Dresden, Neumarkt, 8. Classic Open Air - Junge Philharmonie Berlin, IOCO
8. Classic Open Air: Der Dresdner Neumarkt mit seiner barocken Pracht und seiner luftigen schwingenden Atmosphäre ist nach seiner Rekonstruktion ein weltweit bekanntes Markenzeichen der Stadt. Der Platz lädt nicht nur .....
Marcus Merkel, Dmytro Udovychenko und die Junge Philharmonie Berlin begeisterten beim 8. Classic Open Air in Dresden - Umjubeltes Orchesterkonzert mit Perlen der Klassik auf dem Dresdner Neumarkt
von Michael Stange
Der Dresdner Neumarkt mit seiner barocken Pracht und seiner luftigen schwingenden Atmosphäre ist nach seiner Rekonstruktion ein weltweit bekanntes Markenzeichen der Stadt. Der Platz lädt nicht nur zum Verweilen und Träumen ein. Seine rechteckige Form und die überschaubare Größe schaffen zudem wegen der ideale Akustik einen herrlichen Rahmen für Konzerte.
Am 30. August 2024 fand dort der erste Teil des zweitägigen Classic Open Air statt, das zum achten Mal im Sommer mit klassischen Evergreens ein großes Publikum anzog.
Neben der Frauenkirche wurde eine erhobene Bühne errichtet, die Orchester und Solisten unter einem die Akustik begünstigenden Dach beherbergt. Durch die runde geschlossene Form der Bühnen wurde ein ausgezeichneter, dem Konzertsaal vergleichbarer Klang mit einem warmen, differenzierten Klangbild erreicht.
Der Auftakt zweitägigen Open-Air-Festivals war ein Orchesterkonzert der Jungen Philharmonie Berlin unter Leitung ihres Chefdirigenten Marcus Merkel.
Das Orchester wurde vom Dirigenten und Komponisten Marcus Merkel gegründet, der seit 2022 Chefdirigent am Theater Koblenz ist. Junge, erfahrenen und hochtalentierten Instrumentalisten musizieren dort begeistert mit beachtlicher Virtuosität und Spielfreude.
Konzentriert sirrend begann der Abend mit Felix Mendelsohn Bartholdys Ouvertüre zu "Ein Sommernachtstraum". Orchester und Dirigent boten einen präzisen und klanglich tief differenzierten Auftakt. Die Bläserklängen erklangen warm, sonor und mit großer Innigkeit. Das Schwirren der Elfen erklang in einer Behändigkeit, dass man meinte, sie schwebten über den Neumarkt.
Orchester und Dirigent begannen mit immenser Spielfreude, wechselnden, fließenden Tempi und differenzierter Dynamik. Dies hielten bis zum Ende des Abends, so dass sie durchgängig eine unglaubliche Wirkung und Spannung aufrechterhielten und eine höchst professionelle Musikalität und Einfühlsamkeit bewiesen. Der Tanz der Handwerker erklang plump burschikos, so dass ein herrlicher Kontrast zu den Elfen entstand. Auch im Abgesang war das Ensemble ungemein konzentriert und löste den Traum schwebend auf.
Tschaikowsky Violinkonzert in D-Dur war dann ein besonderer Höhepunkt. Solist war der fünfundzwanzigjährige Dmytro Udovychenko. Er ist Gewinner des diesjährigen „Reine Elisabeth Wettbewerbs“ und studiert aktuell bei Christian Tetzlaff. Der Gewinn dieses Wettbewerbs ist wohl der definitive Ritterschlag für Geigenvirtuosen. Vielen von ihnen, wie beispielsweise Sergey Khachatryan, der gerade für seine Einspielung der Violinsonaten von Eugène Ysaÿe den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhalten hat, steht eine große Karriere bevor.
Das Konzert ist ein Stück, an dem sowohl Solist als auch Dirigent und Orchester scheitern können. Dies mag daran liegen, dass der Komposition ein gewisses Parfum innewohnt, dass bei pastosem Auftrag ins Bonbonfarbene abrutscht. Dmytro Udovychenko erwies sich als Meistervirtuose, der die schwierigen Läufe des Konzerts brillant und inwendig darbot. Trotz seiner Jugend beherrschte er die Bühne.
