Düsseldorf, Rheinoper, DIE ZAUBERLÖTE - Wolfgang Amadeus Mozart, IOCO

Düsseldorf, Rheinoper, DIE ZAUBERLÖTE - Wolfgang Amadeus Mozart, IOCO
Die Rheinoper, Foto: Jens Wegener

Die Opernbühne als Comicbuch zum Durchblättern

Oder: Als die Opernkulissen laufen lernte

Wiederaufnahme am 10.12.2025

Die Zauberflöte ist eine der beliebtesten und am häufigsten aufgeführten Opern überhaupt. Mozart ist hier mit seiner letzten Oper unzweifelhaft ein genialer Wurf gelungen, der ganz Widersprüchliches (große Musik, derbe Späße, fast volksliedhafte Passagen, wilde Bühneneffekte, Großes neben Kleinem, Humor und Feierliches) zusammenfasst. Als Handlung dient ein Märchen und eine sehr phantasievolle Heldenreise. Tieferes Nachdenken ist wie in jedem guten Märchen völlig überflüssig. Man sollte den Kopf zu Hause gelassen haben und den Spaß einfach gut gelaunt zu verfolgen. Der wahre Opernkenner weiß: Natürlich gibt es Zauber-wirkende Flöten und Glockenspiele!

Die Rheinoper zeigt heute aber nicht nur irgendeine Zauberflöten-Aufführung. Sondern die Wiederaufnahmen der bedeutenden Inszenierung von 2012. Gut, dass sie auf dem Spielplan bleibt. Das Haus ist fast ausverkauft - auch der Spieltermin mitten in der Woche und der heute stattfindende beliebte Weihnachtsmarkt konnten das nicht verhindern.

Grab-Denkmal für Mozart auf dem Wiener Zentralfriedhof, Foto: wikipedia

Diese Inszenierung ist deshalb bedeutend, weil fast eine neue Operngattung dabei entstanden ist, die sich als international erfolgreich erwiesen hat: Wir erleben eine bühnenfüllende Videoproduktion, in welche sich die Sänger einfügen und einfinden müssen. Eine feststehende Kulisse gibt es nicht mehr, die Bilder der Kulisse haben vielmehr "rasant laufen gelernt": Wir sehen ein unaufhörlich schnell wechselndes Bühnenbild als Videoprojektion. Meist in Bewegung um die Sänger herum.

Nun sind es nicht nur irgendwie bebilderte Video-Sequenzen, die das Geschehen und das Umfeld eines "normalen Bühnenbildes" bewegt darstellen sollen. Vielmehr hat man folgende Eindrücke:

  • Hier wird auf der Bühne ein riesiger Comic-Bildband durchgeblättert.
  • Zusätzlich zu dem Bildband wird auch gesungen. Das ist so verkehrt nicht, da Mozart die Oper ja auch als unterhaltsames Singspiel beabsichtigt hat.
  • Die Bilder haben zudem eine Ästhetik, die vom Stummfilm inspiriert ist.

Die Künstlergruppe " 1927" (Suzanne Andrade und Paul Barritt) zeichnen für diese überaus erfolgreiche Konzeption verantwortlich. Diese besondere Form der Inszenierung stammt von Barrie Kosky und Suzanne Andrade. Als Beispiele mögen diese 4 Video-Szenen dienen:

  1. Schon gleich zu Beginn der Oper werden wir Zeuge davon, dass die virtuelle Video-Schlange Tamino verschlingt, so dass er sich im Magen des Ungeheuers wiederfindet. Mozart und Schikaneder hätten sicher geträumt von solchen Bühnen-Möglichkeiten.

Die Zauberflöte, Tamino im Magen der Schlage und die 3 Damen, Foto: Hans Jörg Michel

  1. Auch die Königin der Nacht erscheint als riesige Comic-Spinne, die mit ihren Füßen Tamino bedroht. Es gibt tatsächlich wilde, fast echt wirkende Ausweichbewegungen zwischen den Spinnenbeinen und dem Sänger.

Die Zauberflöte, Die Königin der Nacht als monströse Spinne, Foto: Hans Jörg Michel
  1. In dieser Zauberoper kommen Dinge vor, die es eigentlich nicht gibt. So erhält Papageno in der Originaloper ein Schloss vor den Mund, damit er schweigen muss. Die Bildregie nimmt dies sehr liebevoll auf: Im Video erscheint ein roter Mund neben dem Sänger, der nicht sprechen kann.

Die Zauberflöte, Papageno wird mit einem Redeverbot belegt, Foto: Hans Jörg Michel

  1. Mozart und Schikander wollten möglichst dramatische Bühneneffekte "mit Knalleffekt" haben. Dazu ist die Feuerprüfung für das Liebespaar bestens geeignet. Das heutige Video mit wild waberndem Feuer-Atem eines übergroßen Riesen übertrifft alles, was 1791 auf der Bühne hätte gemacht werden können.
Die Zauberflöte, Die Feuerprüfung für Tamino und Pamina, Foto: Hans Jörg Michel

Auch für den normalerweise gesprochenen Text der Sänger gibt es eine neue Form: Diese Sätze stehen groß auf der Video-Leinwand, wie im Comic oder wie in der Stummfilmzeit vor 100 Jahren. Und tatsächlich gibt es auf der Leinwand irgendwann ein großes

"KAAAWUMMMMM"

zu lesen, als eine Bombe explodieren soll. Die Krönung eines jeden Comics, bestens für ein ganzseitiges Bild geeignet.

