KNITTERSCHLAG - Grandioses Romandebut - Hans Martin Koopmann
Hans Martin Koopmanns Debutroman KNITTERSCHLAG fesselt mit packender und sprachlich brillanter Erzählung über einen Helden mit mysteriösen Aufträgen im Zivil- und Soldatenleben
ISBN: 9783759834218. Erscheinungsdatum: 30. Juni 2024. Erhältlich über den Buchhandel und als E-Book. 308 Seiten kosten als Taschenbuch EUR 13,99
Unter dem Titel „Knitterschlag" hat Hans-Martin Koopmann seinen Debutroman vorgelegt.
Der „Knitterschlag" ist laut dem Ostfriesischen Wörterbuch von Stürenburg ein sehr naher, prasselnder Donnerschlag. Der Titel ist Vorbote des Handlungsverlaufes, in dem der Held Rechtsanwalt und Reserveoffizier Reindert Reemt Boersma mehrere Schicksalschläge erlebt, bei denen er seelisch zutiefst erschüttert wird und sich bewähren muss. Die Handlung beginnt 2003 in Hamburg und führt nach Ostfriesland und Hammelburg.
Koopmann hat mit dem Anwalt Boersma einen Helden geschaffen, der mit mäßigem Erfolg in einer Souterrainwohnung im Hamburg-Hamm, einem wenig prestigeträchtigen östlichen Stadtteil, als Rechtsanwalt praktiziert. Zu Beginn des Romans verliert er einen unbedeutenden Prozess um eine Kleinbildkamera bei dem ihm die internationale Großkanzlei Himmelreich & Young in Person des alerten gleichaltrigen Anwaltes Roman Seltzer gegenübertritt.
Kurz nach dieser Niederlage erhält er unerwartet ein mysteriöses Mandat. Die pflegebedürftige, offensichtlich im Sterben liegende Edda Frundsberg, Eigentümerin einer verwunschenen Villa in seiner Nachbarschaft, bittet ihn zu sich. Sie beauftragt ihn zu verhindern, dass Fremde nach ihrem Tod die Villa durchstöbern oder eventuell etwas stehlen. Entlohnt mit einer Goldmünze erscheint ihm dieser Auftrag zwar lukrativ, aber undurchsichtig, weil Frundsberg keine weiteren Weisungen erteilt. Aus Not und Neugier nimmt er den Auftrag auch mangels Alternativen an. Kurz danach treiben ihn Sehnsucht und Heimweh zurück zu seiner Familie nach Manslagt in Ostfriesland, wo seine Eltern, seine Schwester und seine Brüder Ewald und Harm wohnen.
Leseprobe:
„Voll Unbehagen erinnerte er sich der Touren seiner eigenen Jugend. Egal ob man fuhr oder nur mitfuhr, stets war man dazu verurteilt, bis in die frühen Morgenstunden hinein bei der Gruppe zu bleiben und von einer Diskothek zur nächsten zu ziehen. Es begann für gewöhnlich gegen zehn Uhr abends im Emder Madison, wo man einige Stunden blieb. Dann ging es weiter, meist nach Norddeich, zu Meta, wo zwar der Eintritt frei war, man aber von der resoluten Inhaberin, die mit einem Einkaufswagen – oder war es ein Kinderwagen? – ihren schummrigen Laden durchstreifte, entweder ein Getränk kaufte oder barsch aufgefordert wurde, wieder zu gehen.“
Ein gemeinsamer Ausflug wie zu Jugendzeiten mit seinem Bruder Harm und dessen Freundin Etta endet in einer Messerstecherei, bei der Boersma schwer verletzt wird.
Trotzt der Verletzung fährt er zurück in die Heimat, wird aber auf der Fahrt ohnmächtig und muss durch die Polizei in seinem Wagen notoperiert und im Krankenhaus wieder zusammengeflickt werden.
Dies führt nun wiederum zum Gegenbesuch seiner ostfriesischen Familie in Hamburg und zur Unterstützung Boersma bei dem Auftrag Frundsbergs durch seinen Bruder Harm. Den Auftrag Frundsbergs deutet er dahingehend, dass er Inventar des Hauses und Dokumente des vor langer Zeit verstorbenen Gatten der zu katalogisiert. Währenddessen stößt Harm in der Tiefgarage auf ein seltenes Mercedes Cabrio, dem er neues Leben einhaucht und es fahrtüchtig macht.
Leseprobe:
„Jetzt pass gut auf: Die Reifen sind mehr als dreißig Jahre alt. Die sehen zwar noch aus wie neu und haben auch noch richtig viel Profil, sind aber steinhart. Fahr also nicht zu schnell damit, auch wenn das Wetter gut ist. Bei Regen sind die Reifen kriminell. Überhaupt keine Bremswirkung und auch sonst eigentlich nicht zu beherrschen. Also bitte äußerste Vorsicht!“
Seine Mühen dankt die Mandantin Boersma nicht.
