Essen, Aalto-Theater, RIGOLETTO - Giuseppe Verdi, IOCO
Ein Clown schwört Rache
Eine Evergreen-Oper
Was sehen wir heute im Essener Aalto-Theater? Eine der beliebtesten und am häufigsten aufgeführten Opern überhaupt. Eine Stütze jedes Opernhauses – immer erfolgreich, wie schon bei der Uraufführung. Eine Oper, die seit 170 Jahren ohne Unterbrechung gefeiert wird. Woran liegt es, dass diese Evergreen-Oper so überaus beliebt ist?

Diese Oper ist ein Parforceritt durch alles, was ein Opernherz sich wünschen könnte:
- Ein musikalischer Hit folgt dem anderen.
- Verdi sind in diesem Werk Ohrwürmer gelungen, die es in das kollektive Musikgedächtnis und sogar in die Pizza-Werbung geschafft haben.
- Man findet keinerlei Längen, vielmehr ist es eine kurze, fast über-intensive Oper, die in gut 2 Stunden „weggespielt“ wird. Man glaubt es fast, dass sich alles in den 2 Stunden abspielt, während man im Zuschauerraum sitzt.
- Es geht fast nur um starke Primärgefühle, die von den 3 Hauptpersonen höchst intensiv dargestellt und gesungen werden (genial komponiert ist dies zusätzlich auch noch).
- Jeder kennt solche Gefühle. Über eine wenig einleuchtende und sperrige Handlung muss hier keiner nachdenken.
- Man kann sich der Oper, getragen von der glutvollen Musik, ganz unkompliziert hingeben.

Und dann ist noch der Plot der Handlung, die jeder auch leicht nachvollziehen. Das sind die wesentlichen Zutaten zu diesem Erfolgshit:
- Eine übergroße, jedoch einengende Vaterliebe zur Tochter, die tödlich endet.
- Eine naive Heldin, die schnöde, aalglatte Verführungskunst für ihre große Liebe hält. Dies vor dem Vater verstecken muss und sich zum Schluss für die vermeintliche Liebe opfert.
- Ein selbstgefälliger Frauenheld, der nicht merkt, was er mit seinen Opfern tut, sondern nur seinem gewissenlosen Vergnügen folgt.
- Eine zügellos feiernde Hofgesellschaft, die vor keinem bizarren Amüsement zurückschreckt.
- Der Hofnarr, der selbst grausam verspottet wird und am Ende tödliche Rache plant.
- Und schließlich einen Ausflug in die Brache „Auftragsmord“, der höllisch schiefgeht.

Rigoletto ist im Kern eine traditionelle romantische Oper. Mit den Zutaten eines sehr „opernhaften“ Krimis. In der heutigen Zeit werden solche Opern meist nicht mehr einfach „brav“ romantisch gespielt. Fast immer sind die Regisseure der Ansicht, dass auf jeden Fall eine neue, am besten noch nie dagewesene Interpretation hermuss – sonst gilt es als altbacken.
Doch heute ist das anders. Offenbar war dem Regieteam um Kateryna Sokolova klar, dass die Oper überragend genug ist, dass man sie auch „einfach so“ spielen könnte, wie sie ist. Und die keine weiteren Zutaten mehr braucht: Keine Nackten, keine bemühte Emanzipationsgeschichte, keine innovative Umdeutung. Die einzige Zutat besteht darin, dass das Stück in einem Londoner Gentlemen-Club spielt. Das trägt das Stück gut durch die Handlung, lenkt nicht ab, verfremdet nicht unnötig. Das ganze Stück scheint ausschließlich im Inneren des Clubs zu spielen. Diese Enge im Club betont eine düstere Ausweglosigkeit, mit der am Ende schicksalhaft alles zusammenprallen muss. Das Ergebnis dieses Regieansatzes ist sehr erfreulich: Das funktioniert so bestens.

Entscheidend ist natürlich, wie sich das Trio der Hauptsänger schlägt:
- Natalia Labourdette ist heute in der Rolle der Gilda klar der Star des Abends. Es gelingt ihr, die Herzen im Publikum zutiefst zu erreichen – bis hin zu ihrem leisesten Pianissimo. Stimmlich und darstellerisch überragend nimmt sie alle auf ihre große Gefühlsreise, in ihre Liebe, zu Ihrer Verzweiflung, zu ihrer Entschlossenheit mit. Völlig zu Recht gab es beim Schlussapplaus auch lautstarkes Bravo.
- Claudio Otelli schenkt uns heute Abend einen glaubwürdigen Rigoletto mit großer Intensität. Diesmal kommt es als Butler im Club und nicht als buckliger Hofnarr daher. Er zeigt das Zerrissene, seine Vaterliebe, seinen dämonischen Zorn, seine Verzweiflung, sein sich Klammern-Wollen an die heile Welt, die dann doch keine ist.
- Ioan Hotea überzeugt in der Rolle des Herzogs vor allem stimmlich. Sein kraftvoll-strahlender, aber nicht heldischer Tenor hat in allen Lagen genug Wärme und Geschmeidigkeit, um den großen Herzensbecher darzustellen. Im Spiel bleibt er ein wohl wenig flach, was von Verdi ja auch so angelegt ist.
Almas Svilpa in der Rolle des Sparafucile, Liliana De Sousa als Maddalena und Baurzhan Anderzhanov als Monterone runden die sängerische Leistung des heutigen Abends gut ab.

Und wie immer steht am Ende das Urteil des Publikums. Es scheint heute zufrieden zu sein und wurde wohl vom Rausch der Handlung gut mitgerissen: Kräftiger Applaus, einige Bravos und tatsächlich keinerlei Buhrufe.
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