Nach so viel Begeisterung muss freilich auch ein wenig Wasser in den Wein geschüttet werden. So gut die Idee ist, starke und wirkmächtige laufende Video-Bilder aus dem Füllhorn von 1927 und Barrie Kosky zu schütteln, so scheint es doch manchmal fast ein wenig zu viel. Es ist gar nicht möglich, all das zu verfolgen, was das Video zeigt. Die Reflektion wird fast ausgeschaltet, wir werden fast von der schnellen Überfülle der Bilder gewissermaßen überrumpelt. Zugegeben sei aber schon: Es wird besser nach einer gewissen Eingewöhnung.

Die Zauberflöte, Papageno möchte sich betrinken, Foto: Hans Jörg Michel

Das sollte als Wasser im Wein gelten:

  • Leidet die Musik nicht, indem sie nur als Hintergrund wirkt (wie die Filmmusik)?
  • Die Personen müssen recht statisch agieren. Sie müssen auf ihrem festen Balkon bleiben, mit den rasanten Videobildern drum herum. Wird da nicht ein wenig von der Präsenz der Sänger genommen?
  • Die Königin der Nacht z.B. muss ihren gesamten Part durch einen kleinen Ausschnitt singen, der nur ihr Gesicht freilässt. Staunend sieht man erst beim Schlussapplaus, welches Kostüm sie trägt. Hätte diese große Rolle nicht mehr verdient?

Auch wenn wir hier eine neue Opern-Form erleben, soll und darf die Leistung der Sänger und Musiker keine "Nebenbemerkung" sein. Das künstlerische Niveau ist durchgängig sehr hoch und auch ohne Gefälle - einen Star des Abends gibt es diesmal nicht. Außer der Inszenierung eben.

Die Königin der Nacht (gesungen von Sophia Theodorides) schafft makellos und sogar scheinbar mühelos die bekannten, ultraschweren Koloraturen, ein großer Prüfstein für jeden Sopran.

Tamino (Andrés Sulbarán) kommt leider ein wenig brav herüber. Er ist doch ein Held. Ob es am Kostüm liegt? An der Stimmführung und Präsenz seines Tenors gibt es jedenfalls nichts auszusetzen.

Anke Krabbe (in der Rolle der Pamina) singt die g-moll-Klage "Ach, ich fühl´s" zutiefst anrührend in all ihrer Verzweiflung. Es ist einer der wenigen Momente, wo die farbigen Aktions-Videos keine Chance haben. Ihre Stimme lässt da alles andere vergessen.

Die Zauberflöte, Papageno und Papagena freuen sich auf reichen Kindersegen, Foto: Hans Jörg Michel

Natürlich liebt das Publikum auch heute den Papageno (dargestellt von Richard Šveda), der heute im safrangelben Anzug mit Hut auf seiner Weibchen-Suche daherkommt. Und mit gekonnt-schlicht gesungenen Liedern, die fast jeder kennt.

Charlotte Langner hat als Papagena zweifelsohne speziellen Ballett-Unterricht genommen, wie sie ihren Papageno mit möglichst ausuferndem Hüftrollen beeindrucken kann. Und sie trägt sehr anregend das Kostüm des Abends (Kostüme Ester Bialas).

Bei Sarastro (Luke Stoker) wartet natürlich jeder im Publikum auf die ganz tiefen Töne und die Parade-Arie "in diesen heil´gen Hallen". Auch bei den allertiefsten Tönen bleibt sein Bass stabil und ausdrucksstark. Es gelingt ihm, eine große Würde in das oft grell-bunte Stück einzubringen.

Die Zauberflöte, Monostatos mit seinen Höllenhunden, Foto: Hans Jörg Michel

Monostatos (Timothy Oliver) will heute als krallenfingriger Nosferatu erscheinen. Die Filmsequenzen des Stummfilms von Murnau (Nosferatu - Sinfonie des Grauens) sind überdeutlich. Sogar Höllenhunde führt er an der virtuellen Video-Leine.

Auch Dagmar Thelen war heute Abend mehr als wichtig. Sie verantwortet die Videosteuerung. Das dürfte wohl ein neues Berufsbild sein, dass die Videos den ganzen Abend über punktgenau zum Geschehen und zur Musik passend gesteuert werden. Nein, es passiert nicht "automatisch". Wahrscheinlich muss sie hoch konzentriert zusammen mit dem Dirigenten atmen.

Das Düsseldorfer Publikum dankt mit anhaltendem Applaus für die erfolgreiche Wiederaufnahme der bemerkenswerten Aufführung. Und man darf gespannt sein, wann die Rheinoper einen Versuch bei einer anderen Oper mit dem Video-Bühnenbild wagt.

Weitere Aufführungstermine sind bis März vorgesehen.

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