Leseprobe:
„Die Türe des Raums öffnete sich und sie kam auf ihn zu mit der Zielstrebigkeit einer Marionette, deren Schwerkraft durch unsichtbare Fäden aufgehoben war und die nichts aufhalten konnte. Frau Frundsberg ..., sagte Reindert mit mühsam unterdrücktem Entsetzen. Er erhob sich von seinem Platz und machte einen Schritt seitwärts, da war sie auch schon bei ihm und ergriff mit links sein rechtes Handgelenk.“
Ein sich entbrennender Kampf der beiden endet mit dem Tod von Edda Frundsberg.
Leseprobe:
„Abermals sah er den Kriminalhauptkommissar Strelitz wie einen Geist aus den Tiefen des Frundsberg‘schen Anwesens aufsteigen und sagen: Ah, Herr Börsma. So schnell sieht man sich manchmal wieder. Indes war keine Polizei vor Ort. Aus sicherer Entfernung beobachteten die Brüder das Haus und sahen, wie stämmige Männer im Schweiße ihres Angesichts Möbel und anderen Hausrat hinaustrugen und achtlos auf einen Container wuchteten, der im Vorgarten abgestellt worden war. Bist du wirklich sicher, dass du die alte Frundsberg umgebracht hast?, fragte Harm. Nein, sagte Reindert in Gedanken. Irgendwie nicht.“
Von dem Abend bei Frundsberg bleibt ein Bündel blutige Kleidung von Reindert übrig, die die Brüder in der ostfriesischen Heimat entsorgen wollen. Nach Boersmas Rückkehr nach Hamburg wird sein kleiner Bruder Harm, an dem er mit allen Phasen seines Herzens hängt Opfer eines tragischen Unfalls, was Reindert zutiefst verzweifeln lässt.
Dies, die mangelnde Auftragslage als Rechtsanwalt und sein Selbstbild, kein Champignon des Rechts zu sein, bringen ihn dazu, sich wieder zu einer Reserveübung bei der Armee als Fallschirmjäger zu melden. Nach monatelangen Warten wird er im Frühjahr des Folgejahres nach Hammelburg beordert, um seine Kenntnisse als Soldat aufzufrischen. Auf dem Weg dorthin trifft er im Zug seine Jugendliebe Sara, die inzwischen Juniorprofessorin für Theologie geworden ist. Ihr erzählt er auf der Zugfahrt was ihm mit Edda Frundsberg widerfahren ist. Davon fasziniert lädt sie ihn zu sich ein. Beglückt vom Wiedersehen analysieren beide seine Erlebnisse und verbringen eine leidenschaftliche Nacht. Am nächsten Tag tritt Boersma seine dreiwöchige Wehrübung an.
Hier wird ihm ein straffes Programm auferlegt, bei dem er sich körperlich und soldatisch bewähren muss, um seine Eignung zum Reserveoffizier zu belegen. Danach ist als Ausbilder und Betreuer für eine Informationswehrübung in einer VIP-Gruppe vorgesehen. Gleich zu Beginn wird ihm dergestalt die Pistole auf die Brust gesetzt, dass er nur weiter gefördert wird, wenn er sich bewährt oder sich andernfalls die Bundeswehr für ihn erledigt hat. Hier taucht er nun in eine alte Welt ein, die er glaubte hinter sich gelassen zu haben.
