ort, an dem Musik, Landschaft und künstlerische Vision auf einzigartige Weise zusammenwirken. Ein Besuch lohnt sich – nicht nur wegen der eindrucksvollen Opernerlebnisse, sondern auch wegen der herzlichen Atmosphäre, der traumhaften Umgebung und, nicht zuletzt, dem liebevoll angerichteten Buffet im Festzelt mit seinen musikalischen Überraschungen.

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