Daria Parkhomenko spielt G. Enescu, Prospero Classical, CD Kritik
Daria Parkhomenko brilliert mit involvierten Spiel in Klavierwerken von George Enescu
George Enescu war Rumäniens bedeutendster Komponist des zwanzigsten Jahrhunderts. Musiker wie Yehudi Menuhin, Pablo Casals oder Nadia Boulanger waren mit ihm befreundet und haben ihn bewundert. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts lebte er in Paris und unternahm zahlreiche europaweite Konzertreisen.
Seine Klavierwerke sind ein Brückenschlag zwischen Romantik und Moderne. In Westeuropa hat seine Musik infolge von Krisen, Kriegen und musikpolitischen Zeitströmungen nicht die ihr gebührende Verbreitung gefunden.
Die junge Pianistin Daria Parkhomenko gewann unter anderem den George-Enescu-Klavierwettbewerb 2018. Sie ist eine Pianistin mit einer außerordentlichen Intuition für die hinter den Noten stehende Poesie. Ihr musikalisches Einfühlungsvermögen paart sie mit einer phänomenalen Spieltechnik und einer mitreißenden charismatischen Präsenz.

So zeigt sie auch für Enescus musikalische Sprache ein mitreißendes Verständnis und leistet mit ihrem Debütalbum einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung von Enescus Meisterschaft.
Enescus Klavierwerke entstanden in einer Zeit des Übergangs. Die romantische Tradition verschmolz mit der Moderne. In manchen Stücken finden sich später jazzartige Elemente, aber auch Strömungen der Volksmusik.
Auftakt der CD ist die Piano Sonata No. 1 in F Sharp Minor, Op. 24/1. Sie entstand, wie auch die Piano Sonata No. 3 in D Major, in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Sonate No. 1 zeigt mit ihrem mäandernden, atmosphärischen ersten Satz und dem tänzerischen, virtuosen zweiten Satz diese Synthese.
In der Piano Sonata No. 1 zeigt Daria Parkhomenko ihre Fähigkeit, Enescus komplexe emotionale Landschaften zu durchdringen. Der erste Satz, „Allegro molto moderato e grave“, ist ein rhapsodisches Geflecht aus dichten Klängen und zarten Melodien. Parkhomenko tariert die dynamischen Schwankungen stufenweise mit einem feinen Gespür für Dramatik aus und spielt das Stück gänzlich erdenfern und schwebend. Im „Presto vivace“ legt sie eine bewundernswerte virtuose Leichtigkeit an den Tag. Die folkloristischen Tanzrhythmen präsentiert sie in der beglückenden Stimmung eines bäuerlichen Festes. Jene tänzerische Energie und die abschließende Nachtstimmung des „Andante molto espressivo“ hinterlassen bei dem Hörer die mystische Atmosphäre. Man fühlt die rumänische Moldau heraufbeschworen, wie Enescu sie in seinem Rückzugsort in Sinaia in den Südkarpaten erlebte.

Die Suite No. 2 in D Major, Op. 10 (1903), auch „Des cloches sonores“ genannt, wurde in Paris komponiert, wo Enescu bei Massenet und Fauré studierte. Die Suite ist stark von der französischen Neoklassik beeinflusst, insbesondere durch die Klarheit und Eleganz des französischen Impressionismus, wie er bei Debussy oder Ravel zu finden ist. Gleichzeitig schimmert Enescus rumänische Herkunft durch, etwa in der „Pavane“, die sich in Teilen an die Melancholie der aus der Volksmusik entstammenden Form der Doina anlehnt. Die vier Sätze – Toccata, Sarabande, Pavane und Bourrée – spiegeln eine Balance zwischen barocker Struktur und romantischer Farbigkeit wider, wobei Enescu bereits hier seinen individuellen Stil andeutet.

Daria Parkhomenko überzeugt erneut durch ihren runden interpretatorischen Ansatz. Neben ihrer Präzision entfaltet sie eine sensible Farbpalette von großer Pracht, dass der Atem stockt. Die kontrastreichen Stimmungen der Sätze gelingen suggestiv. Die „Toccata“ glitzert mit kristallklarer Artikulation. Die „Sarabande“ ertönt in grandioser melancholischer Tiefe und erscheint wie eine impressionistische Landszene. Die „Pavane“ besticht durch Parkhomenkos subtile Melancholie, die sie mit einem warmen, singenden Ton und tiefgründigen Wendungen ertönen lässt. In der abschließenden „Bourrée“ gewinnen Vitalität und Lebensfreude die Oberhand, die mit rhythmischer Präzision dargeboten werden.
Die Piano Sonata No. 3 in D Major, Op. 24/3 entstand in den dreißiger Jahren, als Enescu in seiner musikalischen Sprache viele neue Eindrücke einfließen ließ. Inspiriert wurde er auch durch Ausdrucksformen der europäischen Musikszene. Einflüsse von Strawinskys Neoklassizismus, Bartóks folkloristischer Moderne und Schönbergs Atonalität klingen an. Enescu entwickelte unter diesen und zahlreichen anderen Eindrücken eine persönliche, gleichsam rhapsodische Sprache, in der er auch die rumänische Volksmusik verwob und eine komplexe, fast impressionistische wirkmächtige Klangwelt generierte. Die Sonate No. 3 zeigt so in eindrucksvoller Weise die Entwicklung und das Genie Enescus.
Daria Parkhomenko lässt die spielerische Leichtigkeit des ersten Satzes („Vivace con brio“) mit einer reinen, fast ätherischen Artikulation erscheinen. Der zweite Satz, „Andantino cantabile“, ist von einer träumerischen Intimität, die die Pianistin mit einem weichen, singenden Anschlag gestaltet. Der finale „Allegro con spirito“ sprüht vor Energie und zeigt ihre technische Brillanz, wobei sie zugleich die musikalische Substanz in ihrer mannigfaltigen Differenziertheit wirkungsvoll und authentisch darbietet.
Daria Parkhomenkos Debütalbum ist ein weiterer Beleg für ihr immenses Talent und ihre berührende Virtuosität.
Ihr gelingt es, wie allen wirklich großen Pianisten, die ganze Fülle ihrer Seele in ihr Spiel zu legen und die Werke, als ob sie sie gleichsam ein- und ausatme, zu präsentieren.
Das Klavierspiel der Künstlerin ist von tiefem Verständnis für Enescus musikalische Welt und alle ihn umgebenden Einflüsse durchzogen. Die Werke offenbaren rumänische Folklore, französische Eleganz, moderne Freiheit aber auch den grandiosen Erfindungsreichtum Enescus. All das wird beglückend dargeboten.
Das Album ist ein doppelter Gewinn. Es ist ein fantastisches Plädoyer für Enescus Klavierwerke ist und zeigt die Meisterschaft von Daria Parkhomenko.
George Enescu: Suite for Piano No. 2 in D Major, Op. 10, Piano Sonata No. 1 in F Sharp Minor, Op. 24/1, Piano Sonata No. 3 in D Major, Op. 24/3
Daria Parkhomenko
Label: Prospero Classical, 2022, EAN/UPC: 4262353970102