Leseprobe:
„Herr Fähnrich, Sie sind ein guter Soldat und Sie werden auch ein guter Offizier sein. Aber Ihre militärischen Formen haben schon ein wenig gelitten in den letzten zehn Jahren. Ich sage Ihnen das hier jetze in aller Kameradschaft. Gegenüber Martinek und aufwärts bitte keine derartigen Lässigkeiten. Also: Immer antworten, wenn Sie gefragt werden. Jawohl, Herr Oberfeldwebel, nein, Herr Oberfeldwebel, das genügt in den meisten Fällen. Wir Fallschirmjäger reden ja nicht so viel.“
„Es war Ihnen sicher klar, begann der Hauptmann, dass wir innerhalb von zwei Wochen keinen einsatzbereiten Frontsoldaten aus Ihnen machen konnten. Darum ging es auch gar nicht. In den letzten zwei Wochen ging es nicht darum, ob sie ein guter Frontsoldat sind, sondern darum, ob sie ein guter Soldat sind. Und das sind Sie: Wir haben Sie hart rangenommen, aber Sie haben nicht kleinbeigegeben, Sie haben sich nicht durch Rückschläge und Niederlagen entmutigen lassen. Sie haben alle Aufträge und Befehle nach besten Kräften ausgeführt und sind bei alledem immer freundlich und kameradschaftlich geblieben. Mehr kann ich von Ihnen nicht erwarten.“
Herausforderndes Training im Gelände und die Sehnsucht nach Sara prägen seine Tage bei der Armee. Herausgerissen wird er aus diesem Trott durch einen Vortrag zur Ethik und Werten in der Kriegsführung. Die Ausführungen zur Menschlichkeit im Töten, der Besuch eines nah gelegenen jüdischen Friedhofs und die Erinnerung an seinen ersten Besuch unter Führung eines Holocaust-Überlebenden stürzen ihn in tiefe Verzweiflung. Die Beziehung zu Sara endet nach einem erneuten Besuch abrupt und so kehrt Boersma nach der zweiten Woche in Hammelburg nach Hamburg zurück. Hier versinkt er einsam in Erinnerungen und nächtlichen Träumen. Aufgemuntert durch seinen Freund Peter am nächsten Tag fasst er am nächsten Morgen wieder Zuversicht und freut sich auf die Streitkräfte. Frohen Mutes beschließt er, statt mit der Bahn mit seinem Mercedes Cabriolet in seiner Uniform in den Süden zur Truppe zu fahren. Auf dem Weg dorthin trifft er an der Tankstelle wieder auf jenen Anwalt Seltzer, der ihm zu Beginn des Buches die Schlappe des verlorenen Prozesses eingebrockt hat. Beide erneuern ihre Begegnung nun auf Augenhöhe, weil Boersma Seltzers Respekt wegen seines Cabrios und Soldatentums gewinnt.
Seine Reise nach Hammelburg aber nimmt wenig infolge eines Unfalles später ein abruptes Ende.
Koopmanns Roman erzählt die Geschichte eines Einzelgängers, auf der Suche nach seinen Platz im Leben, nach Liebe, menschlicher Wärme, Erfüllung und, zumindest unbewusst, auch nach Erfolg und Anerkennung. Schon in den ersten Seiten beim Amtsgericht Pinneberg versteht er es, Ort und Akteuren durch seine farbenreichen Beschreibungen und eine packende Erzählweise zum unmittelbaren Leben zu erwecken und den Leser durch seinen Erzählstil für die Protagonisten zu gewinnen.
Obwohl Boersma seinen Rechtsanwaltsberuf ohne Begeisterung und sein Leben in der Souterrainwohnung verbringt, verfügt er über Neugier, Ehrgeiz und Tatkraft. Den nebulösen Auftrag Frundsbergs füllt er mit Sinn, indem eine Ordnung ihr Haus bringt. Tatkraft und Eigeninitiative lassen ihn als Sieger aus gewalttätigen Konflikten hervorgehen. Schüchternheit und Hemmungen dagegen in entscheidenden Augenblicken davor zurückschrecken, bei Frauen zu punkten. All dies lässt ihn als zutiefst sympathischen Helden des Alltags erscheinen. Jede seiner Begegnungen, ob mit Frundsberg, der Szene in der Dorfdiskothek, aber auch die Erlebnisse beim Heer sind in einer atmosphärischen Dichte dargestellt, dass man meint, das Buch laufe wie ein Film vor dem geistigen Auge ab.
Das Zusammenspiel der Erzählung von Gewalt, Eros, den Streitkräften, Mythischem, Mysteriösem und die philosophischen Gedanken ergeben einen dichtgewobenen Erzählteppich. Tiefgründig und packend kommt das Buch daher und stellt reale Begebenheiten und Mysteriöses mitreißend dar.
Ob die Villa von Frau Frundsberg, Boersmas erste Begegnung mit ihr, die Beziehung der Brüder und ihr schalkhafter Spaß miteinander, die seelischen Enttäuschungen aber auch die soldatischen Erlebnisse und die Höchstform, zu der Boersma dort aufläuft, sind in eine kompositorischen Dichte verfasst, dass das Buch einer sinfonischen Dichtung gleicht, die zuweilen an Richard Strauss Till Eulenspiegel und anderenorts an sein Heldenleben erinnern.
Der Leser hat mit dem Buch die Gelegenheit, in eine packende Erzählung einzutauchen und prägnante Eindrücke des Lebensabschnittes eines Anwalts vom Lande mit soldatischem Einschlag zu erfahren, der in Knitterschlägen reift und über sich hinauswächst und dadurch so ungemein menschlich wirkt. Lesern, denen die eine oder andere dieser Welten fremd ist, werden sie durch Koopmanns dichterischen Schreibfluss mit Wärme und Empathie nahegebracht. Nach der Lektüre legt man das Buch mit dem Bedauern zur Seite, dass es schon zu Ende ist.
Ein großer Debutroman von der ersten bis zur letzten Seite.
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