Neben inwendig tastenden Klängen standen virtuosen und kräftigen Momente, die er stets packend auskostete. Strahlend paarten sich Emphase mit jenem Hauch von Wehmut, der rührte ohne kitschig zu sein. Udovychenkos atemberaubende Bogenführung glänzte durch Kraft und Ausdrucksstärke. Seine Geige von Giovanni Baptista Guadagnini von 1769 schien wie für ihn gemacht. Die erdiger Tiefe ist nicht die überragende Stärke des Instruments. In der Mittellage und Höhe entfesselte er damit aber ein Klangspektrum, dass an Farbenreichtum, Intensität und Klangschönheit kaum zu überbieten sein dürfte. Jedes Schluchzen war nur zart angedeutet und eher melancholisch eingeworfen. Süße und Poesie waren so dosiert, dass sie stets verführerisch und nie aufdringlich wirkten. Die Kadenz nahm er mit Elan und Energie. Eine bravouröse solistische Leistung.
Faszinierend auch, wie es dem Orchester gelang, sich nach dem romantischen Klang unmittelbar in den Melos von Tschaikowsky einzutauchen und das Stück in ein wehmütiges Werk mir russischer weite und Tiefe zu verwandeln. Marcus Merkel koordinierte Ensemble und Solist straff und klar. Zugleich hatte er ein abgerundetes Klangkonzept, dass das Werk als in sich glühendes Drama in beglückender Faszination erklingen ließ.
Nach der Pause folgte Bizet Carmen Suite Nr. 1.. Die dort zusammengefassten Auszüge der Oper sind ein Kaleidoskop an Lebensfreude, Drama und Tod. Die Darbietung dieser schicksalhaften Verwobenheit gelang vollendet.
Johannes Brahms Ungarische Tänze Nrn. 1 und 5 ertönten feurig und pittoresk und waren von großer Eindringlichkeit und mitreißender Kraft. Sibelius Finlandia, diese schwere mit großen Aufschwüngen versehende Orchesterstück wurde wuchtig und fest aber ohne Heroismus geboten. Den faszinierenden Kontrast zum Schluss bot Bedrich Smetanas Moldau. Dem Orchester gelang es durch differenziertes Spiel musikalische Einblicke in die Naturgewalten und in das Seelenleben Finnlands und der benachbarten Tschechischen Republik zu bieten. Erfrischend und sprühend und beschloss das Stück den Abend.
Marcus Merkels Dirigat war von immenser rhythmischer Präzision, exakter Zeichengebung und großer Suggestivität geprägt. Kraftvoll aber auch anrührend und inwendig näherte er sich den durchaus anspruchsvollen und kompositorische sehr anspruchsvollen Stücken. Ihm und dem Orchester gelang es, jedes der präsentierten Werke in seinem eigenen Kolorit erklingen zu lassen. Marcus Merkel gelang es, dem Orchester einen ausgefeilten romantischen, goldenen Klang zu entlocken, bei dem man sich oft an das Spiegeln der Sonne in einem sich mäßig bewegenden Fluss erinnert fühlt. Seine immense Meisterschaft war ein wichtiger Faktor dieses packenden Abends.
Das Konzert bot einen Reigen der beliebtesten Werke der Klassik. Marcus Merkel und der Jungen Philharmonie Berlin erzeugte durch die Fähigkeit, jedem der einzelnen Stück einen individuellen Klang zu verleihen eine sich stetig steigernde Spannung und Leidenschaft, die sich unmittelbar auf das Publikum übertrug.
Von der Begeisterung des Festivals mitgerissen wurde auch der 1929 geborene, nahe Dresden lebende Großvater des Dirigenten Dr. Gerhard Merkel. Den Dresdner ist er durch seine Forschungen und Pionierleistungen beim Aufbau der DDR-Computerindustrie und als Gründer und Leiter des Großforschungszentrums des Kombinats Robotron bekannt. Später war er Direktor des Instituts für Mikroelektronik Dresden, das er 1980 in Dresden gründete und war einer der wichtigsten Pioniere der Computerforschung und-herstellung der DDR.
Das 8. Classic Open Air: Ein großer Abend, der lange nachhallte.
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